Sozialpraktikum in Eberswalde: Dialog zwischen Jung und Alt (Brandenburg)
Förderliche und hinderliche Bedingungen
Was war - rückblickend - förderlich und was hinderlich?
Förderliche Bedingungen:
„Ohne die Zusammenarbeit mit dem Jugendhilfeträger hätten wir das Sozialpraktikum nicht so auf die Beine stellen können. Das Sozialpraktikum hat uns eine völlig neue Sichtweise gebracht. Wir haben jetzt erlebt - und darüber sprechen wir in der Fachgruppe LER wie auch in den Jahrgangskonferenzen - wie dienlich es für die Schüler ist, sie loszulassen und an anderen Lernorten neue Erfahrungen machen zu lassen. Sie kamen gereift zurück und haben mehr gelernt, als wir bisher glaubten, im klassischen Unterricht ihnen vermitteln zu können. Diese Einsicht ermutigt die Schule auch, sich weiter zu öffnen und im nächsten Schuljahr viel mehr Formen des selbständigen Arbeitens und der Freiarbeit in den Unterricht aller Fächer einzuführen“, Gudrun Wischenkowa, LER-Lehrerin.
Förderliche Bedingungen
Als förderlich für das Projekt „Generationstreff“ erlebte die Goethe-Oberschule:
- die große Offenheit des Kollegiums. Im Austausch mit den Kolleg/-innen ist es möglich, auch spontane Ideen zu Projekten weiterzuentwickeln und sich gegenseitig für deren Umsetzung zu motivieren. Es gibt eine große Bereitschaft, von den Erfahrungen anderer Schulen und der Kolleg/-innen der eigenen Schule zu lernen. Diese Offenheit wird vor allem durch den demokratischen Führungsstil der Schulleitung und die von ihr angeregte Kommunikation auf den Konferenzen und im Schulalltag erzeugt. Deshalb ist der „Generationstreff“, auch wenn das Sozialpraktikum im Fach LER angesiedelt ist, ein Projekt der gesamten Schule und nicht nur des einen Fachs. Über den „Generationstreff“ wurde regelmäßig bei Lehrerkonferenzen gesprochen und bei Höhepunkten des Projektes war stets die Schulleitung vertreten.
- dass sie in der KJHB einen inspirierenden und verlässlichen Kooperationspartner gefunden hat. Die Schule hätte allein nicht die Kooperation mit den etwa zehn Betreuungseinrichtungen und Vereinen aufbauen können. Der Kooperationspartner, ein in der sozialen Arbeit erfahrener Träger, übernahm es auch die Senior/-innen zu betreuen, deren mit dem Projekt verbundenen großen Kommunikationsbedarf zu befriedigen und ihnen immer wertschätzend zu begegnen. Die Leistungen konnte die Goethe-Oberschule vergüten, weil sie über das Landesprogramm MOSES eigene Mittel zur Verfügung hatte.
- die große Offenheit der Eberswalder Senior/-innen, die bereit waren, die Schüler/-innen in ihrer privaten Umgebung zu empfangen, an ihrem Leben teilhaben zu lassen und sie teilweise auch mit ihren persönlichen Vorlieben - beispielsweise für bildende Kunst oder Poesie - vertraut machten.
Hinderliche Bedingungen:
Hinderlich und Stolpersteine des Sozialpraktikums waren:
Das Sozialpraktikum für eine ganze Klassenstufe mit 1,5 Wochenstunden während des laufenden Schuljahres durchzuführen, ist mit einem enormen organisatorischen Aufwand verbunden. Die Auswirkungen auf die Planung des Unterrichts in der 8. Klasse wurden im ersten Jahr unterschätzt. Es wurde nicht bedacht, dass für die Dauer des Praktikums der Unterricht in LER aus dem Plan gestrichen wird, ohne dass Freistunden für die Schüler/-innen entstehen. Diese Erfahrung wurde bei der Planung im zweiten Jahr berücksichtigt, indem der LER-Unterricht als Randstunden geplant wurde.
Im Zuge der Durchführung des Sozialpraktikums wurde weiterhin wahrgenommen, dass zeitlich eine intensivere Betreuung der Schüler/-innen während des Praktikums durch die Klassenlehrer/-innen hilfreich gewesen wäre, in der auch sehr kurzfristig auf Fragen und Probleme reagiert werden kann. Deshalb werden jetzt die Schüler/-innen bestimmten Teams und Einrichtungen zugeordnet, die ebenfalls durch die Klassenlehrer/-innen unterstützt und begleitet werden. Die Kolleg/-innen reagierten damit auf Einwände der Eltern, die teilweise Zweifel am Ansatz des sozialen Lernens mit älteren Menschen hatten, selbst aber auch unsicher und unerfahren im Umgang mit älteren Menschen waren.
Als verbesserungswürdig empfanden die Schüler/-innen daneben die Einbeziehung in die Vorbereitung und Ausgestaltung des Praktikums. Mehrere Schüler/-innen äußerten im Gespräch, dass sie es besser gefunden hätten, wenn sie sich die Fragen für die Gespräche mit den Senior/-innen hätten selbst ausdenken dürfen, statt sie von den Lehrer/-innen vorgegeben zu bekommen.
Als problematisch und schwer zu bewältigen schätzen rückwirkend die Lehrer/-innen, die verschiedenen Kooperationspartner, als auch die wenigen betroffenen Schüler/-innen es ein, dass im ersten Jahr ein Seniorenwohnheim mit dementen Menschen in das Sozialpraktikum einbezogen war. Körperlich und geistig waren die meisten der dort Betreuten nicht in der Lage, eine stabile und kontinuierliche Beziehung zu den Jugendlichen aufzubauen. Auch konnten vereinbarte Termine nicht eingehalten werden oder es wurden Gespräche abrupt abgebrochen. Das überforderte die Schüler/-innen und konnte auch im Rahmen des Unterrichts durch die Lehrkräfte nicht genügend vorbereitet werden. Im zweiten Praktikumsdurchlauf wurde deshalb auf eine Kooperation mit dieser Einrichtung im beiderseitigen Einverständnis verzichtet.
Hinderlich war es dazu, so die LER-Lehrer/-innen, dass das Sozialpraktikum bewertet werden musste. Sie fragten sich, wie man die von den Schüler(n)/-innen gemachten Erfahrungen zensieren könne. In Auseinandersetzung mit dieser Frage entschied sich die Fachkonferenz LER im zweiten Jahr, zwei Noten für das Sozialpraktikum zu vergeben: Eine für die inhaltliche Ausarbeitung der Praktikumsarbeit und eine für die formale Erarbeitung der Tagebücher.