Anger-Gymnasium, Jena - Geschichtsarbeit am Anger-Gymnasium Jena, Oktober 2004
Dass es nach 1989 und der EU-Osterweiterung mitten im bewegten Fluss der Geschichte steht, ist für das Anger-Gymnasium in Jena ein Ausgangspunkt für einen demokratischen Schulentwicklungsprozess. Mit neuartig konzipierten Projekten im Geschichtsunterricht reflektieren Schüler/-innen die eigene Schulgeschichte und innerhalb einer Schulpartnerschaft mit einer ungarischen Schule wichtige Wendepunkte europäischer Geschichte. Aufarbeitung von Geschichte wird für die Schüler/-innen so nicht nur spannend, sondern dient einer bewussten und demokratischen Gestaltung gemeinsamer Zukunft.
Geschichte hat für das Anger-Gymnasium in Jena eine besondere Bedeutung, feierte die Schule doch im September 2003 ihr 50-jähriges Bestehen. Aus gegebenem Anlass wurde eine Festwoche veranstaltet und eine Festschrift herausgegeben. Schüler/-innen hatten zusammen mit ihren Lehrer/-innen Recherchen zur Schulgeschichte betrieben, Material zusammengetragen, Ehemalige, Schüler/-innen wie Lehrer/-innen, befragt und die Ergebnisse in einem so genannten Schulmuseum ausgestellt. Gegründet 1953, also in der DDR-Zeit, erlebte die Schule vor allem ein Jahr als grundlegenden Einschnitt: 1989, das Jahr der „Wende“. Die Schulleitung wechselte, die Schule strukturierte sich um, wurde umbenannt. Die historische Wende spiegelt sich auch in der Schwierigkeit, die eigene Schulgeschichte vor und nach der Wende angemessen zu würdigen und zu dokumentieren. „Erinnerungskontroverse“ nennt Bernd Peter, seit 1990 Schulleiter des Anger-Gymnasiums, diesen Prozess. Es habe viel Kritik an den Feierlichkeiten zum Schuljubiläum und an der Festschrift gegeben. Einigen, vor allem ehemaligen Schülern, fehlte eine kritische Aufarbeitung des DDR-Teiles der Schulgeschichte. Viele Schüler/-innen hätten in diesen Jahren unter politisch motivierter Repression durch Schulleitung und Lehrer/-innen sowie Mitschüler/-innen leiden müssen. Die Kontroverse fand denn auch ihren Widerhall in der örtlichen Presse.
Bernd Peter nahm den Faden der Kontroverse auf und will ihn im Rahmen des BLK-Modellprogrammes weiterspinnen. Im kommenden Schuljahr wird es ein Seminar von Schüler/-innen zur Jenaer Schulgeschichte in Zusammenarbeit mit Student/-innen und Professor/-innen der Universität Jena geben. Damit entstehen neue Modelle des Unterrichts und eine reflektierende und fundierte Aufarbeitung Jenaer Schulgeschichte, die den kontroversen Erinnerungen und Erfahrungen von Lehrer/-innen und Schüler/-innen Rechnung tragen sollen. Bernd Peter sieht in dieser Art des Zurückschauens auf Geschichte die Basis für eine progressive Schulentwicklung, die die eigene Vergangenheit produktiv aufgreift. An der Gestaltung einer gemeinsamen Zukunft zu arbeiten und dabei gleichzeitig Vergangenheit zu verstehen, ist auch das Anliegen eines weiteren Projektes der Schule. Zusammen mit einer ungarischen Schule wird ein Leistungskurs Geschichte ab dem Schuljahr 2004 an einem Projekt mit dem Titel „Zeitgeschichte-Zeitfenster-Zeitzeugen“ arbeiten. Im Mittelpunkt der Arbeit der interkulturellen Schülergruppe werden die geschichtlich einschneidenden Jahre 1953, 1956 und 1989 stehen. Regelmäßige gegenseitige Treffen, Präsentationen und ein Abschlussforum mit Zeitzeugen sind in der Planung.
Auf diese Weise wollen die Schüler/-innen und Lehrer/-innen nicht nur neue Formen der Projektarbeit im Geschichtsunterricht erproben, sondern durch die Partnerschaft mit ihren Mitstreitern aus dem neuen EU-Mitgliedsland ihre Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit und ihre Fähigkeit zur Perspektivenübernahme schulen. Der Weg dahin über die gemeinsame Erarbeitung geschichtlicher Zusammenhänge scheint vielversprechend.So kann sowohl das innerschulische als auch das interkulturelle Zusammenleben nur demokratisch gestaltet werden, wenn Geschichte, die zwar allen gemeinsam ist, jedoch kontrovers erinnert wird, in einem gemeinsamen Prozess aufgearbeitet und reflektiert wird. Das Ergebnis dieser Arbeit ist gleichzeitig Ausgangspunkt für eine in lebendiger Kommunikation gestaltete Zukunft von Schulgemeinschaft und Schulpartnerschaften des Anger-Gymnasiums.
Schulbeschreibung:
Das staatliche Gymnasium am Anger befindet sich in einem städtischen, sozial gehobenen Umfeld. Die Schüler/-innen kommen aus unterschiedlichen Gemeinden.
An der Schule gibt es eine aktive Schülermitverwaltung und ein Nachmittagsangebot. Ebenso besteht eine enge Zusammenarbeit mit Fördervereinen und mit Schulen im Ausland.