Bericht zum 10. Bundeskongress für politische Bildung in Mainz
Rund 300 Besucher füllten am 2. März die Phoenix-Halle der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt. Nach einführenden Reden der Veranstalter (Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, und Reinhold Hedtke, Vorsitzender der Deutschen Vereinigung für politische Bildung) und der Gastgeber (Kurt Beck, Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz und Jens Beutel, Oberbürgermeister von Mainz) hielt Dr. Norbert Lammert, Präsident des deutschen Bundestages, den Festvortrag. Das Thema hieß „Die Verantwortung der Medien in der Demokratie“, auf das in der anschließenden Podiumsdiskussion mit Redakteuren verschiedener Nachrichtenmedien immer wieder gern, wenn auch kontrovers, Bezug genommen wurde.
Während der erste Veranstaltungstag von sehr interessanten Expertenpodien bestimmt war, bot sich dem Kongressbesucher am zweiten Tag eine Fülle von spannenden, praxisorientierten Workshops, von denen mehrere von Mitwirkenden des BLK-Programms „Demokratie lernen & leben“ durchgeführt wurden.
Wir möchten Ihnen hier einen kurzen Einblick in drei dieser Workshops geben.
Das Deliberationsforum – eine neue Form des politischen Lernens in der Schule
In diesem Workshop stellte Anne Sliwka (Universität Trier) u.a. eine Erkenntnis aus der Grundlagenforschung vor: In einer Deliberation, d.h. im gemeinsamen Abwägen und Beraten, werde selbst ohne Konsensbildung das abschließende Abstimmungsergebnis als legitimer empfunden als am Ende einer Diskussion oder Debatte, in der man in Konfrontation zu einander tritt. Man könne hier nämlich sicher sein, dass jede Handlungsalternative eine faire Chance habe, dargelegt zu werden. An einem Schulbeispiel erläuterte Frau Sliwka daraufhin das Konzept „Deliberationsforum“ und dessen Umsetzung.
Die Workshopteilnehmer kamen aus fast allen Ecken der Pädagogik zusammen: Schule, Universität, Lehrerfortbildung, Berufskolleg, Bundeszentrale für politische Bildung. Nach der Präsentation bildete sich bei den Teilnehmern der Konsens, dass der Hauptlerneffekt beim Deliberationsforum den Schülern in der vorbereitenden Projektgruppe zugute komme.
Die Teilnehmer zeigten sich interessiert, dass die Durchführung weniger Arbeitsaufwand als der „normale“ Unterricht mit sich bringe, die Schüler jedoch einen deutlichen Zuwachs an demokratischer Handlungskompetenz erreichen.
Kritik kam lediglich hinsichtlich der Evaluation des Deliberationsforums. So werde nur erhoben, ob und in welche Richtung eine Meinungs- und Wissensänderung zustande gekommen sei und nicht, welche Gründe die Schüler zur Meinungsänderung hatten.
Materialtipp: Sliwka, Anne (2005). Das Deliberationsforum – Eine neue Form des politischen Lernens in der Schule.
http://www.blk-demokratie.de/materialien/beitraege-zur-demokratiepaedagogik/sliwka-anne-2005-das-deliberationsforum-eine-neue-form-des-politischen-lernens-in-der-schule/
Bericht von Anna Vierling (Koordinierungsstelle, BLK-Programm „Demokratie lernen & leben“)
Zukunftswerkstatt: Mehr Demokratie wagen in der Schule
In diesem Workshop wurde von Hans Berkessel (Projektleiter von „Demokratie lernen & leben“ in Rheinland-Pfalz) und Sandra Schmitz (Sozialkundelehrerin BBS Bingen) die Methode der Zukunftswerkstatt am Beispiel des im Rahmen des BLK-Programms erprobten Themas „Mehr Demokratie wagen in der Schule“ erläutert und in Ansätzen exemplarisch durchgeführt.
Hierfür wurde zunächst die Idee der Zukunftswerkstatt historisch hergeleitet: referiert wurde über den Zukunftsforscher und „Erfinder“ der Zukunftswerkstatt Robert Jungk (1913-1994) und dessen ursprüngliche Idee, durch Zukunftswerkstätten den Bürger stärker in das gesellschaftliche und politische Geschehen mit einzubeziehen. Anschließend wurde erläutert, für welche Zwecke die Methode heute genutzt wird: zur Einbeziehung von Bürgerinnen und Bürger in kommunale Planungsprozesse einerseits und zur handlungsorientierten Gestaltung von Unterricht andererseits. Die Zukunftswerkstatt sei zusammenfassend ein geeignetes Instrument, um Teilnehmerinnen und Teilnehmern einerseits behilflich zu sein, sich ihrer Ideen, Probleme, Konzepte und Wünsche bewusst zu werden und sie zu formulieren, und andererseits, um kreativ Lösungen für bestehende Probleme zu entwickeln.
Zur Konkretisierung wurde daraufhin die methodische Struktur der Zukunftswerkstatt vorgestellt, deren Planung und Durchführung durch drei Kernphasen, gebettet in eine Vorbereitungs- und Nachbereitungsphase gekennzeichnet ist. Abschließend wurde eine Phase – die Kritikphase – von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern beispielhaft durchgespielt.
Materialtipp: Ilona Böttger (2006): Beteiligung fördern durch Zukunftswerkstätten & Zukunftskonferenzen.
http://www.blk-demokratie.de/materialien/demokratiebausteine/programmthemen/beteiligung-foerdern-durch-zukunftswerkstaetten-zukunftskonferenzen/
Bericht von Anne Knop (Koordinierungsstelle, BLK-Programm „Demokratie lernen & leben“)
Demokratie in der Schule – Alltagstaugliche Instrumente zur Erfassung von Demokratiequalität für Lehrer, Schüler und Schulinspektoren
In einem weiteren, von Hermann Josef Abs (Deutsches Institut für pädagogische Forschung, Frankfurt am Main) angebotenen Workshop wurde unter dem Titel „Demokratie in der Schule“ die Frage der Erfassung von Demokratiequalität an Schulen thematisiert. Im Mittelpunkt stand dabei die Vorstellung zweier Erhebungsinstrumente. Mithilfe der Graphik eines Würfels verdeutlichte Herr Abs die Dimsionen eines Erhebungsinstruments, das dazu dienen soll, Partizipation zu erfassen. Dabei betonte Herr Abs ausdrücklich in der Diskussion, dass „Partizipation“ Demokratie in Schulen keineswegs vollständig umfasse, aber dennoch einen demokratiepädagogisch zentralen Bereich darstelle. Im Sinne eines heuristischen Qualitätsrahmens solle dieses Instrument es ermöglichen festzustellen, welche verschiedenen Arten, Aspekte und Qualitäten von Partizipation durch verschiedene konkrete Partizipationsformen (wie z.B. Schülermediation oder Klassenrat) realisiert und an einer Schule insgesamt abgedeckt bzw. nicht abgedeckt werden.
Als zweites Instrument stellte Herr Abs einen noch im Entwurfsstadium befindlichen Qualitätsrahmen zur darüber hinausreichenden Erfassung der Demokratiequalität von Schulen vor. Leitend sei dabei die Frage, was an einer Schule insgesamt gegeben sein müsse, damit diese als demokratische Schule gelten kann.
Bericht von Tobias Diemer (Koordinierungsstelle BLK-Programm „Demokratie lernen & leben“)