Gute Reise! Schüler einer 7. Hauptschulklasse organisieren ihre Klassenfahrt selbst (Schleswig-Holstein)
Durchführung bzw. Ablauf (inkl. Verantwortlichkeiten)
Welche Schritte kennzeichnen die Durchführung?
Planung und Durchführung der Klassenfahrt
Der Unterricht wurde in folgende Phasen unterteilt:
- Phase Planung der Klassenfahrt
- Durchführung der Klassengfahrt mit täglicher Reflexion
- Phase: Reflexion und Nachbereitung des Vorhabens
(siehe Planungsübersicht)
Die Darstellung der Planungen
1. Stunde (s. 1. Stunde im Detail)
Thema: Vorstellen des Klassenfahrt-Konzepts / Was müssen wir für die Klassenfahrt bedenken und planen?
Tatsächliche Durchführung:
- Die erste Planungsstunde war insgesamt von großer Aufregung und Begeisterung gekennzeichnet. Die Schüler waren erfreut darüber, dass sie die Möglichkeit erhielten, ihre Klassenfahrt selber in die Hand nehmen zu können.
- Einige Schüler zeigten ein alterstypisches Verhalten und fragten, ob auch „Saufen“ oder „Party machen“ eingeplant werden können. Für diesen vorher bereits erwarteten Fall las der Lehrer die entsprechenden rechtlichen Bestimmungen des Jugendschutzgesetzes und des Schulgesetzes vor und konnte ihnen so vermitteln, dass gesetzliche Grundlagen sowohl für ihn als auch für sie bindend seien.
- Schüler erhielten einen anschaulichen Überblick über die zu planenden Dinge. Einzelne Aspekte wurden dabei gesondert herausgegriffen und mit der Klasse besprochen.
- Das Ziel für diese erste Stunde: Den Schülern einen Einblick über den Umfang und die Vielfalt einer Klassenfahrtplanung zu ermöglichen. Mit Hilfe der Übersicht an der Tafel konnte dieses Ziel erreicht werden.
2. bis 8. Stunde
In den folgenden sieben Unterrichtsstunden stand die Beschaffung von Informationen im Vordergrund (s. Planungsübersicht). Es war besonders wichtig, bei den Schülern zunächst grundlegende Methodenkompetenzen der Informationsbeschaffung anzubahnen, da diese eine elementare Voraussetzung für das anstehende eigenverantwortliche und selbstständige Planen bildeten.
Da die Klärung der An- und Abreise bzw. das Reisemittel bereits zu einem frühen Zeitpunkt feststehen und gebucht werden musste, erklärten sich einige freiwillige Schüler dazu bereit, diesen wichtigen Punkt zu organisieren.
Auftretende Schwierigkeiten und Lösungen
- Als erstes entschied sich die Klasse nach einer Abstimmung für den Bus als Reisemittel. Die Gruppe erklärte sich dazu bereit, bei einem lokalen Busunternehmen Informationen einzuholen.
- Doch auch nach mehreren Tagen konnten sie der Klasse noch keine Informationen präsentieren, da sie sich schlichtweg nicht darum gekümmert hatte.
- Im Rahmen einer Klassendiskussion wurde das Verhalten der Gruppe massiv kritisiert, weil die Klasse merkte, dass die „Nichterledigung“ dieser Planungsaufgabe im schlimmsten Fall das Scheitern der Klassenfahrt bedeuten würde.
- Lehrer schlägt vor, in die Planung helfend einzuschreiten.
- Bahn bietet via Internet keine Preise für Gruppentarife an. Öffentlicher Info-Schalter in Bordesholm ist abgebaut. Telefonische Preisauskunft der Bahn gestaltet sich für die Schüler schwierig
- Schüler gehen ins Reisebüro. Auskunft: Nur euer Lehrer kann sich Reise-Infos einholen.
- Die Gruppe befragt auf Empfehlung ihres Deutschlehrer hin den Lehrer und Amrum-Experten der Lindenschule Uwe Sutter. Er erklärt: Eine rechtzeitig gebuchte Bahnreise ist nur etwa halb so teuer wie eine Busreise.
- Nach zwei Wochen bat die Gruppe ihren Lehrer darum, die Reise bei der Bahn zu buchen, so dass die Klasse den entsprechenden Frühbuchertarif schließlich auch ausnutzen konnten.
9./10. Stunde (s. 9./10. Stunde im Detail)
Thema: Erstellen des ersten Programmplans / Bildung von Tagesteams
Nachdem die Schüler nun mehrere Stunden die Möglichkeit hatten, sich auf verschiedene Weise über die mögliche Aktivitäten auf der Insel zu informieren, war es nun an der Zeit, in die konkrete Programmplanung einzusteigen.
