Prozessdarstellung zur Entstehung eines Friedenszimmers (Freistaat Sachsen)
Durchführung bzw. Ablauf (inkl. Verantwortlichkeiten)
Welche Schritte kennzeichnen die Durchführung?
Erste Absprachen
Seit 8 Jahren werden Elemente aus den reformpädagogischen Ansätzen Montessoris, Petersens und Freinets in unserer Evangelischen Montessori-Grundschule Limbach im didaktisch-methodischen Profil sowie in den Organisationsstrukturen der Grundschule umgesetzt. Unsere reformpädagogischen Elemente, auf die wir besonderen Wert legen, sind auch auf unserer Homepage (www.schule-vogtland.de) ausführlich dargestellt. Über unsere Schulhomepage wurde das Comenius-Institut im August 2003 auf uns aufmerksam. Daraufhin nahm die Netzwerkkoordinatorin, Irina Pistorius, erste Verbindungen zu unserer Schulleiterin, Ina Gabler, auf. Nach sehr ausführlichen telefonischen und schriftlichen Informationen und Absprachen kam es zu einem gemeinsamen Gespräch mit Irina Pistorius vor Ort, bei dem uns die Arbeit verdeutlicht und Kooperationsmöglichkeiten sichtbar gemacht wurden. Ausführlich wurden unserem Team die Ziele und die geplante Vorgehensweise zur Mitwirkung im Modellversuch SUD dargestellt und Arbeitsmöglichkeiten aufgezeigt.
Daraufhin beschlossen wir in einer Teamsitzung gemeinsam mit unserem Träger, dem Evangelischen Schulverein Vogtland e.V., unsere Erfahrungen in das Modellversuchsprojekt des Comenius-Institutes einzubringen und selbst auch Neues zu erfahren.
Unsere Grundschule beteiligt sich seit der Unterzeichnung des Kontraktes am 05. November 2003 zwischen dem Sächsischen Staatsministerium für Kultus, vertreten durch das Comenius-Institut, und unserer Grundschule offiziell am BLK-Modellversuchsprogramm.
Schwerpunkte unserer Arbeit waren dabei die Module „Unterricht“ und „Partizipation“, aus denen sich bereits kurze Zeit später die Ideen zum Friedenszimmer entwickelten. Ausgangspunkt war die qualitative Verbesserung des bisher existierenden „Runden Tisches“ und der damit verbundenen Kommunikationskultur.
Die Zukunftswerkstatt in Bezug zum Friedenszimmer und was sich daraus in unserer Schule entwickelte
Die Idee der Planung und Durchführung einer Zukunftswerkstatt gemeinsam mit unseren Außenpartnern ermöglichte das methodisch kreative Arbeiten in verschiedenen Einzelgruppen. Ein erstes gemeinsames Treffen fand am 20. September 2004 statt. Natürlich war der persönliche Bezug der Beteiligten zu unserer Einrichtung, zur Bedeutung der Friedenserziehung und zu der Gestaltung eines Friedenszimmers ein wesentlicher Schwerpunkt bei der Durchführung der Zukunftswerkstatt. Als offener Prozess wurde sie von den Teilnehmenden - also unseren Schülern - inhaltlich bestimmt und getragen. So war die Idee der Umsetzung eines Friedenszimmers geboren!
Die Entwicklung und Durchsetzung eines solchen Vorhabens wurde mit der Methode einer Zukunftswerkstatt realisiert. Hierfür sind verschiedene, räumlich und zeitlich voneinander getrennte Projekteinheiten notwendig:
- Kritik- und Beschwerdephase
- Phantasiephase
- Verwirklichungs- und Praxisphase
Die Phasen der praktischen Umsetzung an unserer Einrichtung
Kritik- und Beschwerdephase
Eine ausführliche Kritik- und Beschwerdephase am 29.November 2004, in welcher der momentane Ist-Zustand geklärt wurde, bildete den befreienden Einstieg, in welchem sich unsere Schülerinnen und Schüler von den sie bedrängenden und einengenden Fragen lösten. Sie erkannten, dass sie mit ihrer Kritik nicht allein stehen und gewannen eine ganzheitliche Sicht auf den Gegenstand der Zukunftswerkstatt. Alle Ein- und Beschränkungen der Realität wurden in der folgenden Phantasie- und Utopiephase außer Acht gelassen, so dass die Gruppe ihre idealen Visionen entwerfen konnte.
