Selbstevaluation mittels Beobachtungen
(Kollegiale) Beobachtung des Unterrichts
Einen besonders interessanten und ergiebigen Anwendungsbereich von Beobachtungen stellt der Unterricht dar. Dabei können entweder die am Unterrichtsgeschehen Beteiligten selbst, also Lehrer/-innen sowie auch Schüler/-innen, als Beobachter/-innen auftreten, die ihr eigenes Verhalten oder das Verhalten der anderen beobachten. Oder es können im Sinne kooperativen Feedbacks wechselseitige Unterrichtsbeobachtungen unter Kolleg/-innen durchgeführt werden.
Im ersten Fall sollten die Beobachtungsaufgaben nicht zu schwierig und aufwändig sein. Um Beobachtungen als Beteiligter zu protokollieren, sollte man entweder einfache, quantitative Beobachtungsbögen verwenden, die während des Geschehens mit minimalem Aufwand ausgefüllt werden können. Oder es sollte bei qualitativen Beobachtungen zwischendurch oder am Ende jeweils etwas Zeit eingeräumt werden, in der man seine Beobachtungen notieren kann.
Umfassendere Erkenntnisse lassen sich durch kollegiale Unterrichtsbeobachtung mit anschließendem Feedback erzielen. Die kollegiale Unterrichtsbeobachtung stellt, wenn sie von den beteiligten Personen nicht als Gefahr, sondern als Chance gegenseitiger Unterstützung verstanden wird, eines der wichtigsten Instrumente für die professionelle Unterrichtsentwicklung dar. Sie ermöglicht es, sehr praxisnah und konkret vom Fachwissen und den Erfahrungen der Kolleginnen und Kollegen zu profitieren.
Grundvoraussetzungen für den tatsächlichen Erfolg und die positive Wirksamkeit sind dabei zunächst folgende Punkte (in Anlehnung an Schratz; Iby & Radnitzky 2000, S. 101):
- Sie muss der Bereitschaft der einzelnen Lehrer/-innen entspringen, darf also nicht aufgezwungen werden.
- Die gegenseitigen Besuche sind nicht im Sinne einer (dienstlichen) Beurteilung (einer Inspektion), sondern als gegenseitige Unterstützung zu verstehen.
- Die Besuche werden auf systematische Weise durchgeführt, also gemeinsam vor- und nachbereitet.
- Das kollegiale Feedback darf kritisch, muss aber stets freundlich und fair sein; es geht nicht um Konkurrenz, sondern um gemeinsame Kooperation.
- Die Kooperation setzt Vertrauen voraus, so dass gegenseitige Offenheit und Ehrlichkeit möglich sind.
Auf diesem Hintergrund empfiehlt es sich „klein anzufangen", also zu zweit oder zu dritt mit Kolleg/-innen, mit denen man sich bereits gut versteht, und sich über eine längere Zeit immer wieder wechselseitig zu besuchen. Aber es können auch bereits von Anfang an größere Gruppen gebildet werden, deren Mitglieder sich in einem abgesprochenen Rhythmus gegenseitig besuchen. In beiden Fällen sollte zuvor ein Treffen stattfinden, bei dem sich die Gruppenmitglieder über ihre Wünsche, Probleme und Bedenken offen miteinander verständigen, um gegenseitiges Vertrauen zu ermöglichen oder auch zu sichern. Im BLK-Programm Demokratie lernen und leben könnten beispielsweise die Schulen eines Sets solche gegenseitigen Besuche und Beobachtungen vornehmen.
Die konkrete Durchführung kollegialer Unterrichtsbeobachtungen folgt dann grundsätzlich den bereits beschriebenen Schritten:
- Gemeinsame Festlegung von Zielen oder Themen der jeweiligen Beobachtungen
- Gemeinsame Wahl oder Erarbeitung von Beobachtungsbögen
- Gemeinsame Auswertung und Besprechung der Ergebnisse „unter vier Augen"
- Präsentation und Besprechung gemeinsam ausgewählter Ergebnisse einzelner oder mehrerer Beobachtungen in der Beobachtergruppe und eventuell der jeweiligen Klasse sowie weiteren daran Interessierten (wie Eltern, Schulleitung, weiteren Lehrer/-innen etc.)
Bei allen diesen Schritten ist daran zu denken, dass die Beobachtungen nicht der gegenseitigen Kontrolle, sondern der gegenseitigen Unterstützung dienen. Das Feedback, um das es geht, sollte für alle Beteiligten förderlich sein. Achten Sie deshalb auf folgende (von Schratz; Iby & Radnitzky 2000, S. 104) formulierten und hier in Auswahl wiedergegebenen „Tipps für förderliches Feedback":
- Geben Sie Feedback nur in einer Atmosphäre, in der die Partnerin bzw. der Partner das Feedback annehmen kann! (Emotionale Belastungen sind nicht förderlich, um Rückmeldungen über Verhalten annehmen zu können.)
- Geben Sie dem Partner bzw. der Partnerin genügend Möglichkeiten, seine/ihre eigene Sichtweise einzubringen.
- Hören Sie Ihrem Partner bzw. Ihrer Partnerin aufmerksam zu, was er/sie Ihnen (noch) sagen möchte, und gehen Sie darauf ein. Fühlen Sie sich in seine/ihre Situation ein.
- Bleiben Sie offen und halten Sie Ihre Meinung nicht zur Schonung des Partners/der Partnerin zurück, betonen Sie aber die subjektive Deutung und den Hintergrund Ihrer Sichtweise.
- Konzentrieren Sie sich nicht nur auf Negatives, sondern argumentieren Sie auch Positives!
- Reden Sie nach dem Feedback mit dem Partner/der Partnerin über seine/ihre Empfindungen und bauen Sie durch gegenseitige Rückmeldungen gemeinsam an einer förderlichen Feedback-Kultur.