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BLK-Programm - Demokratie lernen & leben: Polis als erweitertes SV-Modell – die Berliner Kurt-Tucholsky-Oberschule

Materialien

Schule als Polis

Polis als erweitertes SV-Modell – die Berliner Kurt-Tucholsky-Oberschule

Die an der Berliner Kurt-Tucholsky-Oberschule in Berlin-Pankow entwickelte Schuldemokratie besteht im Wesentlichen in der Neuorganisation und Erweiterung der Schüler/-innenvertretung durch die Einrichtung von assoziierten Arbeitsgemeinschaften, die sich stark operativ orientiert mit verschiedenen Angelegenheiten der Gesamtschüler/-innenvertretung (GSV) befassen, Vorschläge zur Beratung und Beschlussfassung erarbeiten, Veranstaltungen organisieren sowie in kooperativer Arbeitsteilung Projekte planen und realisieren. Insgesamt gibt es fünf solcher Arbeitsgemeinschaften: eine AG-Innen, eine AG-Außen, eine AG-Kultur, eine AG-Öffentliches und eine AG-Finanzen. Die Mitarbeit an diesen AGen steht dabei allen Schüler/-innen ohne gewählt werden zu müssen offen, so dass sich jede/r Schüler/-in an der Regelung der gemeinsamen Angelegenheiten aktiv beteiligen kann. In der Regel beträgt die Zahl der in diesen AGen sich engagierenden Schüler/-innen etwa 60, die gemeinsam mit den etwa 30 gewählten Klassensprecher/-innen die regelmäßig tagende Gesamtschüler/-innenvertretung (GSV) bilden.

Das Arbeitsfeld der AG-Innen beinhaltet Angelegenheiten der Unterrichts- und Erziehungsarbeit an der Schule sowie Fragen der Zusammenarbeit und des Zusammenlebens aller an der Schule Beteiligten. Hier werden u.a. Fragen der Schul- und Hausordnung diskutiert und bei Bedarf Änderungsinitiativen angeregt und geplant, werden gemeinsame Beratungen von Lehrer/-innen und Schüler/-innen zu Konflikten und Problemen des Zusammenlebens in und außerhalb des Unterrichts organisiert sowie Möglichkeiten zur Bearbeitung individueller Probleme einzelner Schüler/-innen bereit gestellt. Außerdem nehmen zwei Vertreter/-innen der AG-Innen jeweils beratend an den Fachkonferenzen und drei weitere an der Schulkonferenz teil, um die Interessen der Schüler/-innenschaft umfassend zu vertreten. Eines der Projekte der AG-Innen ist derzeit die Einrichtung eines sog. "Ordnungsdienstes" zur Streitschlichtung.

Die AG-Kultur befasst sich mit der Gestaltung des öffentlichen, kulturellen Lebens an der Schule, indem sie Kunst- und Kulturprojekte organisiert und sich an der Planung und Organisation von Schulfesten, Projektwochen und ähnlicher Veranstaltungen beteiligt. Dafür hält sie insbesondere auch Kontakt zu Kulturinstitutionen im Stadtbezirk. Außerdem kümmert sich die AG um Kulinarisches, indem sie während der großen Pause einen kleinen Imbiss (die "Klappstulle") mit Brötchen, Kuchen, Getränken usw. anbietet.

Die AG-Öffentliches ist gewissermaßen die öffentliche Medienanstalt an der Schule. Sie informiert die Schüler/-innen in Form von kleinen Informationsblättern regelmäßig über die Tätigkeit der GSV sowie der AGen und verfasst Berichte für und stellt Kontakte her zu kommunalen und regionalen Medien. Außerdem wird von ihr die Internetseite betreut und eine Schulzeitschrift herausgegeben. Daneben organisiert sie Werbung und Sponsoren für Schulveranstaltungen.

Die AG-Finanzen stellt die Hausbank der GSV dar. Sie verwaltet die Einnahme finanzieller Mittel der GSV durch Spenden (z.B. des Fördervereins), Sponsoring und Werbung und wacht über deren sparsame, zweckentsprechende Verwendung. Außerdem kümmert sich die AG um die Erschließung neuer Einnahmequellen sowie die Akquirierung von Geldmitteln für besondere Aufgaben. Einmal jährlich legt die AG der GSV einen ausführlichen Finanzbericht über Einnahmen und die Verwendung der Mittel vor. Ein obligatorisches Mitglied der AG ist eine/r der Vertreter/-innen der GSV in der Schulkonferenz.

Während in der AG-Innen auf die beschriebene Weise Schulinnenpolitik betrieben wird, ist die AG-Außen für die Schulaußenpolitik zuständig. Zusammen setzt sich diese AG im Kern aus den von der GSV gewählten Schülervertreter/-innen der Schule im Bezirksschüler/-innenausschuss. Inhalt der Arbeit der AG-Außen sind im Wesentlichen Angelegenheiten der Zusammenarbeit mit anderen Schulen sowie mit Jugendeinrichtungen und freien Trägern der Jugendhilfe im kommunalen Umfeld der Schule. Außerdem befasst sie sich mit bezirklichen und überregionalen schulpolitischen Fragen sowie solchen der Mitwirkung im Bezirksschüler/-innenausschuss. Eines der wichtigsten Projekte der AG-Außen ist derzeit die Gründung eines Schulclubs, der nicht nur Schüler/-innen der Schule, sondern auch Kindern und Jugendlichen im Bezirk offen stehen soll.

In der Kurt-Tucholsky-Oberschule zeigt sich ein Polismodell, das - zunächst noch auf Schülerbeteiligung konzentriert - einerseits repräsentative Mitbestimmungsstrukturen umfasst, gleichzeitig aber durch die an die Schülervertretung gekoppelte, projektorientierte Arbeitsweise in themen- und aufgabenspezifischen AGen für alle Schüler-/innen offene Beteiligungs- und Mitgestaltungsmöglichkeiten bietet. Darüber hinaus ist der Bereich des gestaltenden und politischen Handelns nicht auf die Schule beschränkt, da eine Ausrichtung auch auf das kommunale Umfeld der Schule in Form der AG-Außen integraler Bestandteil des Konzeptes ist. Vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Jugendforschung, nach welchen Jugendliche sich weitaus motivierter und engagierter zeigen, sich in projektähnlichen Strukturen zu engagieren als in den klassischen formalen Beteiligungsstrukturen, erscheint dieses Beispiel des Demokratie- und Politik-Lernens insofern vielversprechend, als das es die beiden Beteiligungsformen miteinander geschickt verknüpft.

Polis an der Berliner Kurt-Tucholsky-Schule
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