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BLK-Programm - Demokratie lernen & leben: Zwischenbilanz

Materialien

Sozialtraining „Gewaltfreies Miteinander“ an einer beruflichen Schule (Hessen)

Zwischenbilanz

Welche Erfahrungen liegen bisher vor? Welche Folgen haben sich ergeben?

Die Erfahrungen aus den bisher durchgeführten vier Projekttagen sind überaus positiv. Dies ergab die Auswertung der Feedback-Bögen von zwei Klassen, ein Gespräch mit zwei Schülerinnen einer 11. Klasse Fachoberschule und ein Gespräch mit dem Schulleiter. Auch Schülerinnen und Schüler, die an diesen Projekttagen teilnahmen, haben sich anschließend nahezu einhellig zustimmend geäußert. Diese positive Beurteilung entspricht auch den Rückmeldungen, die die Projektleitung von Schülerinnen und Schülern und aus dem Kollegium bisher erhalten hat.

Erfahrungsbericht zweier Schülerinnen

Die beiden Schülerinnen, deren Projekttag zum Zeitpunkt des Gesprächs etwa drei Wochen zurücklag, äußerten sich in der Erinnerung sehr angetan. Beide hatten selbst noch keine Gewalthandlungen erlebt. Sie wussten aber aus ihren vorherigen Schulen, einer Integrierten Gesamtschule und einer Realschule, von Einzelfällen. Im Zusammenhang damit hatten sie auch die AG Jaguar kennen gelernt, die zur Aufarbeitung der Gewalttaten in die Schulen gekommen sei und mit ihnen über Gewalt gesprochen habe. Obgleich sie sich bei dieser Informationsveranstaltung nicht hätten vorstellen können, nun einen ganzen Tag „über Gewalt zu reden“, seien sie angenehm überrascht worden. Denn es sei ja weniger geredet als gemeinsam zum Thema gearbeitet worden. Alle hätten die Möglichkeit gehabt, miteinander etwas zu tun und sich selbst einzubringen. Der Tag sei ausgesprochen gut organisiert gewesen und sehr harmonisch verlaufen. Von Anfang an sei die Atmosphäre sehr entspannt und locker gewesen. Alle hätten ehrlich miteinander gesprochen und konstruktiv zusammengearbeitet. Besonders beeindruckt habe sie, dass ihre Mitschülerinnen und Mitschüler sehr offen über ihre Gewalterfahrungen gesprochen hätten, sowohl als Opfer als auch als Täter. Einen Unterschied zwischen Jungen und Mädchen habe es dabei nicht gegeben. Sie selbst hätten die Möglichkeit gehabt, Neues über sich und andere zu erfahren. So hätten sie z.B. neu erfahren, dass eine Mitschülerin in einer schwierigen Situation lebte. Sie hätten sich vorgenommen, in Zukunft achtsamer mit diesem Mädchen umzugehen. Sehr positiv sei auch, dass nach dem Projekttag niemand die neuen Erkenntnisse ausgenutzt habe. Sie hätten sich zur Verschwiegenheit verpflichtet und die würde auch eingehalten.
 
Der Projekttag habe auch Nachwirkungen im Schulalltag. Die Klasse habe einen „Vertrag“ erarbeitet und abgeschlossen, mit dem sich alle zu bestimmten sozial erwünschten Verhaltensweisen verpflichtet hätten. Wer sich jetzt im Unterricht fehl verhalte, würde hin und wieder schon mal an den Vertrag erinnert. Die befragten Schülerinnen bezeichneten es als wichtig, sich mit dem Thema „Gewalt“ auseinanderzusetzen und Opfern zu helfen.

Die Frage, ob Schülerinnen oder Schüler der SDS sich aktiv an Maßnahmen zur Gestaltung des Projekttages beteiligen würden, verneinten die beiden Befragten. Ihnen seien auch keine Aktivitäten der SV bekannt bzw. sie wüssten nicht, ob die SV am Projekt „Sozialtraining“ beteiligt sei. Ihre Klasse habe zwar eine Klassensprecherin, die auch an den SV-Sitzungen teilnehme, über das „Sozialtraining“ sei aber bisher nicht gesprochen worden.

Auswertung einer schriftlichen Befragung

Für die Auswertung standen 35 Feedbackbögen von 2 Klassen zur Verfügung.
Sie waren ausgefüllt von 20 Schülerinnen und 15 Schülern zwischen 17 und 21 Jahren, das Durchschnittsalter betrug 18 Jahre. Die Auswertung ergab keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern und für verschiedene Jahrgänge und - bis auf den Umgang mit dem „Klassenvertrag“ - zwischen den beiden Klassen.

Bei dem verwendeten Feedbackbogen handelt es sich um den in Kapitel 3 unter 6. Auswertung des Projekttages erwähnten Fragebogen zur Auswertung.

Zu beurteilen waren die einzelnen Übungen mit einer „Schulnotenskala“ von 1 – 6. Darüber hinaus wurden die Schülerinnen und Schüler um freie Kommentare zur Beurteilung der Veranstaltung gebeten.

Die Übungen wurden insgesamt positiv beurteilt. Die „Durchschnittsnote“ für jede Übung lag zwischen 1,4 und 2,7.

Die Übung „Klassenvertrag“ wurde in den beiden Klassen unterschiedlich behandelt. Eine der beiden Klassen legte sich während des Trainings nicht auf einen Vertrag fest, sondern beschloss, den Vertrag anschließend im Unterricht zu formulieren und zu unterschreiben. Die Übung „Vertrag“ wurde deshalb von 11 Schülerinnen und Schülern dieser Klasse nicht bewertet. Einzelne fügten als Kommentar hinzu: „Das braucht man doch nicht. Sich so zu verhalten ist doch selbstverständlich.“ Von einer Schülerin wurde der „Vertrag“ allerdings auch als besonders positiv und hilfreich für das Zusammenleben in der Klasse hervorgehoben. Ein Beispiel für einen Klassenvertrag ist unter Erstellung und Abschließen eines Klassenvertrages beigefügt.