Phantasiephase
Kennzeichen dieser Phase waren ungebundenes Wünschen, Träumen, Phantasieren und „Spinnen“ dürfen. Gerade die bedingungslose Aufgabe aller realen Beschränkungen befördert oftmals undenkbare und sonst von vornherein ausgeschlossene Wege, Erfindungen und Sichten zu Tage. Durch die Beschränkung auf zwei Projekttage wurde die Phantasiephase am ersten Tag begonnen, so dass unsere Schülerinnen und Schüler mit einem prinzipiell positiven und lustvollen Abschluss die Schule in Richtung Freizeit verlassen konnten.
Am zweiten Tag, dem 30. November 2004, wurde in einem ersten Schritt die Arbeit des Vortages rekapituliert und anschließend die Phantasiephase beendet.
Verwirklichungs- und Praxisphase
Diese Phase war zeitlich in zwei Einheiten gegliedert. Im ersten Teil der Verwirklichungsphase wurden die inhaltlichen und konzeptionellen Möglichkeiten für die Umsetzung des Raumkonzeptes sowie die organisatorischen und zeitlichen Strukturen für die spätere Ausgestaltung des Friedensraumes festgelegt.
Die Planung der Verwirklichung holte die Schülerinnen und Schüler und ihre phantasievollen Ideen und Sichten zurück in die Realität. In der Verwirklichungs- und Praxisphase wurden die Wünsche konsequent zu Lösungs- und Handlungsansätzen umgearbeitet.
Die Kinder erarbeiteten in mehreren Gruppen mit Hilfe von Bananenkisten und verschiedenen Materialien wie Knete, Wolle, Filz und Pappen unterschiedliche phantasievolle, aber auch durchaus zweckmäßige Modelle ihres Friedenszimmers. Die Realität wurde so aus einem anderen Blickwinkel erfasst und Handlungsperspektiven für durchführbare Projekte abgeleitet.
Im Anschluss an die Werkstatt konnte eine ausführliche Auswertungs- und Feedbackrunde durchgeführt werden. Ein weiteres Ergebnis dieses Tages war der Bau eines Friedenstunnels (Friedenstunnel). Dieser ist nun im Eingangsbereich des Friedenszimmers zu finden.
Beginn der praktischen Umsetzung:
In der zweiten Einheit, welche sich einige Monate später, im Juni 2005, anschloss, wurden den Eltern die Methoden und Inhalte der Zukunftswerkstatt nahe gebracht, gemeinsame Dinge geschaffen und der Friedensraum mit allen bereits vorgestellten Ideen gestaltet.
Am Freitag, den 03.06.05, trafen sich viele Eltern und Kinder im großen Hortraum, um gespannt den Ausführungen von Sabine Kretzschmar und Ricardo Glaser zu folgen. Diese kamen als „DemokraTouren“ an unsere Schule und sind unsere Außenpartner im Modellversuch SUD des Comenius-Institutes. Sie moderierten diese Phase der Umsetzung. Um allen Erwachsenen und Kindern das Anliegen noch einmal näher zu bringen, sahen wir uns das im November des letzten Jahres gemeinsam mit den Kindern in der ersten Etappe erstellte Video und die Aufzeichnungen zur ersten Projektphase an.
Jetzt war es an der Zeit, die im November 2004 entwickelten Ideen und architektonischen Gestaltungen umzusetzen.
Ein Ziel der praktischen Gestaltung war die Anfertigung eines Friedensteppichs. Auf kleinen Quadraten kreierten Muttis, Vatis, Omas und Opas, aber auch Geschwister, viele tolle Ideen, mit denen sie ein Symbol für ihren persönlichen Frieden darstellten. Oma Knoll (Monika Wagner) - die Nähwunderoma eines unserer Drittklässlers - sorgte zwei Tage später noch für die Vollendung an der Nähmaschine. Sie nähte alle kleinen Kunstwerke zu einem großen Wandfries zusammen. Dieser ist stolze 4 Meter lang und 1 Meter hoch.
