Exkurs: Fotoevaluation
Der Blick von Schüler/-innen
Als besonders geeignetes Thema für eine Fotoevaluation wird die Frage der Zufriedenheit der Schüler/-innen mit ihrer Umgebung Schule, d.h. Schule als Identifikations- und Wohlfühlort, gewählt: „Wo an der Schule fühlt ihr euch wohl, wo unwohl?" Michael Schratz und Ulrike Steiner-Löffler beschreiben in „Im Dschungel der Gefühle" (1996) die anfängliche Überraschung, die Schüler/-innen verschiedener Altersstufen äußern, als sie nach ihrem Befinden in der Schule gefragt werden.
Mit der Fotoevaluation rückt die Lebenswelt der Schule in den Mittelpunkt – der Lernzyklus von Frage und Antwort zwischen Lehrer/-in und Schüler/-in, in dem meist nur eine Antwort richtig und der Lehrerin/dem Lehrer schon bekannt ist, wird durchbrochen. Es entsteht eine Situation, in der niemand die Antwort weiß – und auch nicht die Konsequenzen kennt. Hier begeben sich Schüler/-innen auf die Suche, nicht nur nach Motiven, sondern nach ihren eigenen Gefühlen und ihrer Bewertung der Schulsituation. Dabei kann eine Identifikation sowohl mit aber auch gegen die Umgebung entstehen (Schratz; Iby & Radnitzky 2000, S. 149). Man muss sich darauf einstellen, dass Schüler/-innen die Schule sehr emotional wahrnehmen und diskutieren. Von besonderer Bedeutung ist deshalb, dass die Teilnehmer/-innen während der Evaluation ernst genommen werden und die verantwortlichen Gremien für Veränderungsvorschläge offen sind.
Durch die Fragestellung werden die Schüler/-innen und ihr Blick in das Zentrum der Evaluation gestellt: Ihr Expert/-innentum wird wertgeschätzt, sie sind aktive Forscher/-innen. Die Methode lenkt im wahrsten Sinne des Wortes den Blick der Beteiligten auf die Schule als Ort und schafft Bewusstsein für die Schule als Raum, in denen man sich einen großen Teil des Tages aufhält, einen Raum, den man aktiv mitgestalten und in Besitz nehmen kann. Dabei geht es nicht nur um die äußeren Rahmenbedingungen wie den Bau bzw. die Architektur der Schule, sondern auch um die Organisation des Schulalltags oder wie bestimmte Räume emotional besetzt sind (Schratz & Steiner-Löffler 1996, S. 75). Schüler/-innen werden individuelle und wahrscheinlich unerwartete Orte und Situationen wählen.
Schüler/-innen, denen es schwerer fällt, sich verbal zu äußern, haben hier eine Chance, sich in anderer Weise auszudrücken und aktiv einzubringen. Wenn die Ergebnisse schließlich durch öffentliche Präsentation dem weiteren Schulpublikum zugänglich werden, kann sich dieses ebenfalls damit auseinandersetzen und konkrete Maßnahmen zur Verbesserung des Schulalltags zu erarbeiten (ebd., S. 150). Richtig eingesetzt kann eine solche Evaluation weite Kreise ziehen.
Die Fotoevaluation als Methode ist altersübergreifend anwendbar und kann in verschiedenen Fächern als Unterrichtseinheit eingebettet werden.
Beispiel Kunstunterricht:
Wie kann ich eine Örtlichkeit so in Szene setzen, dass sie besonders positiv oder besonders negativ wirkt? Wie komponiere ich ein Bild? Wie kann ich Licht und Farben einsetzen bzw. zur Geltung bringen? Wie kann ich Fotografien (digital) bearbeiten?
Beispiel Deutsch- oder Fremdsprachenunterricht:
Wie präsentiere ich meine Fotos? Wie kann ich durch schriftliche Kommentierung besonders gut eine Diskussion in Gang setzen?
Die Fotoevaluation kann als Projekt einer ganzen Schule durchgeführt werden, bei der Klassen verschiedener Altersstufen mit einbezogen werden, um ein breites Spektrum von (Un-)Wohlfühlorten zu bekommen. Ein Lehrer oder eine Lehrerin kann aber auch mit einer Klasse alleine eine Evaluation durchführen. In beiden Fällen ist zu beachten, dass, wenn die Ergebnisse tatsächlich eine Änderung herbeiführen sollen, die Schulöffentlichkeit mit einzubeziehen ist (siehe dazu auch Rückmeldung III: Gemeinsam Schlussfolgerungen ziehen).