We are strong together Schüler-Lehrer-Fortbildung zur Förderung partizipativer Schülerbeteiligung - ein Transferinstrument (Bremen)
Zwischenbilanz
Welche Erfahrungen liegen bisher vor? Welche Folgen haben sich ergeben?
Bausteine - Erfahrungen - Weiterentwicklungen der einzelnen Workshops
Die inhaltliche Entwicklung der drei Module war ein fortschreitender Prozess, der auf einer kontinuierlichen Auswertung der Module basiert. Wir haben in beiden Durchgängen (04/05 und 05/06) jedes der drei Module zusammen mit den Schüler/-innen und Lehrer/-innen evaluiert, zum Teil schriftlich (Fragebogen), zum Teil in einer abschließenden Feedbackrunde, zum Teil in Feedbackgespräch mit einzelnen Lehrer/-innen. Die Ergebnisse sowie die Beobachtungen und Einschätzungen, die die Teamer im Verlauf der Module getroffen haben, waren der Ausgangspunkt für die unten dargestellten Weiterentwicklungen der drei Module.
Modul Lehrerworkshop - Beteiligungsprojekte initiieren und begleiten
Der Workshop verfolgt drei zentrale Ziele:
- die Vermittlung des für die Initiierung und Begleitung von Beteiligungsprojekten notwendigen Hintergrund- und Handlungswissens
- die Thematisierung des Perspektiv- und Standortwechsels, der mit dem Beteiligungsansatz vorgenommen wird
- die Übersetzung dieser beiden Inhalte in handlungsleitende Fragen: Welche Rolle und Verantwortung haben Erwachsene in Beteiligungsprozessen - was bedeutet dies z.B. für die Aufgabe des/der Vertrauenslehrer/in? Was sind Voraussetzungen echter Beteiligung - wie können diese für die Arbeit mit den Schüler/-innen geschaffen werden? Wann und wobei müssen Kinder und Jugendliche in Beteiligungsprozessen unterstützt werden - wie muss mit Stolpersteinen umgegangen werden, damit die Beteiligung der Schüler/-innen gelingt?
Die zentralen Bausteine des Workshops sind:
- Die Lehrer/-innen rekonstruieren ihre biographischen Erfahrungen mit Beteiligung unter den Fragen: Welche positiven und negativen Erfahrungen haben ich mit Beteiligung insgesamt gemacht? - In welcher Situation habe ich einen Mangel an Beteiligung erlebt und wie habe ich darauf reagiert? - Wie ist mein heutiges Verständnis von Beteiligung und meiner Rolle in Beteiligungsprozessen?
- Input zu Voraussetzungen und Qualitätstandards von Beteiligung(sprozessen) (Input Lehrer-Workshop)
- In einem simulativem Rollenspielen erarbeiten die Teilnehmer/-innen Wissen über Partizipation, drei Bereiche werden beleuchtet: Was ist die Aufgabe und Verantwortung von Lehrer/-innen in einem Beteiligungsprojekt? Was sollten sie tun, was sollten sie unterlassen? - Welche Schwierigkeiten können im Verlauf des Prozesses auftreten? Wie können Lehrer/-innen intervenieren, damit die Schüler/-innen sie bewältigen können? - Wie verlaufen Entscheidungs- und Aushandlungsprozesse? Wie müssen Lehrer/-innen diese moderieren, so dass alle Beteiligten eingebunden sind?
- Gegenseitige Beratung in Kleingruppen zu den Fragen: Was tun bei auftretenden Schwierigkeiten, Blockaden und Widerständen im Beteiligungsprozess? - Was unterstützt den erfolgreichen Verlauf eines Beteiligungsprozesses, was erschwert ihn?
Erfahrung: Ein Input, der in die theoretischen Hintergründe von Beteiligung einführt, ist unerlässlich. Er kann die Lehrer/-innen aber nicht ausreichend ermutigen und motivieren, eine Perspektive auf die Jugendlichen einzunehmen, die deren Eigenverantwortung, Eigeninteresse und ihre Kompetenzen in den Blick nimmt und parallel die eigene Rolle als die eines Coachs zu definieren: als jemand, der nicht vorangeht, nichts vorgibt, sondern auf gleicher Höhe einen offenen Prozess begleitet - als jemand, der auf Schwierigkeiten hinweist, sie aber nicht selber aus dem Weg räumt - als jemand, der einerseits die Jugendlichen „machen läßt“ und sie andererseits bei Problemen und Verzögerungen auffangen und unterstützen muss.
