Eltern helfen Eltern - Erziehungskompetenzen aus dem Dornröschenschlaf wecken (Nordrhein-Westfalen)
Kontext, Begründungen, Ziele
Warum und vor welchem Hintergrund ist der Baustein eingeführt worden?
Die Entwicklung eines schulinternen, durch Eltern organisierten und von Eltern durchgeführten Erziehungsunterstützungsprogramms im Rahmen der Schulentwicklung und als fester Bestandteil des Schulprogramms basiert auf einer Reihe struktureller Bedingungen.
Grundlage ist eine Partizipationskultur der Schule, die Fundament aller schulischen Belange und Entscheidungen ist. Schule muss den Eltern die Fähigkeit zugestehen, dass sie
- sich für Schule interessieren,
- sich weiterentwickeln wollen,
- an Schule partizipieren wollen,
- sich kritisch hinterfragen,
- an der Schulentwicklung beteiligt werden wollen.
Unter diesen Voraussetzungen ist der ernsthafte partizipatorische Umgang mit Eltern in Schule möglich - bis hin zur Entwicklung eines Konzeptes, das die elterliche Erziehungskompetenz fördert, unterstützt und ein Stück weit auch entwickelt.
Geschichte der Schule
Die Gesamtschule Paderborn-Elsen ist eine Schule, die durch das besondere Engagement von Eltern für die Schulform Gesamtschule in der Kommune Paderborn entstanden ist. Die intensive Arbeit dieser Eltern und der damit verbundenen Gründung der Elterninitiative führte zur Überführung der Hauptschule des Stadtteiles Elsen in die Gesamtschule im Jahre 1990.
In Zeiten von Lehrermangel und auch politischer Ressentiments gegenüber dieser Schulform waren die Hartnäckigkeit, Sachkompetenz und das Durchhaltevermögen der Elterninitiative wichtige Voraussetzungen für den Start dieser Gesamtschule. Seit Bestehen der Schule erfreut sie sich einer hohen Akzeptanz seitens der Eltern in Stadt und Kreis Paderborn. Dies zeigt sich jährlich am hohen Anmeldeüberhang sowohl für den Jahrgang 5 als auch für den Jahrgang 11.
Die Tatsache, dass ohne Elternengagement diese Schule nicht bestehen würde, hat dazu geführt, dass Eltern im vollen Umfang der gesetzlichen Schulmitwirkung in die Schulentwicklung mit einbezogen sind. Sie agieren wie ein „Zweites Kollegium“, das ebenso Unterrichtsinhalte, -konzepte und -projekte, Lehrer- und Elternfortbildungen, Diagnose- und Fördermaßnahmen etc. diskutiert, zur Entscheidung bringt und umsetzt. Grundsatz der Schule ist es, dass ohne Ausnahme Eltern und Schüler/innen in Steuergruppen aktiv sind sowie an der Besetzung von Lehrerstellen im Rahmen der schulscharfen Stellenbesetzung als Vertreter der Schulkonferenz beteiligt sind.
Vor diesem Hintergrund ist es für die Schule selbstverständlich, dass das Konzept der Elternunterstützung und -beratung im Rahmen dieses Bausteins maßgeblich durch die Schulpflegschaft forciert und umgesetzt worden ist.
Anstoß und Wegbereiter
- Beobachtungen des Schulsozialarbeiters
Ein Schwerpunkt des Schulsozialarbeiters ist die Arbeit in den Elternhäusern vor Ort. In diesem Arbeitskontext zeigte sich bereits Ende 2003 sehr deutlich, dass fehlende erzieherische Kompetenzen zunehmend Auslöser familiärer Probleme sind. Die damit oftmals verbundene Verunsicherung und Hilflosigkeit der Erziehungsberechtigten erschwert die Problemlösung in vielen Bereichen der Familie. Da eine breite Unterstützung von Elternhäusern durch den Schulsozialarbeiter nicht leistbar ist, ergab sich die Frage nach einem zusätzlichen Unterstützungssystem, das in der Schule angeboten werden könnte. - Rückmeldungen der Beratungslehrer
Die Beratungslehrer/innen der Gesamtschule Paderborn-Elsen stellten fest, dass Eltern verstärkt um Hilfe bei Erziehungsproblemen baten. Die Hilfestellung im Rahmen der Beratungslehrertätigkeit ist oftmals sehr schwierig. Der Aufbau einer adäquaten, elterngerechten Unterstützungsmaßnahme ausgerichtet am Beratungs- und Gesprächsbedarf von Eltern wurde als notwendige und wünschenswerte Unterstützungsmaßnahme betrachtet. - Medienpräsenz des Themas
Im Jahr 2003 wurde durch die Erstausstrahlung der „Super Nanny“ und somit des Erziehungskonzeptes „Triple P“ erstmals auch über die Medien das Thema „elterliche Erziehungskompetenz“ in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gestellt. Es wurde deutlich, dass Eltern der Spagat zwischen stringenter Regelsetzung und gewaltfreier, raumlassender Erziehung in große Unsicherheit stürzen kann. In dieser Belastungssituation benötigen Eltern gezielte Unterstützung, die freiwillig, ihren Bedürfnissen angepasst und auf ihre Fähigkeiten aufbauend angelegt ist. - Arbeitsgruppe „Konzept der Erziehungsunterstützung“
Unter Beteiligung des Schulsozialarbeiters, der Beratungslehrer/innen, der Schulpflegschaftsvorsitzenden, der Sozialarbeiter/innen der Stadt Paderborn für den zuständigen Sozialraum und einem Mitarbeiter der Erziehungsberatungsstelle der Caritas wurden in Gesprächen drei Konzepte ausgewählt, die in die engere Wahl für eine entsprechende schulinterne Unterstützungskultur kamen:
- Triple P
- Familienkommunikation nach Gordon
- „Starke Eltern – Starke Kinder“Ò des Deutschen Kinderschutzbundes (DKSB).
