Diese Seite wird nicht mehr aktualisiert

BLK-Programm - Demokratie lernen & leben: Buch aus der Geschichtswerkstatt, 06. Oktober 2003

Schulen

Buch aus der Geschichtswerkstatt, 06. Oktober 2003

Buch aus der Geschichtswerkstatt

Im Rahmen des Projektkurses, der fest im Lehrplan mecklenburg-vorpommerischer Schulen verankert ist, hatte die Arbeit an dem Buch "Schicksale - Erlebnisberichte von Flüchtlingen und Vertriebenen" vor zwei Jahren begonnen. Auf Initiative des damaligen Museumsdirektors, Sven Wichert, setzten sich zehn Schüler/-innen des Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasiums Bergen mit dem sensiblen Thema Kriegsvertreibung auseinander. Betreut von ihrer Lehrerin Jana Romanski suchten sie mit Zeitungsaufrufen in ihrer unmittelbaren Umgebung nach Überlebenden der Flüchtlingskatastrophe.

Recherche- und Schreibprozess

Hierbei erfuhren die Jugendlichen zunächst einmal, wie arbeitsaufwendig sich die Rekonstruktion historischer Begebenheiten, die Sichtung der Fakten und ihre Einordnung in Zusammenhänge gestaltet. Aber auch menschlich machten sie neue Erfahrungen. Nur langsam kam der Kontakt mit ehemaligen Flüchtlingen zustande. Viele von ihnen zögerten zunächst, von dem ihnen widerfahrenen Schicksal zu berichten und sich den Schüler/-innen anzuvertrauen. Über das Interesse der Jugendlichen, ihre Bereitschaft aufmerksam zuzuhören und ihre Anteilnahme am Leben älterer Menschen, fanden sie Zugang zu den Zeitzeugen. Sie lernten, sich in die Probleme und Erlebnisse der Großeltern-Generation hineinzuversetzen.

Lernprozess und Erfahrungen

In den intensiven und persönlichen Gesprächen bauten die Jugendlichen zu ihren älteren Mitmenschen ein Vertrauensverhältnis auf, das zur soliden Grundlage ihres historischen Erzählens wurde. Jedes der elf Portraits in dem Buch gibt auf sehr persönliche Weise Auskunft über die Konsequenzen und verheerenden Folgen der NS-Diktatur und sechs Jahren Weltkrieg für das Leben einzelner Menschen fernab der politischen und diplomatischen Gravitationsfelder. Interview für Interview erschlossen sich die Jugendlichen die Vergangenheit ihrer unmittelbaren Umgebung. Sie hinterfragten gesellschaftliche Strukturen, in die sie hineingeboren wurden, und fanden damit ihren eigenen Verständniszugang zu ihrer Umgebung und ihren Mitmenschen.

Eine wichtige Erfahrung war dabei neben der mühsamen Recherche und dem langwierigen Schreibprozess die Anerkennung ihrer Arbeit durch die Zeitzeugen selbst. Standen diese dem Projekt anfangs noch skeptisch gegenüber, legten sie ihr Misstrauen angesichts der Dokumentation und Erinnerung ihres Lebens ab.

Geschichtswerkstatt und "Demokratie lernen & leben"

Mit der Geschichtswerkstatt am Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium, aus der das Buch „Schicksale – Erlebnisberichte von Flüchtlingen und Vertriebenen“ hervorgegangen ist, haben Jana Romanski und ihre Schüler/-innen einen pädagogisch-methodisch wertvollen Weg eingeschlagen. Ein Weg, der sich lohnt, fortgesetzt zu werden. Für die kommenden Jahre sind am Bergener Gymnasium im Lehrplan weitere Projekte zur Geschichte der Insel Rügen fest eingeplant. Gerade beschäftigen sich Jugendliche an der Schule mit der großen Enteignungswelle des SED-Regimes 1953, „Aktion Rose“. Ab 2004 soll zur Vergangenheit des KdF (Kraft durch Freude) Freizeitzentrums „Prora“ recherchiert werden.

Gunnar Hammerschmidt

top