Schüler/-innenvertretung
Perspektiven der Erweiterung von Schüler/-innenbeteiligung
Die oben angeführten Ansätze zur Stärkung von SV-Arbeit zielen in erster Linie darauf ab, Schülervertreter/-innen in die Lage zu versetzen, ihre Beteiligungsmöglichkeiten kompetenter und effektiver zu realisieren. Ohne die Leistung, die dies im Hinblick auf die Entwicklung einer demokratischeren Schule darstellt, schmälern zu wollen, bleibt nicht zu übersehen, dass auf diese Weise nur ein Teil von Schüler/-innen direkt erreicht und Schüler/-innenmitbestimmung im handlungsorientierten Sinne auf einen kleinen Kreis beschränkt bleibt. Aus diesem Grund machen sich immer mehr (Verbindungs-)Lehrer/-innen auf den Weg, parallel zu den angeführten Unterstützungsmaß-nahmen die Weiterentwicklung von SV-Arbeit im Sinne der Kombination und Verschränkung mit anderen Formen direkter Beteiligung voranzutreiben.
Eine Form, in der dies geschehen kann, besteht in einer expliziten Verbindung der SV mit dem Klassenrat. In den Klassenratsstunden erfahren die Schülervertreter/-innen auf direktem Wege, was für die Klassen und Schüler/-innen relevante Themen und Probleme sind. Dabei kann die Klasse den Klassenrat auch dazu nutzen, ihre Interessen, Anliegen und Vorschläge gezielt an die SV heranzutragen und einen Zeitraum dafür einrichten, mit ihren Vertreter/-innen im Austausch zu stehen und über den jewei-ligen Stand der SV-Aktivitäten informiert zu werden.
Eine weitere Variante einer Erweiterung der SV beschreibt die Etablierung aufgabenspezifischer Arbeitsgruppen, die an bestimmten, für sie relevanten und interes-santen Aufgaben dauerhaft arbeiten und dabei zwar von den gewählten Schülervertreter/-innen organisiert werden und über diese in die Gremienstruktur der SV eingebunden sind, die gleichzeitig aber alle Schüler/-innen – je nach ihren spezifi-schen Interessen – ansprechen und aktiv einbeziehen können. Ähnliche Modelle der SV-Arbeit wurden bspw. an der Kurt-Tucholsky-Oberschule in Berlin-Pankow und am Gymnasium Neuhaus in Thüringen entwickelt, zu denen sie weitere Beschreibungen in unserem Demokratiebaustein „Schule als Polis“ finden. Darüber hinaus sind Modelle vorstellbar, bei denen stärker projektorientiert arbeitende Arbeitskreise und -Initiativen lose an die SV-Strukturen angebunden sind. Das kann beispielsweise so aussehen, dass der Schüler/-innenrat oder ein Schüler/-innenparlament bestimmte Projektinitiativen in der Schüler/-innenschaft gezielt anregt oder in der Schüler/-innenschaft entstehende Initiativen aufgreift und im Hinblick auf Arbeitsgruppenbildung und die Planung und Realisierung von Projekten kooperativ unterstützt. Eine methodi-sche Form der Anregung von Schüler-/inneninitiativen durch die SV ist beispielsweise die Durchführung von Zukunftswerkstätten oder Beteiligungszirkeln zu bestimmten Themen – z.B. zu Fragen der Unterrichtsgestaltung, zum Umgang mit Konflikten, zum Leitbild der Schule, zu Regeln des Zusammenlebens an der Schule usw. (vgl. dazu ferner unseren Demokratiebaustein Zukunftswerkstatt). Durch solche Veranstal-tungen können unter Beteiligung von Schüler/-innen (und bei vielen Fragen auch unter Beteiligung von Lehrer/-innen und Eltern) konkrete Entwicklungsprozesse innerhalb der Schule initiiert oder bereits laufende Entwicklungen gestaltend beeinflusst werden.
An der Mittelschule Niederwiesa in Sachsen ist so bspw. im Rahmen einer durch den Schüler/-innenrat organisierten Zukunftswerkstatt das Projekt „Lernpatenschaften“ entstanden, bei dem es darum geht, Nachhilfe für Mitschüler/-innen durch Schüler/-innen selbst anzubieten (siehe Schwendel 2004).
Angesichts der Fülle von Möglichkeiten, unterschiedlich weit gefasste Formen von SV-Arbeit und Schüler/-innenbeteiligung zu stärken und des damit verbundenen Auf-wands, ergibt sich für viele Lehrer/-innen die Frage, inwiefern dies die Mühe überhaupt wert ist. Zweifels ohne muss einerseits eingestanden werden, dass die Unterstützung und Reformierung von SV-Arbeit im dargestellten Sinne für Pädagog/-innen, die diese vorantreiben, zunächst wie jede Innovation mit einem gewissen Mehraufwand verbunden ist. Gleichzeitig aber zahlt sich die Investition in eine umfassende Beteiligung und Mitgestaltung von Schüler/-innen auch aus: Wie viele Untersuchungen zeigen, verbessert sich durch die reale Beteiligung von Schüler-/innen an der Gestaltung des Schul-lebens und des Unterrichts das soziale Klima in der Schule ebenso wie die Zufriedenheit der Schüler/-innen und Lehrer/-innen. Und nicht nur das: Die Schüler/-innen sind motivierter, engagieren sich mehr, übernehmen Verantwortung und tragen durch ihre aktive Beteiligung an einer für sie interessanten und abwechslungsreichen Gestaltung des Unterrichts dazu bei, dessen Qualität zu verbessern. Auf diese Weise wird das gemeinsame Leben und Lernen in der Schule nicht nur demokratischer gestaltet, es verspricht auch für alle Beteiligten befriedigender und erfolgreicher zu sein.