Auf die Frage: „Was hat dir an dem Tag insgesamt besonders gefallen?“
wurden genannt:

Zur Frage: „Was hat dir heute gar nicht gefallen?“ gab es nur wenige Äußerungen. Genannt wurden auch hier:

Die meisten waren mit dem Tag rundum zufrieden. Einzelmeinungen zur Frage: "Wie hätte man den heutigen Tag noch besser gestalten können?“ waren:

34 der 35 befragten Schülerinnen und Schüler würden einen solchen Projekttag anderen Klassen weiterempfehlen.

Erfahrungen der Projektlehrkräfte

Die positive Wirkung des Trainings auf die Schülerinnen und Schüler wurde von den Lehrkräften, die die Seminare durchgeführt hatten, bestätigt. Die Schülerinnen und Schüler gingen offener mit einander um und zeigten insgesamt ein aufmerksameres Verhalten im Vergleich zu sonst Üblichem. Das Verhalten der Jugendlichen hatte ihnen noch einmal klar vor Augen geführt, wie wichtig es für ein gewaltfreies Zusammenleben ist, Schülerinnen und Schülern Zeit und einen geschützten Raum zu geben, eigene Vorstellungen von und Erfahrungen mit Gewalt zu reflektieren und zu artikulieren. Die Übungen machten z.B. deutlich, dass nur wenige der jungen Menschen überhaupt einen differenzierten Gewaltbegriff hatten. Sachbeschädigung z.B. war für viele keine „Gewalt“. Als „Gewalt“ wurden in erster Linie körperliche Übergriffe gewertet. Auffällig war auch das Gewaltverständnis junger Frauen mit Migrationshintergrund. Die durch die Eltern nicht weiter begründeten Einengungen– und manchmal selbst körperliche Gewalt in der Familie – wurden von ihnen nicht als Gewalt bezeichnet.

Gespräch mit dem Schulleiter

Die positive Einschätzung des Projekts wird auch vom Schulleiter geteilt. Der Projekttag „Sozialtraining“ habe positive Auswirkungen auf das Sozialverhalten der Schülerinnen und Schüler. Diese seien auch nachhaltig zu spüren. Lehrkräfte hätten z.B. berichtet, dass das Verhalten auf Klassenfahrten nach dem Sozialtraining positiv und harmonisch gewesen sei.

Wie im Gesamtprojekt der Schule sei von dem Motto „Mediation und Partizipation" auch in diesem Teilprojekt der Aspekt der Partizipation (im Sinne von: „Wie beteilige ich Schülerinnen und Schüler an der Lösung?“) bisher nur ansatzweise umgesetzt worden.

In berufsbildenden Schulen, in denen Schülerinnen und Schüler nur 1, 2 oder 3 Jahre und zum Teil nur in Teilzeit verweilen, ist die Partizipation von Schülerinnen und Schülern prinzipiell schwer zu verwirklichen. Der Schule ist es bisher trotz Bemühungen nicht gelungen, Schülerinnen und Schüler zu einer verantwortlichen Mitarbeit und Mitgestaltung zu motivieren. Obgleich es auch Kontakte zur SV durch den Verbindungslehrer gibt, der Mitglied der Projektsteuergruppe des Gesamtprojektes ist, konnte hierfür noch kein Erfolg versprechender Ansatz für eine Lösung gefunden werden.

Weiterführung nach Beendigung des BLK-Programms

Die Förderung sozialer Kompetenzen ist zwar Aufgabe jedes Unterrichts. Im Alltagsbetrieb des Fachunterrichts ist dafür aber (zu) wenig Zeit und Muße. Außerdem brauchen Lehrkräfte hierfür besondere Kompetenzen. Es ist deshalb geplant, die Projekttage „Sozialtraining“ weiterzuführen. Sie sollen fester Bestandteil der Sozialerziehung der SDS werden. Jede Klasse soll einmal an einem „Sozialtraining“ teilnehmen. Der Schulleiter will sich dafür einsetzen, im Einvernehmen mit der Gesamtkonferenz Möglichkeiten zu finden, die Kolleginnen und Kollegen, die das Projekt betreuen, in Zukunft aus dem Schuldeputat zu entlasten.

Aufnahme im Schulprogramm

Damit das Projekt „Sozialtraining“ stärkere Verbindlichkeit erhält, soll es in das Schulprogramm der SDS, dessen Überarbeitung und Weiterentwicklung nach den ersten Erprobungsjahren jetzt ansteht, aufgenommen werden.

Auch der – externe und innerschulische – Fortbildungsbedarf für die Durchführung des Projekts soll im Schulprogramm beschrieben werden.

Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern

Die angebotene Zusammenarbeit mit der AG Jaguar wurde von den Schülerinnen und Schülern bisher kaum nachgefragt. Den befragten Schülerinnen war deren Arbeit aus Informationsveranstaltungen aus den bisher besuchten allgemeinbildenden Schulen bekannt. Weiteren Informations- bzw. Kontaktbedarf hatten sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht. Sie würden sich aber bei aktuellen Gewaltereignissen an die AG Jaguar wenden. Ähnlich äußerte sich auch der Schulleiter. Innerhalb des Schulalltags sei Gewaltprävention durch pädagogische Maßnahmen polizeilicher Angebote vorzuziehen. Die AG Jaguar sei aber ein hilfreicher Partner beim Umgang mit Gewalttaten, da sie in akuten Fällen ansprechbar ist und Unterstützung leistet.

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