Das Stufenparlament als Vorläufer des Schülerparlaments (Rheinland-Pfalz)
Voraussetzungen für die Einführung bzw. Durchführung
Welche Bedingungen wurden vor der Einführung geschaffen?
Zum pädagogischen Konzept der Schule: Der SyLT-Ansatz (Systematisches Lernkompetenz-Training)
- An unserer Schule wurde 1992 ein lerntheoretischer Ansatz entwickelt, um einer veränderten Lebens- und Arbeitswelt gerecht zu werden. Der Ansatz basiert auf drei Teilkompetenzen (Kommunikation, Texterschließung sowie Sozialkompetenz und kooperatives Lernen („Teamfähigkeit“), die zusammen genommen Lernkompetenz ausmachen.
(s. Homepage: http://eks.bildung-rp.de) - Jede Teilkompetenz besteht ihrerseits aus Bausteinen. Die einzelnen Bausteine werden in kleineren Trainingsschritten eingeübt. So unterteilt sich die Kompetenz „Kommunikationsfähigkeit“ in 13 Bausteine – u.a. zuhören, eine Meinung vertreten, Redewendungen gebrauchen können, eine Mind-Map erstellen, präsentieren.
- Damit ein konsequentes und systematisches Erlernen von Lernkompetenz unterrichtlich praktiziert und durchgeführt werden kann, ist SyLT auch organisatorisch verankert. Deshalb steht „KT“ (Kompetenztraining) als eigenständiges Unterrichtsfach in der Orientierungsstufe (Klassenstufen 5 und 6) und in der Klassenstufe 10 auf unserem schulischen Gesamtstundenplan.
- Mit wöchentlich einer „KT-Stunde“ trainieren KT-Trainer/in oder Klassenlehrer/in diese Teilkompetenzen mit den Schülern.
- Hierfür werden die Klassenlehrer und interessierten Fachlehrer/innen zu Beginn des Schuljahres in schulinternen Fortbildungen „fit gemacht“.
- Die Teilkompetenzen mit ihren jeweiligen Bausteinen werden anschließend in allen Stufen und Fächern trainiert und angewandt, z. B. die Teilkompetenz Texterschließung beim Erschließen einer Quelle im Geschichtsunterricht.
- Die so erworbenen Kompetenzen führen zur Lernkompetenzen und dienen unseres Erachtens als Grundlage für zunehmend selbstbestimmtes und verantwortungsvolles Handeln. Sie erst ermöglichten es uns, weitere Ideen zu demokratischerem Handeln unserer Schüler zu verwirklichen.
Kooperationsstrukturen im Kollegium
- Die Planungsgruppe ist an unserer Schule eine Art Steuergruppe. Von ihr werden die Entwicklungs- und Weiterentwicklungsaufgaben der pädagogischen Konzeption sowie das Arbeitsprogramm (Schulprogramm) der Schule bearbeitet. Sie übernimmt Arbeits- und Koordinierungsaufgaben zu Schulentwicklungsaktivitäten.
- In jeder Jahrgangsstufe bilden die jeweiligen Klassenlehrer das Kernteam der Stufe. Der/die Kernteamsprecher/in ist Ansprechpartner/in für den Schulleiter wie für die Fachlehrer der Klassenstufe. Das Kernteam trifft sich regelmäßig einmal pro Woche. Es werden gemeinsame Unterrichtsinhalte, Aktivitäten und Rituale der gesamten Klassenstufe geplant und Probleme besprochen, die einzelne Schüler der Stufe betreffen. (s. www.toolbox-bildung.de: Teamstrukturen zur Unterrichtsentwicklung). Der Schulleiter nimmt an den Sitzungen der Kernteams teil.
- Diese Teamstruktur als gelebte demokratische Struktur des Kollegiums dient als Basis der Umsetzung unseres BLK-Vorhabens: Nicht nur einzelne Lehrer, sondern das gesamte Kernteam unterstützt das BLK-Projekt.
- Zwei Projektleiter sind an unserer Schule für das BLK-Projekt zuständig.
- Der Schulleiter unterstützt Projekt und Projektleitung. Er nimmt an den jährlichen Reflexionsrunden zwischen den Kernteams und der Projektleitung teil. Darüber hinaus findet ein regelmäßiger Informationsaustausch zwischen dem Schulleiter und der Projektleitung statt (ca. alle 4 bis 6 Wochen). teil. Er unterstützt die Entscheidungsfindung, indem er z. B. selbst konkrete Vorschläge einbringt. Er hilft den Schülern bei der Organisation der von ihnen geplanten Aktivitäten (z. B. bei Sportfesten), indem er für die benötigten Rahmenbedingungen sorgt.