Tatsächliche Durchführung:
- In dieser Doppelstunde erhielten die Schüler erstmalig die Gelegenheit, die vom BLK-Programm als Lernziele ausgewiesenen grundlegenden demokratischen Verhaltensweisen auszuleben.
- Sie waren dazu aufgefordert, ihre eigenen Ideen vor der gesamten Klasse vorzustellen und gegen andere Ideen zu verteidigen. Sie mussten argumentieren und gegenargumentieren, verhandeln, zwischen unterschiedlichen Optionen wählen und konnten schließlich auch den Sinn von Abstimmungen begreifen.
- Während der Diskussionen fiel es deutlich auf, dass die Interessen älterer Schüler aufgrund ihres Entwicklungsstandes sich deutlich von denen jüngerer Schüler unterschieden. Dabei war es offensichtlich erkennbar, dass sich die Interessen einiger älterer Schüler gegenüber denen der jüngeren Schüler durchsetzen konnten, weil sie aufgrund ihrer Wortgewandtheit und ihres sozialen Statusses als Meinungsführer in der Klasse, die Mehrheit überzeugen konnten.
- Vier der fünf Gruppen konnten auch nicht näher erklären, wie sie sich den konkreten Ablauf von Aktivitäten wie „Grillen“ oder „Shoppen“ vorstellten. Der Lehrer machte ihnen die Schwierigkeit deutlich, mit diesen Plänen einen Tagesablauf umzusetzen.
- Ein erster Gesamtüberblick über den Programmplan zeigt, dass die Schüler -auch aus den genannten Gründen- in dieser Phase der Planung lediglich Aktivitäten für die Klassenfahrt wählten, die einen reinen Urlaubscharakter besaßen. Keiner der Gruppen war es gelungen, einen Tagesplan zu entwerfen, nachdem ein Tag wirklich ablaufen konnte. Da Klassenfahrten mit dem Charakter eines reinen Erholungsurlaubs nicht zulässig sind musste der Lehrer somit in der Folgestunde eingreifen und den Schülern die schulrechtliche Bedeutung von Klassenfahrten vermitteln.
11. Stunde (s. 11. Stunde im Detail)
Thema: Ziele von Klassenfahrten
Tatsächliche Durchführung:
- Der Lehrer muss den Schülern vermitteln, dass ihr erster selbständig aufgestellter Programmpunkt in dieser Form nicht umsetzbar ist
- Der Lehrer freut sich, weil auch die „Amrum-Kenner“ der Klasse anmerkten, dass es auf Amrum langweilig werden könnte, wenn man zu wenig unternehmen würde.
- Bereits geplante, jedoch durch die Abstimmungen verworfenen Aktivitäten wie den Besuch der Dünen, der Vogelkoje, der Seefahrergräber oder das Durchführen einer Wattwanderung erneut ins Gespräch gebracht.
- Nach dieser Stunde ergab sich die Notwendigkeit, sich mit diesen Planungsvorhaben näher auseinander zu setzen.
12. bis 16. Stunde
In den Folgestunden bestand die Aufgabe nun darin, sich intensiver mit dem Ziel „Lernen über die örtliche Umgebung“ zu beschäftigen.
- Klasse lädt den Amrum-Experten Uwe Sutter ein, um ihn als Fachmann nach seinen persönlichen Erfahrungen mit Schulklassen auf Amrum zu befragen.
- Für dieses „Expertenhearing“ (vgl. Planungsübersicht, 12. Stunde) hatten sich die Schüler vorher entsprechende Fragen notiert. In dieser Stunde erhielten die Schüler von einem „lebenden Informationsmedium“ zahlreiche Vorschläge und Tipps.
- Im Anschluss an diese Stunde erhielt die Klasse den Auftrag, sich intensiv mit den von Uwe Sutter empfohlenen Besonderheiten Amrums auseinander zu setzen.
- Amrum wird fächerübergreifend im Erdkundeunterricht behandelt
- Schüler informieren sich über die Örtlichkeiten auf Amrum (Hausordnung, Möglichkeiten der Freizeitgestaltung).
- Insbesondere die feststehenden Essenszeiten waren wichtig für die anstehenden Programmplanungen, denn sie bildeten den Rahmen für geplante Aktivitäten. Auf der Basis des erworbenen Wissens sollte in der Folgestunde nun ein überarbeiteter Entwurf eines Programmplans fertiggestellt werden.
17. Stunde (s. 17. Stunde im Detail)
Thema: Erstellen eines überarbeiteten Programmplans
Tatsächliche Durchführung:
- Insgesamt war die Atmosphäre in dieser Stunde eine ganz andere als noch in der ersten Planungsstunde.