Konsequenz: Rollen, Verhalten, Wahrnehmungen, Aufgaben und Interessen der in Beteiligungsprojekten gemeinsam Agierenden - hier Schüler/-innen, Lehrer/-innen, Hausmeister, Schulleitung, evtl. weitere Personen - werden in drei unterschiedlichen Szenarien - Rekonstruktion eigener Beteiligungserfahrungen, simulatives Rollenspiel, gegenseitige Beratung - erfahrbar gemacht. Der vielfache Perspektiv- und Rollenwechsel ermöglicht ein „Probehandeln“, mit dem die eigene Rolle, das Verhältnis zu den Schüler/-innen sowie Handlungsalternativen für die Arbeit im Beteiligungsprojekt entworfen werden können.
Erfahrung: Ein Austausch, der unmittelbar die bei der Beteiligung von Schüler/-innen bestehende Praxis und Probleme thematisiert, lädt dazu ein, sehr dicht an den Situationen in den einzelnen Schulen zu bleiben. Resignation, wie auch eingeschliffene Interpretationsmuster und Haltungen erschweren den Lehrer/-innen dann den Einstieg in eine analytische und verändernde Haltung.
Konsequenz: Den Fokus der Gruppenarbeit bilden handlungsleitende Fragen: Was soll sich verändern in der Beteiligung von Schüler/-innen? Was muss dafür getan werden? Was kommt auf mich zu als Begleiter eines Beteiligungsprozesses? Unter diesem Blickwinkel können in den o.g. Szenarien die Erfahrungs- und Wissensstände sichtbar werden, mit denen eine erfolgreiche Unterstützung und Begleitung von Beteiligungsprojekten entwickelt werden kann.
Erfahrung: Als nicht sinnvoll erwiesen hat sich, die Schüler-Zukunftswerkstatt an den Anfang der Fortbildungsreihe zu stellen. Denn haben sich die Lehrer/-innen noch nicht mit der Frage beschäftigt, wie sie die Schüler/-innen unterstützen müssen, kann es leicht passieren, dass diese, zurück von der Zukunftswerkstatt, in der Schule ohne Orientierung und Assistenz bleiben. Dadurch können Zeit- und Reibungsverluste entstehen, die die Frustration und das Risiko, mit ihrem Projekt zu scheitern, für die Schüler/-innen erhöhen.
Konsequenz: Seit dem zweiten Durchgang der Fortbildung steht das Modul Lehrerworkshop am Anfang der Fortbildungsreihe.
Modul Schülerzukunftswerkstatt - Ideen entwickeln und realisieren
Die Arbeit in der Schülerzukunftswerkstatt hat das Ziel, Mädchen und Jungen dahingehend fortzubilden, dass sie aktiv werden, eigene Interessen artikulieren, Schule mitgestalten und eigenständig Projekte durchführen. Die Schüler-Zukunftswerkstatt macht konsequent die Erfahrungen, Interessen, Bedürfnisse, Gefühle und Sorgen der Schüler/-innen zum Ausgangspunkt der Arbeit: Gemeinsam werden Interessen, Wünsche und Bedingungen für Beteiligung formuliert, diskutiert und in einem schulischen Beteiligungsprojekt konkretisiert.
In der gemeinsamen Arbeit werden Kenntnisse und Fähigkeiten erarbeitet, die Voraussetzung sind, die Projekte durchzuführen und so Schule mit zu gestalten, im wesentlichen die Fähigkeit zur Teamarbeit, Strategieentwicklung, Projektmanagement und Präsentationstechniken.
Zentrale Bausteine der Zukunftswerkstatt sind:
- Zu Beginn der Zukunftswerkstatt erfolgt eine intensive Kennlernphase, anschließend steigen die Schüler/-innen über eine „stille Diskussion“ ins Thema „Mitbestimmung und Mitgestaltung in der Schule“ ein. Die Ergebnisse der „stillen Diskussion“ werden im Plenum vorgestellt und diskutiert, somit entsteht eine allgemeine Situationsbeschreibung und -analyse der Gegebenheiten in den Schulen.
- Die Zukunftswerkstatt beginnt mit der Kritikphase: Schüler/-innen sind aufgefordert zu motzen, zu meckern, Kritik zu üben und Dampf abzulassen. Sie führen gemeinsam in schulübergreifenden Kleingruppen eine kritische Bestandaufnahme durch und erstellen eine „Klagemauer“, die im Plenum präsentiert und erläutert wird. Auf der Grundlage der „Klagemauer“ identifizieren die Schüler/-innen durch ein Ranking die für sie gravierendsten Misstände an Schule.
- In der anschließenden Phantasiephase werden die Schüler/-innen ermutigt, ungezügelt und unkonventionell zu denken, um neue Ideen zu entwickeln: im „Erfinderspiel“ müssen sie in schulübergreifenden Kleingruppen eine „ultimative Erfindung“ für ihre Schule entwickeln. Im Anschluss entwerfen sie, abweichend vom Bestehenden und Bekannten, die für sie perfekte Schule: Was und wie wird in ihrer Schule gelernt? Was brauchen sie zum Lernen? Wie sieht ihr Schulgebäude aus und wo steht es? Welche Ideen haben sie noch für ihre Schule? Die fertigen Schulmodelle werden per Werbeplakat, Talkshow, Rap und Werbespot im Plenum präsentiert.