- Es ist eine an unserer Schule durchaus übliche Strategie mit der Umsetzung einer innovativen pädagogischen Idee in „kleiner Runde“ zu beginnen. Das Vorhaben wird nicht zum Gegenstand einer Lehrerkonferenz gemacht, geht also zunächst nicht über den Kreis der direkt Beteiligten hinaus. Erst nachdem die direkt Betroffenen gewonnen worden sind, erste konkrete Erfahrungen vorliegen, sich der Ansatz als praktikabel und sinnvoll erwiesen hat, wird eine größere Öffentlichkeit einbezogen und das Vorhaben ausgeweitet.
Funktion und Aufgaben der Projektleitung für das BLK-Projekt
- Projektleiter für das BLK-Programm sind seit Dezember 2002, als die erste Anfrage des Ministeriums über eine mögliche Teilnahme der Schule am BLK-Programm kam, Rolf Kleeberger und der Verfasser des Praxisbausteins, Georg Martin Schilk. Beide hatten Interesse daran diese Aufgabe zu übernehmen.
- Sie sind für die gesamte Koordination des BLK-Projekts an der Schule verantwortlich.
- Nach außen sind sie Kontaktpartner für die Koordinatoren in Rheinland-Pfalz. Innerhalb der Schule stehen sie Kolleg/inn/en, dem Schulleiter sowie Schülern als Ansprechpartner für das BLK-Programm zur Verfügung.
- Sie nehmen an regionalen Fortbildungen des BLK-Programms teil (z. B. Demokratie in der Gemeinde) und organisieren die Weitergabe dieses Wissens in Konferenzen der Schule.
- Einer von beiden ist jeweils bei Sitzungen des Stufenparlaments zugegen.
Initiative und Strategie zur Einführung des Vorhabens
- Die beiden Projektleiter entwickelten im Frühjahr 2003 die Idee eines Schülerparlaments.
- Über eine Internetrecherche stießen sie auf in diesem Zusammenhang interessant erscheinende Schulen. Am Beispiel dieser Schulen orientierten sie sich bei der Erarbeitung eines ersten Konzepts, mit dem sie eine größere Schülerpartizipation auf den Weg bringen wollten.
- Nach Absprache mit dem Schulleiter brachten sie ihr Konzept im März 2003 in die Fachkonferenz Sozialkunde (FK) ein und erörtern es dort mit ihren Fachkollegen (Ideenübersicht Konzept). Beide sind selbst Mitglieder der FK. Vor allem stellten sie dort den Klassenrat vor. Sie umrissen, wie ein Klassenrat arbeiten kann und gaben einen Ausblick auf die Endstruktur, das Schülerparlament.
- Zwar gab es durchaus Bedenken einzelner FK-Mitglieder bezüglich des Klassenrats, dennoch wurde die Idee mit überwältigender Mehrheit aufgegriffen und somit „grünes Licht“ gegeben. Bedenken hatten Kollegen vor allem deshalb, weil sie befürchteten, dass für die Aktivitäten des Klassenrats zu viel ihrer Unterrichtszeit eingebüßt werden könnte.
- Es wurde verabredet, dass zunächst die für die Jahrgangsstufe 5 und 6 im neuen Schuljahr 2003/04 vorgesehenen Klassenleitungen „ins Boot geholt“ werden sollten.
- Im April 2003 wurden die Kernteams der Jahrgangsstufen 5 und 6 auf einer gemeinsamen Teamsitzungen informiert und um Mitwirkung gebeten. Das Konzept (Ideenübersicht Konzept) wurde dort vorgestellt. Zwar gab es, wie in der FK zunächst auch, Bedenken wegen des zeitlichen Aufwands innerhalb der Unterrichtszeit, doch erklärten sich die Kollegen zur Beteiligung bereit. Es gab eine Einigung auf zwei Zwischenstufen der Einführung von mehr Schülerpartizipation: 1. Klassenrat und 2. Stufenparlament. Das Schülerparlament hatte zunächst einmal die Funktion einer Vision.
- Um den beteiligten Kollegen die Arbeit zu erleichtern, haben wir ihnen eine Handreichung mit Tipps (Vorlage Einführung Klassenrat) und einen Leitfaden für die Hand der Schüler gegeben (Leitfaden Klassenrat).