- Die Schüler waren - auch durch kritisches Nachfragen des Lehrers - zu diesem Zeitpunkt größtenteils überzeugt davon, dass eine aktiv gestaltete Klassenfahrt mehr Spaß machen würde und Amrum dazu durchaus auch etwas zu bieten habe.
- In den Gruppen wurde sehr unterschiedlich zusammengearbeitet - von sehr selbständig bis hin zu extrem nachlässig.
- Alle Gruppen halten den Tagesrahmenplan ein, obwohl er auch hätte flexibel gestaltet werden können.
- Zeitmanagement bereitet den Gruppen massive Probleme. Es ist noch ein „feintuning“ nötig.
- Gruppen notieren sich offen Fragen der Klasse, um sie in der nächsten Stunde zu beantworten.
18. bis 24. Stunde
Thema: Detaillierte Planung der festgelegten Aktivitäten
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Mit den überarbeiteten Tagesplänen gingen die Gruppen nun in die letzte Planungsphase, um die festgelegten Aktivitäten fundiert zu planen, dass der Klasse alle offenen Fragen beantwortet werden konnten und der entsprechende Tag somit auch realisierbar wurde.
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Der Ablauf der folgenden Unterrichtsstunden gestaltete sich daher auch identisch. Der Lehrer öffnete in allen Stunden jeweils nach der Begrüßung die Tafel und übergab der jeweiligen Planungsgruppe das Wort. Diese hatte die Aufgabe, über den Stand der Planungen zu berichten und dabei der Klasse alle offenen Fragen zu beantworten.
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Es war hier bereits deutlich zu erkennen, dass die Motivation der Gruppen geringer wurde, ihre Pläne auszuarbeiten. Sie mussten immer wieder zum Arbeiten angehalten werden und arbeiteten weniger konstruktiv mit.
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Eine Gruppe war nicht in der Lage aus Telefongesprächen mit den Wattführern die erforderlichen Informationen zu entnehmen. Die Schüler beendeten einfach das Gespräch, ohne vorher aufgetretene Unklarheiten durch gezieltes Nachfragen zu beseitigen.
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Die Planungsgruppe „Sonntag“ hatte die Aufgabe, sich um den Besuch eines Schwimmbades zu kümmern. Statt der ursprünglicherweise von der Gruppe bekannt gegebenen 2,- € kostete der Besuch des Bades 4,- € für zwei Stunden. Die Gruppe wurde von der Klasse für ihr Vorgehen massiv kritisiert.
Tatsächliche Durchführung:
- In letzten Phase der Vorbereitung auf die Klassenfahrt war bei den Schülern ein deutlicher Umbruch spürbar.
- Waren sie zu Beginn der Unterrichtseinheit noch hoch motiviert, so zeigte sich jetzt, dass Engagement und die Einstellung vieler Schüler nachließen.
- Erst nun wurde vielen klar, dass die Vorbereitung einer Klassenfahrt nicht nur das Abstimmen über bzw. das Festlegen von Aktivitäten, sondern vor allem auch die konkrete und detaillierte Planung beinhaltet.
- Bei einigen Gruppen zeigte sich deutlich, dass sie den Umfang und das Ausmaß der Planungen deutlich unterschätzt hatten und mit der selbstständigen Planung überfordert waren. Ihren eigenen Tagesplan erledigten sie höchst unzureichend, so dass sie bei den täglichen Reflexionsrunden stark von ihren Mitschülern kritisiert wurden.
- Die Folge dieser immer stärker zunehmenden Kritik war eine zeitweise eintretende Frustration einiger Schüler.
- Zu diesem Zeitpunkt erschien es dem Lehrer dringend notwendig, in die Planungsarbeit dieser Gruppen einzugreifen und diese zu unterstützen, um die von der gesamten Klasse gewünschten und festgelegten Aktivitäten nicht zu gefährden.
- In diesen Stunden wurde dem Lehrer sehr deutlich, dass einigen Schülern der Klasse grundlegende Methodenkompetenzen fehlten, die er jedoch vorausgesetzt hatte.
- Im Vorfeld der Planungen hatte der Lehrer nicht bedacht, dass Schüler einer siebenten Klasse im Telefonieren mit fremden Erwachsenen teilweise noch ungeübt sind.
- Somit unterstützte er zwei Gruppen durch ein Telefontraining: Die Schüler mussten lernen, sich zunächst mit ihrem vollständigen Namen vorzustellen und ihr Anliegen im Rahmen dieser Klassenfahrtvorbereitungen deutlich und vollständig vorzutragen.