Eine ganz praktische Sache wurde von einigen Vatis an diesem Tag bereits begonnen: Unsere Waschmaschine, die die Schimpfwörter und schlechten Redensarten aber auch Wut „reinwaschen“ wird (Wutwegwaschmaschine).
Am Samstag, dem 04.06.05, waren dann die Malerarbeiten im Friedensraum, der Bau eines Kummerkastens (Kummerkasten) und die Gestaltung eines „Wunschrahmens“ (Wunschrahmen)für das Friedenszimmer an der Tagesordnung.
Auch der „Runde Tisch“ nahm Gestalt an. Entstanden aus einer alten Kabeltrommel, ist er nicht nur ein „Möbelstück“ besonderer Art, sondern dient friedlichen Gesprächen und bietet die Möglichkeit, Wünsche aufzuschreiben, die dann an der „Wunschwand“ mit Klammern befestigt werden (Wunschrahmen).
Außerdem wurden mit viel Zeitaufwand neue gemütliche Sitzmöglichkeiten genäht bzw. ausgebessert und die Friedensketten und die Friedensuhr angefertigt.
Für unsere Friedenslinde, die bei der Eröffnung als Symbol des Friedens und dem damit verbundenen Wachsen und Reifen erfasst werden sollte, formten die Kinder einen wunderschönen Übertopf aus Ton.
Unsere Präsentation der Ergebnisse mit wichtigen Gästen
Endlich war es soweit! Nachdem die „DemokraTouren“ Ricardo Glaser und Sabine Kretzschmar mit unserem Architektenteam das neue Zimmer entwarfen, fleißige Eltern und ihre Kinder beim Malen, Einrichten und Nähen halfen, konnten wir am 16.06.2005 unser Friedenszimmer einweihen.
Dazu hatten wir uns illustre Gäste eingeladen. So besuchte uns der Oberbürgermeister Dieter Kießling aus Reichenbach, der Bürgermeister Bernd Damisch aus Limbach und Silvia Kölbel von der Freien Presse. Auch unser Geschäftsführer vom Evangelischen Schulverein, Christoph Rabbeau, freute sich mit uns über die Einweihung. Zum symbolischen Band-Durchschneiden brachte der Oberbürgermeister Dieter Kießling den Kindern die Tradition, die mit dem Schneiden verbunden ist, nahe. So erhielt jedes Kind des Schülerrates zur Erinnerung einen Teil des Bandes.
Außerdem berichtete er uns von einer Urlaubsreise nach Israel und einer Schule, die auch ein Friedenszimmer eingerichtet hatte. Dieses Erlebnis hatte ihn damals sehr beeindruckt. In Limbach möchten wir in erster Linie Kinderstreit schlichten und eine Stätte der Begegnung schaffen. Auch sollen hier Elterngespräche stattfinden. Maximal 8 Personen dürfen mit einer Friedenskette um den Hals das Zimmer betreten.
Dort können sie vielleicht den „Wunschrahmen“ durch Inhalte füllen. Es warten dort viele Klammern auf Tauschangebote, Ideen, Wünsche und kleine Briefe.
Die Waschmaschine (Wutwegwaschmaschine) wäscht die Wut aus den Köpfen und der Kummerkasten nimmt den Kummer auf, bei dessen Beseitigung der Schülerrat oder die Pädagogen helfen können.
Im Herbst 2005 besuchte uns Oberlandeskirchenrat Harald Bretschneider.
Auch ihm erläuterten wir das Anliegen unseres Friedenzimmers und begeisterten ihn so von unserer Idee. Als ganz besonderes und inhaltsvertiefendes Geschenk überreichte er uns das Emblem „Schwerter zu Pflugscharen“, welches er maßgeblich mitgestaltet und konzipiert hatte.
Darüber waren wir besonders stolz, denn es gibt davon nur noch wenige Exemplare und er überreichte uns sein ganz persönliches Exemplar
(s. Markenzeichen für die Friedensdekade).