Entwicklung einer Projektkultur als Teil von Schul- und Unterrichtsentwicklung (Hessen)
Durchführung bzw. Ablauf (inkl. Verantwortlichkeiten)
Welche Schritte kennzeichnen die Durchführung?
Allgemeine Einstimmung: Der Weg zur Etablierung einer Projektkultur an der Willy-Brandt-Schule (WBS) beanspruchte knapp drei Jahre (von Juni 2003 bis April 2006) und vollzog sich in drei Etappen.
Von der Schülerbefragung zur Projektwoche „Schule unser Lebensraum“
Ausgangspunkt war die im Juni 2003 von der BLK-Steuergruppe initiierte Lehrer- und Schülerbefragung, die sich mit der Zufriedenheit der Beteiligten an der WBS beschäftigte. Diese Befragungen wurden von der BLK-Steuergruppe ausgewertet und auch dort ein Beschluss über das weitere Vorgehen gefasst. Nach Auswertung der Bedarfserhebung bei Lehrern und Schülern ergaben sich drei Themenschwerpunkte:
- Verbesserung des Klassenklimas
- Umgang mit der Schulordnung
- Organisation einer Projektwoche zum Motto „Schule unser Lebensraum“
Zu diesen von der BLK-Steuergruppe als primär zu berücksichtigenden Themen wurden wiederum Schüler und Lehrer befragt. Im Falle der Lehrerschaft wurde die Methode der Bepunktung eines Plakates an der Pinnwand im Lehrerzimmer gewählt. Die Schülerschaft wurde mit Fragebögen, die in einer SV-Versammlung an die Klassensprecher(innen) ausgegeben wurden, befragt. Die Ergebnisse dieser Befragung führten zu der Auswahl der Themen „Projektwoche“ als Schülerwunsch und „Klassenklima“ als Lehrerwunsch. Diese Ergebnisse wurden in einer Gesamtkonferenz den Lehrern und durch Aushängen den Schülern präsentiert.
Die BLK-Steuergruppe erhielt dann in einer Gesamtkonferenz den Auftrag, „für die angedachten Themen Projektwoche und Klassenklima ein Konzept zu entwickeln“. Im Anschluss daran wurden zwei Arbeitsgruppen zu den Themen „Klassenklima“ und „Projektwoche“ gebildet, die zugänglich für alle interessierter Schüler(innen) und Lehrer(innen) waren.
Die AG Projektarbeit wurde gebildet. Sie hatte neun Mitglieder und stieg in die Arbeit der Entwicklung und Organisation der Projektwoche ein. Von Anfang an legte sie ein besonderes Augenmerk auf Transparenz und einen guten Informationsfluss in der Schulgemeinde. In einer Dienstversammlung wurde das Lehrerkollegium über den Stand des Projektes informiert und zur Mitarbeit aufgefordert. In einer Schülervollversammlung wurden die Schüler informiert. Im Folgenden begann die inhaltliche Vorbereitung der Projektwoche. Die AG Projektarbeit legte eine Terminplanung vor: ein Aktionstag für Mai 04 wurde festgelegt, die Projektwoche für Oktober 04 terminiert.
Die AG Projektarbeit bemühte sich, aus den bei der Schülerbefragung festgestellten Vorschlägen zur Veränderung der Schule (räumliche Gestalt) Themen für die Projektwoche zu entwickeln, z.B. „Gestaltung der Pausenhalle“. Für die Themen wurden Projektleiter gesucht. Schüler und Lehrer wurden von der AG Projektarbeit aufgefordert, sich in die für die Projektwoche entwickelten Themenvorschläge einzuwählen.
Die BLK-Steuergruppe traf die Schulleitung, um organisatorische und thematische Fragen zu klären. Sie lud auch Lehrer(innen), die ein Projekt betreuen wollen, zu einem Info-Treffen ein. Im Anschluss daran unternahm die AG-Projektarbeit weitere Schritte zur Vorbereitung der Projektwoche. Sie kümmerte sich um die Auswertung der Themenzuordnung und lud zu einem weiteren Treffen ein, um Absprachen zu treffen und Wünsche der Projektverantwortlichen bezüglich Raumgestaltung und benötigten Equipment zu erfragen. Im Anschluss daran traf die AG Projektarbeit mit der Schulleitung, der Cafeteria und den Hausmeistern organisatorische Absprachen und überprüfte die Schülerlisten - allesamt letzte Vorbereitungsschritte für den Aktionstag, der am 19.5.2004 durchgeführt wurde.
