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BLK-Programm - Demokratie lernen & leben: Bedingungen von Zivilcourage

Materialien

Zivilcourage

Bedingungen von Zivilcourage

Was sind die Voraussetzungen dafür, dass eine Person Zivilcourage zeigt und was verhindert ein couragiertes Eingreifen? Eine erste Antwort bietet die psychologische Forschung zu prosozialem Verhalten (Bierhoff 2001) und hier insbesondere die klassischen und immer noch einflussreichen Arbeiten von Latané und Darley (1976). Sie benennen Faktoren, die dafür verantwortlich sind, dass Menschen in Notfallsituationen häufig nicht helfen - selbst dann nicht, wenn andere bedroht oder gar getötet werden. Damit es in einer kritischen Situation zur Hilfeleistung kommt, müssen nach Latané und Darley fünf "Hürden" genommen werden (siehe Abbildung 1):

Modell der Hilfeleistung in Notsituationen
  1. Das Ereignis muss zunächst bemerkt werden, was durch Ablenkung oder Zeitnot erschwert wird (Ein Beispiel: Ein Mann sitzt im Bus und hört vor lauter Lärm nicht, dass im hinteren Teil des Fahrzeugs eine Frau sexuell belästig wird).
  2. Das Ereignis muss als Notfall interpretiert werden (z. B. "Es handelt sich um sexuelle Belästigung und nicht um den privaten Streit eines Pärchens!"). Diese Einschätzung wird u. a. davon beeinflusst, wie andere Umstehende augenscheinlich die Situation beurteilen. Wenn alle fragend und unbeteiligt in die Runde blicken, stellt sich schnell die Meinung ein, dass nichts Schlimmes passiert sei (sog. pluralistische Ignoranz).
  3. Der Beobachter muss sich zuständig fühlen und darf die Verantwortung nicht auf die anderen Zeugen abschieben (z.B. "Ah, da ist ein anderer näher dran, der sieht kräftiger und kompetenter aus als ich, soll der doch was unternehmen!"). Das Abschieben der Verantwortung auf andere (sog. Verantwortlichkeitsdiffusion) ist die Ursache für einen vielfach empirisch belegten Befund: Die Hilfsbereitschaft Einzelner sinkt drastisch, wenn mehrere Personen einen Notfall beobachten!
  4. Der Beobachter muss über das notwendige Wissen verfügen, was konkret zu tun oder zu unterlassen ist (z. B.: Soll ich das Opfer ansprechen? Soll ich versuchen den Täter vom Opfer wegzuziehen? Soll ich die Polizei rufen?).
  5. Die Person muss sich entscheiden einzugreifen. Bei der Entscheidung für oder gegen ein Eingreifen, spielt die Angst vor den Folgen des Eingreifens eine große Rolle.

Mit einer kurzen Checkliste zur Selbsteinschätzung können Sie hier prüfen, welche Hürden Sie gut bewältigen und bei welchen Sie noch Schwierigkeiten haben.

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