Berufsbildende Schule Bingen "Politik vor Ort" an der Berufsbildenden Schule Bingen, Oktober 2004
Mit ihrem praxisnahen und handlungsorentierten Seminar „Politik vor Ort“ verfolgt die BBS Bingen einen viel versprechenden Ansatz des Demokratielernens. In einer Kooperation zwischen der Stadt Alzey, den Ausbildungsbetrieben und der Schule haben die Berufsschüler/-innen die Möglichkeit, kommunale Politik hautnah mitzuerleben, in Rollenspielen nach-zuempfinden, um dann eigene Themen in die Kommunalpolitik einzubringen. So wird politisch-institutionelles Wissen vermittelt und damit der Anstoß für aktives bürgerschaftliches Engagement gegeben.
Der Unterricht für 21 Berufsschüler/-innen des dualen Ausbildungsganges zum/zur Bankkaufmann/-frau der Berufsbildenden Schule Bingen sah Anfang Juni 2004 ganz anders aus als üblich. An drei aufeinander folgenden Tagen beschäftigten sie sich in einem Seminar mit dem Titel „Politik vor Ort“ mit kommunalpolitischen Prozessen, Strukturen und Inhalten. Von Mitarbeiter/-innen der Stadt Alzey erfuhren sie zunächst, wie die Stadtverwaltung und der Stadtrat aufgebaut sind und funktionieren. Anschließend gestalteten die Berufsschüler/-innen in Kleingruppen in einer Projektarbeitsphase Plakate zu den Themen Tourismus, Wirtschaft, Kultur und Freizeit, Jugendarbeit sowie Geschichte in Alzey selbst, um die kommunalpolitische Themenvielfalt kennen zu lernen.
Am zweiten Tag führten die Schüler/-innen eine Recherche zu Geschichte, Wirtschaft, Tourismus und anderen Besonderheiten der Stadt Alzey sowie eine so genannte Internet-Ralley zur Politik in der Stadt durch. Die Teilnahme an einer Stadtratssitzung bildete den Abschluss dieses Seminartages. Am dritten und letzten Tag des Seminars stand schließlich ein Rollenspiel auf dem Plan, in dem die Schüler/-innen eine Sitzung des Stadtrates simulierten, bevor sie mit politischen Entscheidungsträgern der Gemeinde direkt ins Gespräch kamen.Das Seminar ist einer der ersten Schritte auf einem Weg, der die jungen Erwachsenen zu mehr bürgerschaftlichem und kommunalpolitischem Engagement führen soll, so die Konzeption des Initiatoren-Kreises, der aus der Schule, der Projektleitung des BLK-Modellprogramms „Demokratie lernen & leben“ in Rheinland-Pfalz, der Verwaltung des Kreises Mainz-Bingen und den Ausbildungsbetrieben, wie der Volksbank Alzey, besteht. „Durch die Vielfalt der angewendeten Methoden und den Wechsel der Lernorte versprechen wir uns, neben der Vermittlung von Sachwissen über die „Politik vor Ort“, dass Jugendliche für politische Entscheidungsprozesse in ihrer Gemeinde sensibilisiert werden und somit ihr Interesse an Politik wächst und damit auch die Bereitschaft sich politisch bzw. gesellschaftlich zu engagieren“, erläutert Hermann Groß, Lehrer an der BBS Bingen, die Zielsetzung des Seminars. Die durchweg positiven Rückmeldungen der Schüler/-innen bescheinigen diesem Ansatz Hoffnung auf Erfolg.
Besonders gut gefielen den Teilnehmer/-innen die aktiven und handlungsorientierten Teile des Seminars, wie die Gruppenarbeit, die Plakatgestaltung, das Rollenspiel und die Gespräche mit den Verant wortlichen. Dadurch, dass den Schüler/-innen konkretes praktisches Wissen über Prozesse und Abläufe vermittelt wurde, das sie dann live erleben und selbst im Rollenspiel ausprobieren konnten, bekamen sie einen Eindruck, wie Politik „gemacht“ wird und welchen Einfluss jeder einzelne auf diesen gesellschaftlichen Prozess nehmen kann.
Der nächste Schritt soll nun in diese Richtung führen: Die teilnehmenden Schüler/-innen werden Themen identifizieren, die sie real in die Kommunalpolitik einbringen wollen. Das Seminar hat dazu schon eine positive Haltung bei den Schülern/-innen entwickelt, wie die entsprechenden Aussagen der Teilnehmer/-innen zeigen. „Ich denke, dass die politische Beteiligung auf Kommunalebene durchaus ‚wirksam’ und sinnvoll sein kann, da man vor Ort etwas erreichen oder ändern kann. …Ich überlege durchaus, vielleicht in die …Partei einzutreten“, so die Aussage einer Teilnehmerin.
Konkretes politisch-institutionelles Handlungswissen, das durch Gespräche mit Verantwortungsträgern vermittelt und in Hospitationen und Rollenspielen erfahrbar wird, kann so die Basis darstellen für ein eigenes Engagement der Schüler/-innen und damit so genannter Politikverdrossenheit und gesellschaftspolitischer Passivität entgegenwirken. Mit dem nächsten Schritt, d. h. indem die Berufsschüler/-innen nun ihre kommunalpolitischen Themen in den kommunalpolitischen Entscheidungsprozess einbringen, wird die BBS Bingen zu einer Schule in der Demokratie, die ihre Schüler/-innen zu aktiven demokratischen Bürgern macht.
Schulbeschreibung:
Die berufsbildende Schule in Bingen befindet sich in einem kleinstädtischen, gemischten sozialen Umfeld. Die Schüler kommen aus unterschiedlichen Gemeinden. Der Migrantenanteil der Schülerschaft liegt bei über 25%. In der Schule finden regelmäßig Projektwochen statt. Es gibt eine aktive Schülermitverwaltung und Nachmittagsangebote.