Konzeptionelle Überlegungen und Definitionen
- Der Klassenrat ist eine demokratische Institution auf Klassenebene. Er wird als Fundament demokratischer Strukturen verstanden.
- Das Stufenparlament ist eine demokratische Institution auf Schulebene. Es arbeitet Klassenstufen übergreifend ab der Klassenstufe 6. Beim Aufbau des Stufenparlaments kommt in jedem Schuljahr die jeweils neue Klassenstufe 6 hinzu. Jede Klassenstufe, die neu in das Stufenparlament eintritt, hat also zuvor bereits Erfahrungen mit dem Klassenrat gesammelt. Während der Aufbauphase von 2003 bis 2007 – dies ist gleichzeitig die Laufzeit des BLK-Programms - sind folglich noch nicht alle Klassenstufen der Schule vertreten.
- Sobald dort alle Klassenstufen bis einschließlich Klasse 10 vertreten sein werden, kann diese demokratisch-partizipative Arbeit vom dann einzuberufenden Schülerparlament übernommen werden.
Die Schülervertretung (SV) ist das gesetzlich in Rheinland-Pfalz vorgesehene Mitbestimmungsgremium (s. Pkt. 2.8 Die Schülervertretung). - Perspektivisch wird es vermutulich lediglich zwei demokratische Institutionen an unserer Schule geben: Der Klassenrat und das Schülerparlament. Die SV wäre dann aufzulösen.
Einrichtung, Struktur und Arbeit des Klassenrats
- Beginnend mit dem Schuljahr 2003/04 wurde an unserer Schule in jeder 5. und jeder 6. Klasse jeweils ein Klassenrat eingerichtet. In den Folgejahren kam jeweils die neue 5. Klassenstufe hinzu, so dass bis zum Schuljahr 2007/08 in allen Klassenstufen bis zur 10. ein Klassenrat existieren wird.
- An den Sitzungen des Klassenrats nehmen jeweils alle Schüler einer Schulklasse teil.
- Er tagt regelmäßig (wöchentlich bzw. alle 14 Tage). Dies findet während der Unterrichtszeit im Rahmen des vom Klassenlehrer unterrichteten Fächerbudgets in der Klasse statt.
- Folgende Ämter sind durch eine Wahl zu besetzen: Vorsitzende/r, stellvertretende/r Vorsitzende/r, Protokollführer/in, Zeitnehmer/in.
- In den Klassenratsstunden werden verschiedene Probleme des Schulalltags erörtert, z.B. die Organisation von Ausflügen, die Gestaltung der Klassenräume, die Mitgestaltung von Unterrichtsinhalten oder die Klärung von zwischenmenschlichen Problemen.
- Die Klassenräte finden Lösungen und setzen diese eigenständig um.
- Im Klassenrat können die Schüler ihre Klassenangelegenheiten im kleinen (Klassen-) Rahmen untereinander regeln. Dabei üben sie bereits einige wichtige Grundsätze im Sinne unseres SyLT-Ansatzes. Aus den „KT-Stunden“ sind ihnen z. B. bekannt: das Begründen, das Zuhören, das Einhalten von Gesprächsritualen und -regeln, das Äußern von eigenen Meinungen, das Anwenden von Höflichkeitsformeln und Ähnliches (s. Pkt. 2.1 Zum pädagogischen Konzept der Schule; http://eks.bildung-rp.de).
- Ansprechpartner für den jeweiligen Vorsitzenden des Klassenrats einer Klasse sind die Kernteams, in der Regel der jeweilige Klassenleiter selbst.
- Die Rolle des Klassenlehrers beim Klassenrat verändert sich. Er wird zum „normalen“ Teilnehmer des Klassenrats, d.h. er hat sich ebenfalls an alle bestehenden Regeln zu halten. Natürlich kann er auch an Diskussion teilnehmen. In der ersten Phase der Einführung des Klassenrats kann er den Funktionsträger/inne/n noch Hilfestellung geben.
- Die Vorsitzenden des Klassenrats nehmen punktuell an den die Schüler unmittelbar betreffenden Sitzungen des Kernteams teil. Ab Schuljahr 2006/07 soll es eine regelmäßige Teilnahmemöglichkeit geben.