Der Aktionstag sollte der Schulgemeinde (insbesondere den Schülern(innen)) die Gelegenheit geben, in Projektarbeit „hineinzuschnuppern“ und kennen zu lernen, was in der Projektwoche denkbar und möglich ist. Einzelne Projekte wurden geplant, andere Angebote hatten bereits Workshop-Charakter und ließen erahnen, wie die Projektarbeit im Oktober laufen könnte. Die AG Projektarbeit teilte die von ihr selbst hergestellten Dankeschönkarten an alle Beteiligten aus.
Die BLK-Steuergruppe bereitete eine Information über den Aktionstag für die Gesamtkonferenz vor. Darüber hinaus übernahm sie die Planung und Organisation einer Fortbildung zum Thema Projektdidaktik. Zu diesem konnte Wolfgang Steiner, Projektleiter „Demokratie lernen & leben“ in Hamburg und Experte für Projektdidaktik, gewonnen werden. 43 Lehrer(innen) der WBS nahmen Anfang September 2004 an einer Fortbildung zum Thema „Von der Projektidee zur Projektskizze - praxisorientierte Projektplanung im Vorfeld der Projektwoche“ teil (siehe Methodische Vorgehensweise bei der Fortbildung "Von der Projektidee zur Projektskizze" am 01.09.2004).
Die Teilnahme an dieser Nachmittagsveranstaltung war freiwillig, kam sehr gut an und ermöglichte es, konkrete Themen für die anstehende Projektwoche zu entwickeln. Die in der Fortbildung mit Wolfgang Steiner erarbeiteten Themen wurden im Kollegium veröffentlicht. Allen Lehrer(innen) bot sich daraufhin die Gelegenheit, sich zuzuordnen oder das Angebot mit anderen, weiteren Themen zu ergänzen. Die AG Projektarbeit sorgte dann wieder für den organisatorischen Rahmen. Sie bereitete die Einwahl der Schüler(innen) vor und kümmerte sich um die nötigen Finanzen, sowie Material und Räume.
In der Zeit vom 8. bis 14. Oktober. 2004 fand dann die Projektwoche „Schule unser Lebensraum“ statt. Insgesamt gab es 21 Projekte, an denen sich alle Vollzeitschüler beteiligen konnten. 58 Lehrkräfte waren in die Umsetzung der Projektwoche involviert. Wenn möglich betreuten sie zu zweit ein Projekt. Entsprechende Tandems hatten sich u. a. im Rahmen der Fortbildung „von der Projektidee zur Projektskizze“ ergeben. Die Angebote reichten von der „Gestaltung der Pausenhalle“ über „Massage, Rückenschulung“ und „internationale Küche“ bis hin zur Entwicklung eines „Pausenradios“, der Auseinandersetzung mit „Internationalität an der Willy-Brandt-Schule“ und „Wohin soll die Reise gehen? Die Planung einer Klassenfahrt“. Auch ein „Projektbüro“ gehörte zu den 21 Projektthemen. Im Projektbüro konnten die Schüler(innen) Einblick in Projektmanagement gewinnen. Von der Raumplanung bis zur Bereitstellung von Papier für die einzelnen Projekte - alle Fäden sollten hier zusammen laufen.
Von der Projektwoche zum projektorientierten Lernen
Evaluation der Projektwoche: Auswertung und Herstellen von
Transparenz
Die AG Projektarbeit übernahm die schulinterne Evaluation der Projektwoche. Hierzu erstellte sie einen Fragebogen (Fragebogen Projektwoche 2004). Zur Steigerung der Motivation wurden von der AG Projektarbeit bei der Verteilung der Fragebögen „Ausdauerlutscher“ verteilt. Von den 58 an der Projektwoche beteiligten Lehrkräften beantworteten 36 den Fragebogen. Dazu kamen die Bögen von 12 Lehrkräften, die sich zu den Fragen äußerten, jedoch nicht selbst an der Projektwoche teilgenommen hatten.
Insgesamt ergab sich im Rahmen der Evaluation ein positives Ergebnis
(Auswertung Fragebogen Projektwoche 2004). Von den an der Projektwoche beteiligten Lehrkräften gaben 65 % der Befragten die Note 2, 14 % bewerteten die Projektwoche sogar als „sehr gut“ und 21 % gaben ihr die Note 3. Auch die nicht beteiligten Lehrkräfte vergaben überwiegend die Note 2 (mit 46 %). Allerdings mochten hier 45 % der Befragten keine Bewertung vornehmen. Als positiv wurden die Motivation und die Organisation der Projektwoche erwähnt. Die überwiegende Mehrheit der an der Projektwoche beteiligten Lehrkräfte war der Meinung, dass Schüler in Projekten besser lernen. Die Ergebnisse der nicht an der Projektwoche beteiligten Befragten standen dem konträr entgegen; sie waren in der überwiegenden Mehrheit der Meinung, dass Schüler in Projekten nicht besser lernen.
