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BLK-Programm - Demokratie lernen & leben: Praxisbeispiele

Materialien

Exkurs: Fotoevaluation

Praxisbeispiele

Zwei Beispiele aus der Praxis illustrieren, dass eine Fotoevaluation vielfältig und mit unterschiedlichen Zielrichtungen eingesetzt werden kann.

Beispiel 1: Gymnasium in Wien

  1. Bildung von Fünfergruppen – Kriterium „Gleichgesinnte bezüglich Stunden- und Pausengestaltung".
  2. Gemeinsames Suchen von etwa vier Orten, an denen sich die Gruppe wohl fühlt und vier Orten, an denen sie sich unwohl fühlt.
  3. Festlegen der Reihenfolge, in der die Orte fotografiert werden sollen, und wie die Orte inszeniert werden sollen, ob mit oder ohne Personen.
  4. Fotografieren in einer halben Stunde, wobei genau festgelegt wird, wer wann fotografiert und posiert. Es sollen nicht mehr als zehn Fotos pro Gruppe gemacht werden.
  5. Zeitgleiches Dokumentieren der gemachten Fotos zwecks Zuordnung der Fotos zu den Gruppen.
  6. Erstellen von Plakaten, auf denen die Fotos der positiv und negativ empfundenen Orte gegenübergestellt und kommentiert werden.
  7. Präsentation der Plakate und Diskussion über die Situation.
  8. Gemeinsames Auswerten der Fotoevaluation.

Sie beschreiben vor allem die Phase der Diskussion um die Gestaltung der Plakate und ihren Inhalt als besonders intensiv und spannend . Es werden nicht nur ästhetisch-gestalterische Fragen gestellt (Wie kann der Gegensatz zwischen den positiv und negativ belegten Orten bildnerisch umgesetzt werden?), sondern auch grundsätzliche Diskussionen geführt (Soll die ganze Gruppe einen Raum negativ beurteilen, wenn nur ein Gruppenmitglied ihn als negativ wahrnimmt?).

Ganz radikal wird diskutiert, ob nicht eigentlich die ganze Schule ein „Unwohlfühlort" ist (S. 74). So wird der Ausgang als einzig positiver Ort gewählt, „weil er die Freiheit hinter sich birgt". Der Kommentar zu dem Konferenzzimmer, „aus diesem Zimmer kommt der Stoff für eine langweilige Stunde", deutet darauf hin, daß es hier nicht nur um den Ort geht, sondern um eine bestimmte Form des Unterrichts (S. 73). Besonders deutlich wird die emotionale Involviertheit während der Präsentation der einzelnen Gruppen. Den ZuhörerInnen fällt es nicht leicht, geduldig zu bleiben, insbesondere wenn sie Orte ganz anders empfinden.

In der folgenden Diskussion gibt es viele Kontroversen: Gruppen ernten sowohl „begeisterte Zustimmung" wie „großen Widerspruch" (ebd.). Einige SchülerInnen stellen fest, daß sie sich insgesamt an der Schule wohl fühlen, und daß die Abneigung der anderen gegen die Schule nichts mit der Schule als Gebäude, sondern mit ganz anderen Ursachen zusammenhängt.

Die Klasse diskutiert anschließend genau diese Frage: Wie hängt (Nicht-) Wohlfühlorte mit schulischen, sozial/emotionalen und häuslichen Problemen zusammen? Deutlich wird in diesem Beispiel, daß die Lehrerin keine unbeteiligte Außenstehende, sondern unmittelbar beteiligt ist und so auch von den Schüler/-innen wahrgenommen wird. Die Schüler/-innen wollen die Plakate schließlich öffentlich machen und Verbesserungsstrategien für die Orte, die die meisten negativ empfinden, entwickeln. Die Evaluation ist in der Schule nicht unbemerkt geblieben – andere Klassen möchten ebenfalls eine Fotoevaluation durchführen.

Beispiel 2: Gesamtschule in Großalmerode

Eine Schule in Großalmerode hat ihre Fotoevaluation auch online dokumentiert:

http://www.vts-grossalmerode.de/profil/schulprogramm/fotoevaluation.htm

Hier wird die Evaluation, ganz anders als im vorigen Beispiel, von den Schüler/-innen in Eigenregie durchgeführt – jedoch nur von Schüler/-innen, die „an der aktiven Gestaltung ihrer Schule interessiert sind" und die die Fotoevaluation in ihrer Freizeit erarbeiten. Die Fotoevaluation wird von der Schüler/-innenvertretung organisiert und ist Teil des schulinternen Evaluationsprogramms. Fotoevaluation bildet nicht nur Aktuelles, sondern auch Entwicklungen ab und wird regelmäßig den zuständigen Gremien vorgestellt. Die Präsentation der Ergebnisse im Aufenthaltsraum der Schüler/-innen ist von vorneherein mit eingeplant, um weitere zur Teilnahme zu motivieren. Die (Zwischen-) Ergebnisse sind sowohl in Fotos von den gestalteten Plakaten als auch in einer zusammenfassenden Tabelle auf der Schulwebsite festgehalten.

Liest man die Kommentare und betrachtet man die Fotos der Orte auf den Plakaten, so wird schnell ein völlig anderer Ansatz der Fotoevaluation deutlich. Hier sind die Orte vorgegeben und uninszeniert, sachlich, ohne Personen fotografiert. Die Kommentare der Schüler sind mehr praktisch, auf die tatsächliche räumliche Situation bezogen, auf Dinge, die funktionieren oder eben nicht (gut einsetzbare Tafel, nur einen Internetanschluss). Hier scheint eher keine emotionale Verbundenheit zu herrschen, es gibt nur einige subjektive Kommentare zu „schön", oder „kreativ" gestalteten oder „langweilig wirkenden" Orten.

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