Gymnasium Haldensleben – Kooperative Lernformen im Deutsch- und Geschichtsunterricht – Schüler führen Schüler im Museum Haldensleben, Oktober 2004
Herkömmlicher Frontalunterricht fördert eigenständiges Denken und Handeln zu wenig. Auf dieser Erkenntnis aufbauend erprobt das Gymnasium Haldensleben kooperative Lernformen in fächerübergreifenden Unterrichtsprojekten. Schüler/-innen erarbeiten so Wissen selbstständig und in Teamarbeit und lernen voneinander. Ein Ansatz, der demokratische Handlungskompetenz entwickelt, indem er Teamfähigkeit schult, flexibles Methodenwissen aufbaut und verständnisintensives Lernen möglich macht.
Ihren Geschichts- und Deutschunterricht erlebten die 21 Schüler/-innen der 8. Klasse des Gymnasiums Haldensleben im vergangenen Schuljahr ganz anders als bisher. Statt in ihren Bänken im Klassenraum stillzusitzen, unterrichteten sie sich selbst, und das an einem spannenden Ort voller authentischer Gegenstände aus der Geschichte: im Heimatmuseum Haldensleben. Alle wichtigen Themen des Rahmenlehrplanes für Geschichte fanden sich auch in diesem Museum: Industrialisierung und Biedermeier im Haldenslebener Raum sowie die Geschichte von der Urgesellschaft bis zum Mittelalter und der Neuzeit. Sieben Kleingruppen à drei Schüler/-innen übernahmen jeweils einen Aspekt des Themas. Wie sie sich die Inhalte selbstständig erschließen und dann weitervermitteln können, lernten die Schüler/-innen in ihrem Deutschunterricht: Wie erarbeite ich mir einen Text? Wie recherchiere ich nach Themen? Wie sammle und strukturiere ich Ideen mit Hilfe einer Mindmap? Welche sind die Kriterien für ein gutes Referat? Mit diesem Handwerkszeug gut gerüstet, erarbeiteten die Kleingruppen im Kontakt mit den Museumspädagogen ihre Themengebiete. Sie forschten im Museum, in der Literatur und im Internet und bereiteten ihr Thema für eine Führung im Museum auf. Gut zwei Monate nach Beginn der Arbeit am Projekt stand dann der gemein- same Museumsbesuch auf dem Programm: jede Kleine Führung im Museum auf. Gut zwei Monate nach gruppe führte ihre Mitschüler durch „ihren“ Teil der Ausstellung. „Die Schülerinnen und Schüler haben eine erstaunliche Kreativität entwickelt“, berichtet Renate Belling, Deutschlehrerin am Haldenslebener Gymnasium.
Eine Schülerin, die die Entwicklung des Handwerks in der im Museum nachgebauten Spinnstube erläuterte, begann ihre Führung mit einem Auszug aus einem Märchen. Die Schüler/-innen bezogen die Museumsobjekte und auch ihre Mitschüler/-innen durch Fragen mit ein. Beides waren Kriterien für die Leistungsbewertung. So erhielten die Schüler/-innen für ihre Arbeit jeweils eine Deutsch- und eine Geschichtsnote.Mit diesen Fachnoten war die Auswertung der Arbeit jedoch noch nicht abgeschlossen. „Ziel des Projektes war ja auch, die Kommunikations- und Teamfähigkeit der Schüler/-innen zu fördern“, erläutert Renate Belling den mehrdimensionalen Ansatz der kooperativen Lerneinheit. Die Qualität der Gruppenarbeit werteten die Schüler/-innen nach dem Projekt aus, benannten Erfolge und Kritikpunkte, versuchten die Beiträge einzelner Gruppenmitglieder zu beschreiben. „Erst haben sich eher Freunde zu einer Gruppe zusammengefunden, inzwischen ist die Zusammenarbeit zwischen den Schüler/-innen flexibler geworden“, beschreibt Renate Belling den sozialen Lernerfolg des Projektes.Sylvia Bolle, Schulleiterin am Friedrich-Ludwig-Jahn-Gymnasium fasst die übergeordneten Ziele der Einführung kooperativer Lernformen in fächerübergreifenden Lernprojekten so zusammen: „Die Schülerinnen und Schüler sollen lernen, ihr eigenes Lernen zu steuern. Aus dem Unterricht heraus soll ein demokratisches Klima geschaffen werden, in dem Schüler für Schüler aktiv werden.“ So entwickelten Projekte wie das Museumsprojekt verständnisorientiertes Handlungswissen und Methodenkompetenz, schulten das kritische Urteilsvermögen und verbesserten die Kommunikationsfähigkeit sowie die Selbst- und Fremdwahrnehmung. Ähnliche Projekte wie das oben dargestellte wurden am Haldenslebener Gymnasium auch in den Fächern Sozialkunde, Religion, Psychologie und Geographie durchgeführt. Wie das Museumsprojekt werden auch sie keine „Eintagsfliege“ im Schulalltag bleiben. Im nächsten Schuljahr werden die jetzigen Achtklässler in ihrem Geschichts- und Deutschunterricht ein ähnliches Museumsprojekt auf einer Studienfahrt nach Berlin zur Gedenkstätte „Haus der Wannseekonferenz“ durchführen. Dann werden sie – geübt in selbstständiger Gruppenarbeit – schon in der Lage sein, die unterrichtsrelevanten Schwerpunkte selbst in der Ausstellung zu identifizieren und zu gliedern; ein weiterer Schritt in der Entwicklung von Methodenkompetenz. Wie die Schüler/-innen, so entwickeln auch die Lehrer/-innen am Haldenslebener Gymnasium ihre Methodenkompetenz weiter. In Fortbildungen zu „kooperativen Lernformen“ lernen sie, wie sie verschiedene Sozialformen im Unterricht einsetzen können, um inhaltliche und soziale Ziele gleichermaßen zu verfolgen. Dabei müssen auch die Lehrer/-innen umdenken: Sie müssen ihr Rollenverständnis zugunsten der Selbstständigkeit und Selbsttätigkeit ihrer Schüler/-innen verändern. Ein wichtiger Schritt, der demokratisches Denken und Handeln im Unterricht erst möglich macht.
Schulbeschreibung:
Das Gymnasium Haldensleben liegt in einem kleinstädtischen Umfeld. Die Schüler/-innen kommen aus unterschiedlichen Gemeinden. Der Migrantenanteil der Schülerschaft liegt unter 5 %. An der Schule werden regelmäßig Projektwochen durchgeführt. Ebenso gibt es eine aktive Schülermitverwaltung.