Durch die Rückmeldungen insgesamt wurde aber auch deutlich, dass regelmäßig Projektwochen stattfinden sollten. Allerdings wünschten sich die befragten Lehrkräfte, dass diese nicht jährlich stattfinden, sondern alle zwei Jahre und dann begrenzt auf drei Projekttage. Darüber hinaus wurde ein weiterer Fortbildungsbedarf in Projektdidaktik angemeldet.
Schlüsse ziehen: Pädagogischer Workshop
Die BLK-Steuergruppe informierte zunächst die Schulleitung über die Ergebnisse der Evaluation der Projektwoche. Sie übernahm auch die Planung und Durchführung eines pädagogischen Workshops. In diesem wurden interessierten Kollegen die Ergebnisse der Befragung (über Powerpoint) vorgestellt und inhaltlich zum Thema „Projektdidaktik“ gearbeitet. Der pädagogische Workshop fand im April 2005 statt und hatte folgende Tagesordnung:
- Findung einer neuen AG Projektarbeit
- Planung neuer Projekte an der WBS
- Entwicklung von Wahlpflichtangeboten in der zweijährigen Berufsfachschule: zwei Stunden pro Woche
Auftrag für eine neue AG Projektgruppe: dreitägige Projekttage
Aus diesem Impuls heraus entstand eine neue AG Projektarbeit. Sie begann mit der Planung für das Schuljahr 2005/06. Entschieden wurde: dreitägige Projekte als Intensivphase in allen Abteilungen zu verschiedenen Zeiten zum Thema „Kassel - die Stadt in der wir Lernen und Leben“ ab Februar 2006 durchzuführen. Die neue Gruppe der AG Projektarbeit - mittlerweile interessierten sich 18 Kollegen für die Arbeit - stellte sich in der Gesamtkonferenz vor und bekam wiederum einen Auftrag zur Planung von Projekttagen. Im Anschluss waren folgende Arbeitsschritte nötig:
- 7 Sitzungen zur Vorbereitung der Projekttage im Februar 2006: u.a.
Projektbeschreibung vorbereitet, ausgeteilt, eingesammelt, ausgewertet; Evaluationsbogen vorbereitet etc. - Informationen zum Stand der Projektarbeit an Kolleg(innen) über Abteilungs- u. Gesamtkonferenzen (2 x)
- Informationen der Schüler(innen) über Kollegium
- Erstellung eines Formblatts: Projektbeschreibung
- Organisation von Finanzen/Abrechnung
- Organisation von Medien wie z. B. zusätzliche LapTops etc.
Die Projekttage zu: „Kassel, die Stadt in der wir lernen und leben“ fanden zeitlich entzerrt, in den jeweiligen Schulzweigen und auf drei Tage reduziert statt. Überwiegend wurden dafür Wochen im Februar genutzt. Nur die Klassen aus dem Berufsfeld Agrarwirtschaft stiegen erst im Mai in ihre Projektarbeit ein. Die Themen der Projekte hatten sich im Vergleich zur Projektwoche 2004 stark verändert. Sie waren inhaltlich intensiver. „Auch Behinderte leben in Kassel“ oder „Hilfe bei psychischen Problemen“ standen u.a. auf dem Programm. Auch Fragen von „Tod und Trauer“ nahmen sich die Schüler in Projekten an. Dazu gab es diverse Kassel-Rallyes: Kulinarisches, Museen und berühmte Persönlichkeiten sollten näher erkundet werden. Ein nachhaltiges Schulsanitätsdienst-Konzept entstand im Rahmen der Projekttage.
Es gab insgesamt 35 Projekte, die in den Bereichen Berufsfachschule,
Fachoberschule und im Bereich besondere Bildungsgänge durchgeführt wurden.
Evaluierung der Projekttage: Schüler und Lehrer werten z.T. unterschiedlich
Auch dieser zweite Durchlauf der Projektarbeit an der WBS wurde mit Hilfe eines von der AG Projektarbeit entwickelten Fragebogens evaluiert (s. Fragebogen Projektwoche 2006). Die Fragestellungen machen deutlich, dass die WBS den Weg zur Entwicklung einer Projektdidaktik an der Schule aufgenommen hatte. Wie kam das Thema zustande? Wie groß waren die Beteiligungschancen für Schüler? Wird das Thema auch außerhalb der Projekttage verfolgt? Findet Projektarbeit auch im „normalen“ Unterrichtsalltag Räume? In diese Richtung gingen die Fragen der AG Projektarbeit, die sich gleichermaßen an Schüler und Lehrer richteten.
