“Civic education” – was ist das?
Konzepte in England
In England hat gerade in den letzten Jahren „civic education" als schulische Aufgabe wieder an Bedeutung gewonnen. Seit 2002 ist „citizenship" (= Staatsbürgerschaft) verbindliches Kernfach im „National Curriculum". Während unter der Thatcher-Regierung in den 80er Jahren die Erziehung der Bürger/-innen eher als private Aufgabe der Familie angesehen wurde, nahm das Interesse an der „Bürger/-innenbildung" als Aufgabe der Schulen Ende der 80er Jahre wieder zu, als sich ein wachsendes Desinteresse von Jugendlichen an der Politik und politischen Fragen abzeichnete.
Dabei stritten sich Politiker/-innen und Wissenschaftler/-innen um die Frage, ob und inwieweit „civic education" eine öffentliche Angelenheit und damit eine staatliche Bildungsaufgabe sei und wie der Begriff des „citizenship" auszulegen sei (Sliwka 2005). Befürworter/-innen einer minimalen Auslegung sprachen sich für eine reine Wissensvermittlung historischen und politischen Fachwissens in einem lehrer/-innenzentrierten Unterricht aus. Verfechter/-innen einer maximalen Auslegung dagegen sahen neben dem Wissenserwerb die Vermittlung und Entwicklung von Fertigkeiten („skills"), Werten („values") und Einstellungen („attitudes") als wesentlichen Bestandteil einer „civic education" an. Fertigkeiten, Werte und Einstellungen können jedoch nicht allein durch einen wie auch immer gestalteten Frontalunterricht entwickelt werden. Es bedarf „komplexe[r] Lernarrangements […], in denen Schüler selbst handelnd tätig werden" (Sliwka 2005: 3 f.), z.B. in Form von Forschungsprojekten, Simulationen oder Service Learning Projekten.
Eine weitere Debatte zur „civic education" thematisierte in England die Frage, ob Schulen die Schüler/-innen „über", „durch" oder „für" ihre Rolle als Bürger/-innen ausbilden sollten. „Education about citizenship" deckt sich weitgehend mit der Auffassung, in den Schulen reine Wissensvermittlung zu betreiben. „Education through citizenship" stellt partizipative Lernansätze in den Vordergrund, in denen Schüler/-innen reale politische Erfahrungen sammeln und dabei lernen. „Education for citizenship" umfasst beide Richtungen und geht noch darüber hinaus. Aus dieser Richtung hervorgehende Lernansätze enthalten kognitive, affektive und praktische Dimensionen. Sie sollen Schüler/-innen Wissen, Fertigkeiten und Haltungen vermitteln, die sie befähigen, die Demokratie als aktive Bürger/-innen zu gestalten. Politisches Lernen und Demokratielernen soll sich nach dieser Auffassung durch unterschiedliche Fächer und die gesamte Bildungsbiographie von Schüler/-innen ziehen (Sliwka 2005). Es stellt also eine Querschnittsaufgabe der schulischen Bildung dar.