Demokratie lernen und leben in historischen Projekten
Oral History als Beitrag zur Entwicklung historischen Bewusstseins
Oral History als Methode angewand in der Projektarbeit hat primär die (Weiter-) Entwicklung des historischen Bewusstseins zum Ziel. Sie folgt also der Idee der Geschichtlichkeit des Menschen und seiner Fähigkeit, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft reflexiv zu einander in Beziehung zu setzen und aus Vergangenem zu lernen. Historisches Bewusstsein entsteht weniger aus bloßem Fakten-Lernen, vielmehr stößt auf Interesse, "[...] was zur Lebenswelt der Jugendlichen gehört" und eine "greifbare Vergangenheit" verkörpert , sei es in Form von symbolischen Objekten, sei es in Gestalt von Geschichten, wie sie Verwandte erzählen, die für eine bestimmte Zeit Augenzeugenschaft für sich reklamieren dürfen (KÖLBL, C./STRAUB, J. 2001). Von besonderem Interesse sind darüber hinaus auch historische Phänomene, die den Jugendlichen besonders fremd und deshalb besonders aufregend erscheinen, etwa die mittelalterliche Hexenverfolgung. "Das Nahe und das Ferne, das Eigene und das Fremde, Vertraute und Unverständliche können gleichermaßen psychologische Relevanz signalisieren" (ebd.).
Historisches Bewusstsein entwickelt sich insbesondere, wenn sich Menschen selbstbestimmt und aktiv mit den vorhandenen Dokumenten und Aussagen auseinandersetzen und eigene Fragen stellen. Über die Zeit totalitärer Gesellschafts- und Staatssysteme ist es jedoch kein "Garant" für zukünftiges "richtiges" Handeln. Anhand der Menschheitsgeschichte wird deutlich, dass Menschen nicht unbedingt sehr viel aus der Geschichte für ihr zukünftiges Handeln gelernt haben. Das Verständnis für die eigenen historischen, kulturellen, sozialen und religiösen Bindungen und Wurzeln sensibilisiert jedoch für die eigene Verantwortung und eröffnet neue Perspektiven und Bewertungsmöglichkeiten für die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft, also für die Entwicklung kritischer Urteilskraft und kritischen Bewusstseins.
Dieser spezifische Aspekt des "sozialen Lernens", die Vermittlung von historischem bzw. demokratischem Bewusstein, kann nur erfolgreich sein, wenn das Erlernte für die Kinder und Jugendlichen authentisch, erfahrbar und anwendbar ist. Projektförmig müssen folgende Fähigkeiten vermittelt werden:
- historische und aktuelle Ereignisse adäquat einzuordnen
- diese Ereignisse auf die eigene Lebenswelt und Biografie zu beziehen
- selbständig zu denken sowie
- eigene Positionen und Meinungen darzustellen
Die Schülerinnen und Schüler begeben sich also mit unterschiedlichen Methoden und Medien - etwa der Zeitzeugenbefragung, Archivarbeiten u.v.m. - auf eine Spurensuche insbesondere nach der jüngeren Geschichte ihrer Region und stellen ihre Ergebnisse auf vielfältige Weise dar. Sie stärken damit auch ihre Medien- und Methodenkompetenz für selbstständiges Lernen und Arbeiten.