Besonders interessant in diesem Zusammenhang sind die unterschiedlichen Bewertungen von Schüler- und Lehrerseite (Auswertung Befragung Projekttage 2006).
Während 70% der befragten Berufsfachschüler und der Fachoberschüler der Meinung waren, „die Lehrer haben das Thema vorgegeben“, sahen die Lehrer in dem entsprechenden Schulzweigen den Anteil der Schülerbeteiligung mit 40 % deutlich höher. Im Bereich der besonderen Bildungsgänge gingen 70 % der befragten Lehrkräfte davon aus, dass sie die Themen gemeinsam mit Schülern erarbeitet hätten. Wiederum 50 % der hier befragten Schüler gaben an, die Lehrer hätten die Themen vorgegeben.
Auch bei Fragestellungen zur Weiterarbeit bzw. Integration des Projektunterrichts in den normalen Schulalltag differierten Lehrer- und Schülerwahrnehmung. Im Bereich der Berufsfachschule und Fachoberschule waren 70 % der Schüler der Meinung, es sei nur an den drei Projekttagen an dem Projekt gearbeitet worden.
Die Lehrer votierten hierzu nur mit 50 % und sahen einen entsprechend höheren Anteil an Arbeit am Projekt vor und nach den Projekttagen. Auch bei den besonderen Bildungsgängen unterschieden sich die Einschätzungen von Lehrern und Schülern. 70 % der Schüler gingen davon aus, nur an den drei Projekttagen an dem Projekt gearbeitet zu haben. Lehrer gaben an, zu 70 % nach und zu 30 % vor den Projekttagen an dem Projekt gearbeitet zu haben.
Im Rahmen der Evaluation wurde auch gefragt, ob eine Präsentation gewünscht ist. 17 der insgesamt 35 entstandenen Projektgruppen machten davon Gebrauch und zeigten im April 2006 Ergebnisse ihrer Arbeit. Die Beteiligung war freiwillig und zeitlich von der Arbeit an den Projekttagen abgekoppelt.
Einen weiteren Entwicklungszyklus zu Ende bringen - als Grundlage für neue Entwicklungsschritte
Ein zwischen den Wochen mit den Projekttagen und deren Präsentation liegendes Gesprächsforum (an diesem nehmen 10 Lehrkräfte teil; die Teilnahme war freiwillig) mit Wolfgang Steiner (im März 06) gab Kraft und einen neuen Motivationsschub. Der Experte im Bereich der Projektdidaktik zeigte sich beeindruckt von der Entwicklung an der WBS und fand vor allem Gefallen an der inhaltlichen Gestaltung der Projektthemen. Im Anschluss an die Projekttage kümmerte sich die AG Projektarbeit um:
- Informationen zum Stand der Projektarbeit an Kolleg(innen) über je eine Abteilungs- u. Gesamtkonferenz (Vorbereitung und Durchführung)
- Informationen der Schüler(innen) und Kolleg(innen) über Aushang
(Vorbereitung und Durchführung) - Freistellung und Betreuung der Schüler(innen) des „Projektbüros“ bei der Auswertung der Eva-Fragebögen sowie der Erstellung des Zeit- u. Raumplans für die Projektpräsentationen (4 Termine)
- Vorbereitung und Organisation der 17 Projektpräsentationen (2 Termine)
- Präsentation der ausgewerteten Evaluationsbögen
Entwicklung einer Projektkultur als fester Bestandteil des Schulprogramms
Im Anschluss an die gelungenen Projekttage wurde in der AG Projektarbeit ein möglicher Aktionsplan für das neue Schulprogramm der WBS besprochen.
Projektorientiertes Arbeiten soll ein fester Bestandteil der Arbeit an der WBS werden. Entsprechend wurde die Entwicklung einer Projektkultur an der WBS im Februar 2006 ins Schulprogramm aufgenommen (Auszug Schulprogramm zum Bereich "Entwicklung einer Projektkultur"). Im Mai 2006 traf sich die AG Projektarbeit und begann mit der Planung für das Schuljahr 2006/07. Folgende Vorhaben sind im Gespräch:
- die AG- Projektarbeit plant eine Fortbildung innerhalb der pädagogischen Tage zum Thema Projektdidaktik
- Projekttage sollen jährlich stattfinden
- Etablierung von Projekten im Wahlpflichtbereich
- Projekttage kombinieren mit Projektprüfungen.