Service Learning
Theoretischer Hintergrund
Das pädagogische Konzept des Service Learning stammt aus Nordamerika und ist ein Teilbereich des dort traditionell gut entwickelten Feldes der so genannten "experiental education" (Lernen durch reflektierte Erfahrung).
Ausgehend von den Reformpädagogen des Progressivist Movement zu Beginn des 20. Jahrhunderts (John Dewey, William Kilpatrick u.a.) hat sich an nordamerikanischen Schulen im Laufe des 20. Jahrhunderts schrittweise eine Kultur der Kooperation zwischen Schule und Gemeinde entwickelt.
Die Verknüpfung von Service und Lernen in Projekten mit einem realen Nutzen für die Gemeinde liegt heute für viele Amerikaner im Herzen einer Civic Education, einer Erziehung zu Demokratie und bürgerschaftlichem Engagement. Die Grundidee ist dabei weniger die der sozialen Wohlfahrt als vielmehr einer Reziprozität in Dingen des Gemeinwohls, also der Idee, dass Bürger in einem freien Staat auf gegenseitige Übernahme von Verantwortung angewiesen und dass demokratische Rechte ohne entsprechende Pflichten nicht tragfähig sind.
Die Idee der "community" als Gemeinschaft derjenigen, die ihren unmittelbaren Lebensraum miteinander teilen und über das Medium der Sprache gemeinsam regeln und gestalten, ist ein angelsächsisches Konzept. Der Reformpädagoge John Dewey wies schon in „Demokratie und Erziehung" 1916 darauf hin, dass das englische "community" semantisch mit dem Wort „communication" zusammenhängt. Die "community" ist also die Gemeinschaft derjenigen, die miteinander sprechen. Nicht gleiche ethnische oder kulturelle Herkunft, auch nicht eine gemeinsame Geschichte oder ein Dialekt erzeugt nach dieser Auffassung Gemeinschaft, sondern vielmehr das Miteinander-Sprechen in der gemeinsamen Lebenswelt über die gemeinsame Lebenswelt. In einer von der Grundidee des Pragmatismus geprägten Kultur wie der nordamerikanischen ist das Miteinander-Sprechen die notwendige Vorstufe zum kollektiven Handeln.
Die Qualität einer Demokratie hängt demnach unmittelbar mit der Qualität der sozialen Beziehungen in ihr zusammen. Demokratie bedeutet also, Probleme im eigenen Umfeld mit anderen Bürgern gemeinsam lösen zu können. Für die Verfechter des Service Learning setzt ein freiheitlicher Lebensentwurf immer bereits – im Sinne von Deweys Konzeption einer "kreativen Demokratie" – die Kenntnis von sozialer Interdependenz voraus. Eine Reihe von Studien hat inzwischen nachgewiesen, dass Service Learning zu einem Abbau von Vorurteilen und zu einer positiveren Wahrnehmung zwischen sozialen oder ethnischen Gruppen führt, die ansonsten nicht zusammenarbeiten oder kommunizieren. Das gemeinsame Ziel und der gemeinsame Arbeitsprozess lässt aus Fremden Partner werden.
Da sich eine Demokratie nur dann lebensfähig und stabil entwickeln kann, wenn sie ihre normativen Vorgaben selbstbewusst vermittelt, gehört die Idee von „citizenship" als erlernter Kunst ("aquired art") laut Barber zum Demokratielernen.
Die Bedeutung von persönlicher Verantwortung im Rahmen der Mitgliedschaft in einer Gemeinschaft ist nach Ansicht von Vertretern des Ansatzes nicht als abstrakter Lehrstoff zu vermitteln, sondern bedarf des eigenen Handelns und der reflektierten Erfahrung. Service Learning fördert nicht nur das Verständnis sozialer Interdependenz, sondern trägt auch zur Schaffung gesellschaftlicher Vernetzung und damit zur Stabilisierung des sozialen Zusammenhalts und der Solidarität bei.