- In der Realitätsphase werden die phantasievollen Ergebnisse in die Realität zu übertragen. Unter dem Motto „Ideen sind machbar“, legen die Schüler/-innen gemeinsam in einer „Hitliste der Veränderungen“ die für sie wichtigen Bereiche fest, die sie an der Schule verändern wollen und entwickeln dafür ein Projekt und eine Planung zu dessen Realisierung. Wichtig in der Phase ist, dass die Rückkehr zur Realität nicht zu Ernüchterung und Demotivierung führt, sondern klar ist, dass am Anfang einer neuen Wirklichkeit immer eine Idee steht und damit ein erster Schritt. Die Idee gilt es weiter zu entwickeln, in strategischen Schritten zu planen und schrittweise umzusetzen. Dazu entwerfen die Schüler/-innen in schulinternen Kleingruppen eine „Jetzt-Bald-Später-Matrix“ in der die einzelnen Schritte und Zeiten festgelegt, anzusprechende und involvierte Personen für das Projekt identifiziert werden. Die Matrix der einzelnen Gruppen wird im Plenum vorgestellt und mit den Anmerkungen oder Erfahrungen der anderen Schüler/-innen ergänzt.
- Am Ende des Seminars erfolgen ein Resümee zur Evaluation der Zukunftswerkstatt und ein gemeinsamer Ausblick darauf, was aus Sicht der Schüler/-innen für den gemeinsamen Workshop mit den Lehrer/-innen zu behandeln ist.
Erfahrung: Den Einstieg in die Arbeit mit den Schüler/-innen außerhalb der Schule, mit externen Moderatoren und anderen Arbeits- und Kommunikationsformen vorzunehmen, ermutigt und motiviert die Schüler/-innen ihre Schule mit ihren Ideen und ihrem Engagement zu verändern. Dennoch sind viele Schüler/-innen, zumal solche aus sozial benachteiligten Familien, nicht ad hoc in der Lage, ihre Wünsche und Phantasien zu formulieren - sie sind oft zu realistisch-resignativ. Mit den Schüler/-innen muss ein phantasievolles Visionieren erst eingeübt werden, um ihnen im zweiten Schritt zu ermöglichen, ihre eigenen Interessen und Wünsche wahrzunehmen und zu formulieren.
Konsequenz: Für die Phantasiephase muss genügend Zeit eingeplant werden, damit die Schüler/-innen phantastische Ideen entwickeln können, die nicht ihre Alltagsrealitäten widerspiegeln. Zusätzlich müssen Methoden und Übungen verwand werden, die Phantasie und Ideenfindung anregen. Den Schüler/-innen muss zudem folgende Botschaft übermittelt werden: „Keine falschen Hoffnungen, aber raus aus der Resignation, denn ihr wollt etwas anderes und ihr könnt etwas ändern! Ihr habt legitime Wünsche und Interessen - engagiert euch für die Umsetzung!“
Erfahrung: Die Schüler/-innen haben in der Regel wenig Erfahrung mit Aushandlungs- und Planungsprozessen in ihrer Schule. Sie neigen dazu, sich zu große Ziele vorzunehmen, ihre Realisierung in zu großen Schritten zu planen und die - evtl. sogar gegenläufigen - Interessen anderer Gruppen in der Schule nicht zu bedenken und zu adressieren.
Konsequenz: Damit die Schüler/-innen bei der Umsetzung ihrer Projekte nicht scheitern, wird bei der Projektentwicklung darauf geachtet, dass sie bewältigbare Projekte ansteuern. Die relevanten Rahmenbedingungen für diese Projekte - Zeit, Engagement, Organisation, Fürsprecher - müssen mit den Schüler/-innen erörtert und angemessen geplant werden. Hierzu gehört auch, deutlich zu machen, wie wichtig die Entwicklung von Argumenten ist, mit denen sie andere von ihren Projekten überzeugen und für diese gewinnen können sowie mit den Schüler/-innen Kommunikationstechniken zur Überzeugung unterschiedlicher Interessengruppen einzuüben.
Erfahrung: Zu große und von der Altersstruktur zu heterogene Gruppen verhindern, dass in den Arbeitsprozessen zwischen den Schüler/-innen der verschiedenen Schulen Vertrauen und Nähe entstehen kann, die für eine produktive Dynamik, den Austausch von Erfahrungen und gegenseitige Unterstützung notwendig sind.