- Ohne diesen Eingriff in die selbständige Arbeit der Gruppen sah der Lehrer die Gefahr, dass von der gesamten Klasse gewünschte Aktivitäten so nicht hätten stattfinden können. Erst nach seinem Eingreifen waren diese Gruppen in der Lage, einzelne Teilaspekte zu planen und so zum Voranschreiten der Planungen beizutragen.
- Je weiter diese Feinplanungen voranschritten, desto klarer wurde den Schülern, dass auch der überarbeitete Programmplan aus Zeitgründen in dieser Form nicht durchführbar war. Erst in dieser Endphase fand z.B. die Mittwochs-Gruppe heraus, dass die Wattwanderung den Umfang eines Tagesausfluges einnahm und somit ihre übrigen Aktivitäten auf andere Gruppen verteilt werden mussten.
- Sowohl durch die freiwillige Mithilfe kompetenter Mitschüler als auch durch das Eingreifen des Lehrers konnten die Planungen letztendlich doch zu einem Abschluss geführt werden.
- Nach dieser schwierigen Endphase war wenige Tage vor der Abfahrt wieder ein deutlicher allgemeiner Motivationsanstieg erkennbar. Dies lag sicherlich zum einen daran, dass die Planungen in dieser Form nun endlich umgesetzt werden konnten und zum anderen an der Vorfreude auf die unmittelbar bevorstehende Fahrt.
Die Durchführung der Klassenfahrt
- Planmäßige Ankunft im Schullandheim am Samstag. Lehrer: Der Verlauf der Reise ist im Programmplan ersichtlich. Ab jetzt übernehmen die Planungsgruppen die Verantwortung.
- Lehrer werden immer wieder von den Schülern nach Programmpunkten und organisatorischen Dingen befragt. Lehrer verweisen immer wieder auf die Planungsgruppen.
- Schüler erwarten von den Gruppen eine gewisse „Reise-Qualität“ . Gruppen werden bei mangelnder Planung massiv von den Schülern für ihr Verhalten kritisiert.
- Zur Reflektion wird jeden Abend eine Besprechungsrunde in Form eines Positiv-Negativ-Blitzlichtes eingeführt.
- Sport oder Gottesdienst? Die Klasse einigt sich darauf, zwei Gruppen zu bilden.
- Die „Sonntags-Gruppe“ wird für ihr Engagement und ihr Verantwortungsbewusstsein sogar mit Applaus bedacht.
- Die Schüler erinnern sich gegenseitig daran, dass demokratisch beschlossene Mehrheitsentscheide einzeln getroffenen Interessen übergeordnet sind.
- Lehrer muss zwischendurch bei gewünschten Programmänderungen daran erinnern, dass eine Klassenfahrt kein Erholungsurlaub ist.
Zusammenfassung und Interpretation
- Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die äußeren Umstände ( Unterkunft, Verpflegung. Wetter etc.) während der Durchführung der Fahrt ausgesprochen gut waren. Das Verhältnis zwischen der Klasse und beiden Lehrern war ebenfalls positiv. Die Klasse freute sich auf die Fahrt. Und hatte sich fest vorgenommen, diese aktiv zu gestalten.
- Während dieser fünftägigen Fahrt stellte sich heraus, dass verschiedene Dinge umorganisiert werden mussten. Dazu gehörten insbesondere die Wünsche, Anregungen oder auch Kritik seitens der Mitschüler. In diesen Situationen war deutlich zu erkennen, dass das Engagement zur eigenverantwortlichen Durchführung eines ganzen Tages bei den einzelnen Schülern sehr unterschiedlich ausgeprägt war.
- Offen ausgetragenen Meinungsverschiedenheiten und Kontroversen über die Planung und die Durchführung des Programms drohten mehrfach in einem handfesten Streit zu enden. Die Lehrer waren gefordert, in die Diskussionen regulierend einzugreifen und ggf. auf den Zweck bzw. die Ziele von Klassenfahrten lenken.
- Diese Meinungsverschiedenheiten lagen zum Teil an dem unterschiedlichen Entwicklungsstand und den damit verbundenen unterschiedlichen Interessen der einzelnen Schüler.
- Das Engagement und die aufgewendete Energie innerhalb dieser täglichen Diskussionen, die auch innerhalb der einzelnen Planungsgruppen stattfanden, werden als Beleg dafür betrachtet, wie intensiv die Schüler die Klassenfahrt erlebten und reflektierten.
- Schüler sollen im Rahmen dieses BLK-Programms u.a. auch die Bedeutung und den „Sinn von Abstimmungen“ begreifen. Der Sinn und vor allem auch die verbindliche Gültigkeit von Abstimmungen für alle Beteiligten konnte auf dieser Klassenfahrt nicht nur begriffen, sondern auch selbst erfahren werden.