Biographisch prozessorientierte Spielfilmarbeit - Ein Medienprojekt gegen Rassismus und Gewalt (Hessen)
Kontext, Begründungen, Ziele
Warum und vor welchem Hintergrund ist der Baustein eingeführt worden?
Die Willy-Brandt-Schule (WBS) ist eine berufliche Schule des Landkreises Kassel, die in insgesamt vier Abteilungen gegliedert ist. Knapp 2000 Schüler(innen) besuchen die WBS. Das Einzugsgebiet differiert je nach Schulzweig. Absolventen der besonderen Bildungsgänge (BGJ, EIBE und KONEKT) haben in der Regel kurze Schulwege. In anderen Bereichen (z.B. im Bereich der Berufsschule Gesundheit) liegt der Wohnort der Schüler(innen) bis zu 80 Kilometer entfernt. (Weitere Informationen finden sich auch auf der Homepage der Schule: www.wbs-kassel.com).
Größe und Heterogenität der Schülerschaft setzen klassischen - überwiegend an weiterführenden Regelschulen entwickelten - Formen von Schülerpartizipation und sozialem Lernen (siehe entsprechende Konzepte in Faller, Kurt, Mediation in der praktischen Arbeit + Palentien/Hurrelmann (Hg.), Schülerdemokratie. Mitbestimmung in der Schule) strukturell Grenzen. Gleichzeitig nimmt das Kollegium seit etwa Ende der neunziger Jahre zunehmend Probleme mit Gewalt in der Schülerschaft wahr. Zu erleben ist eine aggressive Grundstimmung in manchen Klassen, verbunden mit einem rüden Umgangston, frustrierenden Lebensbedingungen und fehlenden Zukunftsperspektiven, die innerhalb der Gruppen zu - oft verbaler - Gewalt führen kann. Das Lehrerkollegium versucht auf diese Entwicklung mit verschiedenen Initiativen zu reagieren. Kooperationen mit der Jugendkoordination der Polizei in Kassel und mit dem Präventionsrat entstehen. Über diesen Weg entwickelt sich auch der Kontakt zu dem Medienpädagogen Dr. Reinhard Nolle, der an den Fachbereichen Erziehungswissenschaft und Sozialwesen der Universität Kassel tätig ist. Die von ihm geleitete „MedienWerkstatt“ bietet die Möglichkeit, das Projekt „biographisch prozessorientierter Spielfilmarbeit“ in die Schule zu holen. Nolles Ansatz bietet die Chance über eine intensive, individuell jeden Teilnehmer emotional stark fordernde - und dabei gleichzeitig auch fördernde - Arbeit den Zusammenhalt und das Lernklima in der Gruppe/Klasse nachhaltig positiv zu verändern.
Für die erste Kooperation mit dem Medienprojekt der Universität Kassel bot sich der Berufsfachschulzweig der sozialpflegerischen und sozialpädagogischen Berufe an. Die Berufsfachschüler sind zwei Jahre als Vollzeitschüler an der WBS. Jeder bringt eine Vielzahl von Erfahrungen aus seinem bisherigen Schülerleben mit. Gerade die negativen, unbearbeiteten Erlebnisse können auch Auswirkungen auf die Lernchancen in der Berufsfachschule haben. Aus diesem Grund legen die Lehrkräfte der Berufsfachschule Wert auf die Förderung des sozialen Lernklimas in den Berufsfachschulklassen. Klassenfindungstage, die in Kooperation mit der Schulsozialarbeit der WBS im ersten Halbjahr des ersten Berufsfachschuljahres durchgeführt werden, fördern das Kennen lernen und konstruktive Miteinander der Klasse. Diese Tage sind ein wichtiger Einstieg. Die Klassenlehrer(innen) der Berufsfachschulklassen wissen aber, wie wichtig es ist, „immer weiter am Thema Klassenklima dran zu bleiben“. Der von Nolle entwickelte medienpädagogische Ansatz hat sich dabei als ein gelungenes Konzept herauskristallisiert. Die „biographisch prozessorientierte Spielfilmarbeit“ bietet einen indirekten - von den Heranwachsenden offensichtlich gut zu akzeptierenden - Weg, sich der Erarbeitung eines konstruktiven Klassenklimas zu stellen. (Weitere Infos und Kontakt: Dr. Reinhard Nolle, Universität Kassel, FB 01 / 04 Erziehungswissenschaft und Sozialwesen, Interkulturelle Medienarbeit, Arnold Bodestraße 10, 340109 Kassel, Tel.: 0561 – 80 42 901, nolle@uni-kassel.de)
Mit der Arbeit mit diesem medienpädagogischen Ansatz verbinden die Initiator(innen) des Projektes folgende Ziele:
- Förderung der Schülerbeteiligung
- Förderung der Eigenverantwortung
- Schüler(innen) können sich emotional kennen lernen
- Kooperationsfähigkeit untereinander fördern
- Förderung der Kreativität
- Förderung der Empathiefähigkeit (Perspektivwechsel)
- Angebot zur Verhaltensreflektion schaffen
- Eigene Gewalterfahrungen transparent darstellen und Alternativen für ein verändertes Verhalten entwickeln
- Erweiterung der Handlungskompetenz
- Klassenklima verbessern
- Klassenverband stärken
- Arbeitsverhalten der Schüler(innen) verbessern
- Grundlagen schaffen, um unterrichten zu können