Konsequenz: Im Vorfeld des Seminars wird die optimale Gruppengröße und Altersstruktur mit den beteiligten Schulen festgelegt, um einen produktiven und positiven Arbeitsprozess zu garantieren. Unter Beachtung des Alters, der Erfahrungshintergründe, der Lebensalltage und der Bildungshintergründe der Schüler/-innen werden die Methoden und Übungen, die während der Zukunftswerkstatt durchgeführt werden, auf die Gruppen abgestimmt.
Modul Schüler-Lehrer-Workshop - Kooperation in Beteiligungsprojekten
Das Ziel des Workshops ist, Schüler/-innen und Lehrer/-innen in die Lage zu versetzen, gemeinsam und auf gleicher Augenhöhe Beteiligungsprojekte für ihre Schule zu entwickeln und durchzuführen. Die zentralen Bausteine sind:
- Übungen zu Teamarbeit auf Augenhöhe in Schüler-/Lehrer-Teams; die Reflexion der Übungen wird abschließend in Kriterien für eine gleichberechtigte Teamarbeit übersetzt.
- Schüler/-innen und Lehrer/-innen erarbeiten getrennt in Kleingruppen ihre jeweiligen Interessen an Beteiligung und formulieren ihre Erwartungen und Wünsche aneinander (Schüler-Lehrer-Workshop).
- Gegenseitige Beratung getrennt in Schüler/-innen- und Lehrer/-innen-Teams: hier können von den Teilnehmer/-innen die aktuellen Schwierigkeiten in ihren jeweiligen Projekten aufgegriffen, durch gegenseitige Beratung identifiziert und mögliche Lösungswege erarbeitet werden.
- In Schulteams erarbeiten Schüler/-innen und Lehrer/-innen gemeinsam Planung und Strategien zur weiteren Umsetzung des Beteiligungsprojektes. Anschließend wird die Zusammenarbeit anhand der entwickelten Kriterien für eine gleichberechtigte Teamarbeit reflektiert.
Erfahrung: Für die Initiierung einer gleichberechtigten Zusammenarbeit zwischen Schüler/-innen und Lehrer/-innen ist wichtig, ihnen im Workshop die Gelegenheit zu bieten, ihre jeweiligen Interessen an schulischer Beteiligung und Erwartungen aneinander zu formulieren sowie ihre jeweiligen Rollen und Verantwortungen zu klären. Dies ermöglicht einerseits bisher fehlende und negative Erfahrungen sichtbar zu machen und diese andererseits, unter der Perspektive „wir sind hier um gemeinsam etwas zu erreichen“, konstruktiv zu wenden. Um dies anschließend in die tatsächliche Zusammenarbeit in den Schüler-Lehrer-Teams zu übertragen, muss zusätzlich die Gelegenheit bestehen, die formulierten Interessen und Erwartungen mit konkreten aktuellen Erfahrungen und zukünftigen Situationen in der gemeinsamen Arbeit in Beziehung zu setzen.
Konsequenz: Gegenseitige Beratung in Schüler/-innen- und Lehrer/-innen-Kleingruppen bietet bei Bedarf den Raum, sich mit der Unterstützung durch Schüler/-innen bzw. Lehrer/-innen anderer Schulen zusätzlich Klarheit und Sicherheit für die eigene Rolle, Aufgabe und den Umgang mit dem Gegenüber im Schulteam erarbeiten zu können, z.B. wie damit umzugehen ist, wenn die Unterstützung der Lehrer/-innen einmal ausbleibt oder die Schüler/-innen zwischendurch einen „Hänger“ haben.
Erfahrung: Obwohl die Entwicklung einer gleichberechtigten Zusammenarbeit von Schüler/-innen und Lehrer/-innen ein Schwerpunkt des Workshops ist, gelingt es beiden Seiten natürlich nicht sofort, das aus der Schule mitgebrachte, eingeschliffene Schüler-Lehrer- Verhältnis - der Lehrer als Steuernder, Entscheider und Beurteilender auf der einen, der Schüler als Abwartender, Reagierender und Abhängiger - zu verlassen. Gerade in schwierigen Momenten, wenn z.B. Ratlosigkeit bzgl. der Weiterarbeit besteht, Aushandlungen gemeistert werden müssen oder Konflikte ausbrechen, fallen Schüler/-innen wie Lehrer/-innen in dieses Rollenmuster zurück. Neben den Übungen zur Teamarbeit und der Formulierung von Kriterien für eine gleichberechtigte Zusammenarbeit, muss es daher Gelegenheiten geben, die im Workshop verwirklichte Zusammenarbeit zu thematisieren und zu reflektieren.
Konsequenz: Zum Abschluss des Workshops wird die Arbeit in den Lehrer-Schüler-Gruppen noch einmal auf ihren Verlauf, die eingenommen Rollen und Arbeitsweisen und auf die Frage, in wie weit dies beides den Erwartungen aneinander entsprochen hat, reflektiert.