Die Einführung des Stufenparlaments in vier Schritten
- (1) Konferenz mit den Beteiligten: Die Projektleiter beriefen im Juli 2004 eine Konferenz zur Initiierung eines Stufenparlaments ein. Dort stellten sie ihre konzeptionellen Vorstellungen vor (Stufenparlament Aufbau; Ideenübersicht Konzept). Vertreten waren die jeweiligen Kernteams und die Schülervertreter/innen der Klassenräte der Jahrgangsstufen 5 und 6. Die Vorschläge zu Organisation, Inhalten, Aufgaben und Kompetenzen wurden diskutiert und abgewogen. Der Kreis der Beteiligten fasste einen zustimmenden Beschluss. Einen Tag danach wurde die Verbindungslehrerin der SV von der Projektleitung informiert. Ihrerseits hat sie die SV davon in Kenntnis gesetzt (s. Pkt. 2.8 Die Schülervertretung (SV)).
- (2) Einbindung der Klassenräte auf der Ebene der Schulklassen: Der jeweilige Klassenrat tagte im September 2004. Die Mitschüler wurden von ihrem Klassenratsvorsitzenden und den Klassenlehrern über das Vorhaben informiert. In der Klasse wurde die Einführung eines Stufenparlaments diskutiert und ein Meinungsbild erstellt. Im Ergebnis waren alle Klassen dafür.
- (3) Rückmeldung an die Projektleitung: Die Vorsitzenden der jeweiligen Klassenräte oder auch aus rein pragmatischen Gründen manchmal die Klassenlehrer informierten die Projektleiter über das Abstimmungsergebnis.
- (4) Abgeordnetenwahl: Die Projektleitung forderte im Oktober 2004 die Kernteams der Klassenstufen 6 und 7 auf, in ihren Klassen je 2 Abgeordnete wählen zu lassen, die die Klasse zusammen mit ihrem Klassensprecher im zukünftigen Stufenparlament vertreten sollten (Protokoll Einrichtung Stufenparlament). Der Termin für die erste, konstituierende Sitzung am 5. November 2004 wurde von der Projektleitung durch Aushang an den schwarzen Brettern für Schüler im Flur und für Kollegen im Lehrerzimmer bekannt gegeben.
Die Schülervertretung (SV)
- Die SV der Schule ist in Rheinland-Pfalz das gesetzlich vorgesehene Mitwirkungsgremium der Schüler einer Schule (s. Schulgesetz § 31 ff, http://www.uni-mainz.de/Schulen/LSV/schulg.htm)
- Die Klassensprecherversammlung wählt den/die Schülersprecher/in bzw. ein entsprechendes Team. Alternativ kann der Schülersprecher/das Team von der Schülervollversammlung gewählt werden. Bei uns wählt die Schülervollversammlung. Daher ist es so, dass oft nur die Klassen 9 und 10 im SV-Team sind - Schüler aus unteren Klassenstufen stellen sich nicht zur Wahl.
- Die Klassensprecherversammlung wählt einen „Verbindungslehrer“ als Ansprechpartner in allen Angelegenheiten der SV. Er hat auch die Aufgabe Beschlüsse der SV an die übrigen jeweils betroffenen Gremien weiterzugeben und die SV mit entsprechenden Informationen zu versorgen. Er ist außerdem eine Art Vertrauenslehrer, der ansprechbar bei Problemen der Schüler ist.
Weitere Gremien der Mitbestimmung und Mitwirkung
- Die Gesamtkonferenz ist die Konferenz aller Lehrer. Elternvertreter und Schülervertreter sind zugegen. Die Gesamtkonferenz gestaltet und koordiniert die Erziehungs- und Unterrichtsarbeit sowie Maßnahmen zur Schulentwicklung und Qualitätssicherung im Rahmen der gesamten Schule.
- Fachkonferenzen setzen sich zusammen aus allen Lehrern, die das entsprechende Fach unterrichten.
- Eltern und Schüler können in allen Gremien mitarbeiten.
- Weitere Informationen s. http://www.uni-mainz.de/Schulen/LSV/schulg.htm
Ressourcen
- Die Mitarbeit der Schüler in Klassenrat und Stufenparlament geschieht während der Unterrichtszeit. Teilweise bereiten sich die Schüler für Präsentationen oder Workshops zu Hause vor.
- Aus dem BLK-Programm steht je eine Lehrerwochenstunde (Ermäßigungsstunde) für die beiden Projektleiter zur Verfügung.
Es stehen Möglichkeiten zur Visualisierung zur Verfügung (Overheadprojektor, Tafel, Pinnwand). - Auf Antrag konnten aus dem BLK-Projekt 2 Pinnwände angeschafft werden. Weitere Sachmittel wurden nicht beansprucht.
- Fortbildungen für die Projektleiter, die gleichzeitig offen waren für weitere interessierte Kollegen der Schule, wurden über das BLK-Programm ermöglicht.