In drei Sitzungen mit anschließender Diskussion stellten sich Vertreter der o.g. Konzepte vor. Übereinstimmend entschied sich die Arbeitsgruppe für das Konzept des DKSB, das ihrer Meinung nach die Grundsätze der elterlichen Unterstützung in Entwicklung und Manifestierung von Erziehungskompetenzen durch das zugrunde gelegte Konzept der „anleitenden Erziehung“ umsetzt.
Unterstützer und Begleiter
Aus der Arbeitsgruppe heraus hat sich ein Projekt entwickelt, das unter dem Motto „Gemeinsam sind wir stark!“ ein Netzwerk an Unterstützungsangeboten aufgebaut hat. Der Elternkurs „Starke Eltern – Starke Kinder“Ò des DKSB ist Kern des Projektes. Zu Beginn ist es wichtig, dass ein Partner mit ausgebildeten Kursleiter/innen die Elternkurse etabliert. Im konkreten Fall war dies die Familienbildungsstätte vor Ort, die als Kooperationspartner auch die Ausbildung von vier Müttern zu Kursleiter/innen ermöglichte, sodass diese im zweiten Durchlauf eigenständig nach dem Motto „Eltern helfen Eltern“ tätig werden konnten.
Für die schulinterne Akzeptanz ist es unerlässlich, dass die demokratischen Mitwirkungsgremien sich für die Durchführung eines solchen Projektes entscheiden. Begleitend muss das Projekt durch kompetente Partner aus dem Bereich Sozialarbeit, Beratung und Therapie unterstützt werden.
Zielsetzung
Zielsetzung des Projektes „Eltern helfen Eltern“ ist es, Eltern auf zwei Ebenen aktiv an Schule zu beteiligen:
- als Unterstützer und
- als Entwickler.
Über die bisherige intensive Elternarbeit in Gremien, Steuergruppen etc. hinaus soll durch die gezielte Weiterbildung der Eltern im Bereich der erzieherischen Verantwortung die soziale Kompetenz als Baustein der Schulentwicklung von den Eltern unterstützt, begleitet und weiter entwickelt werden.
Als Unterstützer bieten sie - u.a. als Kursleiter/innen „Starke Eltern – Starke Kinder“Ò - die Möglichkeit, die sozialen Kompetenzen von Eltern zu stärken und zugleich die sozialen Kompetenzentwicklungen der Kinder zu fördern. Beides hat unmittelbare Auswirkungen auf das Schulklima: Konflikte in den Klassen bekommen eine andere Qualität und tauchen ggf. seltener auf; die Konfliktfähigkeit der Eltern, sowohl im Bezug auf ihre Kinder als auch auf entsprechende Situationen in der Schule selbst, wird verbessert. Die Gespräche Lehrer/Eltern im Rahmen der Sprechtage, in konkreten Konfliktsituationen aber auch bei der Vorbereitung und Durchführung von Projekten und Veranstaltungen in den Klassen finden auf der Basis erlernter Kompetenzen in einer Atmosphäre der gegenseitigen Wertschätzung statt. Das Ziel ist die Entwicklung hin zur Lösungs- und weg von der Problemorientierung in der gemeinsamen Arbeit von Schule und Elternhaus.
Als Entwickler sind sie diejenigen, die die Zielsetzung und Umsetzung des Projektes und die Umsetzung des Erziehungsauftrags der Schule mitgestalten. Ihre Bedürfnisse, ihre Möglichkeiten geben den Rahmen. Es ist ein wichtiger Punkt, Eltern zu verdeutlichen, dass sie auf diese Weise aktiv am Schulleben teilnehmen und es durch ihre Teilnahme auch entwickeln und verändern können. An dieser Stelle wird Demokratie und Partizipation in besonderer Weise gelebt und erfahrbar. Beispiel: Eine Steuergruppe, besetzt mit Lehrern / Schülern / Eltern, hat in der Gesamtschule Paderborn-Elsen gemeinsam einen Einschätzungsbogen zum Arbeits- und Sozialverhalten erarbeitet. In der Verständigung um Benennung und Formulierung gewünschten Verhaltens konnte ein Instrument entwickelt werden, dass das Gespräch Lehrer/Eltern sowie Lehrer/Schüler bezüglich des Schülerverhaltens auf eine breite gemeinsame Basis gestellt hat. Auf diesem Wege wurde gleichzeitig ein Wertekanon der Schule entwickelt. Durch das Projekt der Stärkung der erzieherischen Kompetenzen der Eltern fand sich ein Weg, wie die Umsetzung des o.g. Wertekanons auch im Elternhaus konstruktiv begleitet werden kann.