Gute Reise! Schüler einer 7. Hauptschulklasse organisieren ihre Klassenfahrt selbst (Schleswig-Holstein)
Kontext, Begründungen, Ziele
Warum und vor welchem Hintergrund ist der Baustein eingeführt worden?
Auszug aus dem BLK-Programm „Demokratie lernen & leben“
Sind Schüler einer siebenten Hauptschulklasse in der Lage, ihre Klassenfahrt zu planen und durchzuführen? Ausgangspunkt für diese Frage war ein Ansatz aus dem BLK-Programm, der das Ziel verfolgt, Demokratie als Aufgabe und Qualitätsmerkmal von Schulen zu stärken. Dabei geht um das stark verbreitete Problem der Politikverdrossenheit, sowie die anhaltenden Zunahme von Gewalt und Fremdenfeindlichkeit. Das wiederum hängt unter anderem mit der negativen Auswirkung der Globalisierung zusammen, die die Zukunftsperspektiven und Lebensverhältnisse der Jugendlichen dramatisch verändern.
Schule - mehr Leid als Lust
Wobei aber auch fest steht, dass Schule und Unterricht selbst einen erheblichen Teil zu dieser Ausgangslage beitragen, indem sie SchülerInnen nicht die Möglichkeit der unmittelbaren Beteiligung an schulischen Entscheidungen, Unterrichtsinhalten und -methoden bietet. Hinzu kommt der Frontalunterricht, der ebenfalls dafür sorgt, dass Schule und Lernen „eher mit Leid statt mit Lust verknüpft wird“.
Besonders die „Risikogruppe“ der Leistungsschwachen, der bildungsfern aufgewachsenen Schüler und der Schüler aus „belasteten Milieus“ erlebt Schule zunehmend als für das Leben sinnlos und negativ und entwickelt sich zwangsläufig zum „Verlierer des Bildungssystems“.
Schüler sind willens
Die Schule hat jedoch immer noch mehr als andere Institutionen die Aufgabe und Chance, alle Jugendlichen zu erreichen, um demokratisches Engagement vorzubereiten und zu pflegen. Im krassen Gegensatz zu der beschriebenen Passivität nämlich steht der zentrale Befund, dass Jugendliche dann willens sind sich zu engagieren, wenn sie sich von den Wirkungen ihres Engagements überzeugen können und dabei erfahren, dass sie ernst genommen werden.
Ein wirkliches Verstehen von Demokratie ist demnach nur möglich, wenn eine praktische und aktive Beschäftigung mit Mitschülern ermöglicht wird. Dazu ist es notwendig, dass Schülern fundamentale und elementare Demokratieerfahrungen ermöglicht werden, wie z.B. ihre Positionen zu klären und gegen andere Positionen zu verteidigen, abzuwägen, Lösungen abzustimmen, über Handlungsprobleme zu verhandeln, zwischen unterschiedlichen Optionen zu wählen, den Sinn von Abstimmungen zu begreifen und Aufgaben und damit Verantwortung zu übernehmen.
Demokratie-Projekt: Schüler organisieren ihre Klassenreise selbst
Das wesentliche Ziel des BLK-Programms, den Schülern durch praktisches Handeln und die aktive Auseinandersetzung mit ihren MitschülerInnen Demokratie erfahrbar zu machen, sollte mit der Klassenfahrtplanung bzw. -durchführung erfüllt werden. Nach dem Motto „learning by doing“ sollten die SchülerInnen durch das Projekt „Wir organisieren unsere Klassenreise selbst“ unmittelbar erfahren, dass sie ein wichtiger Teil der Klassengemeinschaft sind und durch gezeigte Eigenverantwortlichkeit viel in die Klassengemeinschaft einbringen. Dabei sollte die Klassenfahrt auch einen Teil dazu beitragen, Alternativen zu der stark medien- und konsumorientierten Freizeit aufzuzeigen.
Oliver Hensel - als Lehrer des Faches Wirtschaft/Politik „von Haus aus“ an dieser Thematik interessiert - freute sich über das Angebot der federführenden Lehrkräfte der Lindenschule an diesem Versuch teilnehmen zu können.
So erhielt er die Möglichkeit, im Rahmen dieses BLK-Programms zu dokumentieren, ob eine siebente Hauptschulklasse in der Lage ist, ihre eigene Klassenfahrt selbstständig zu planen und durchzuführen.
Die Klassenfahrt verfolgte dabei grundsätzlich zwei Hauptziele.
- Sie sollte den Schülern als eine gelungene Klassenfahrt in Erinnerung bleiben, auf der sie viel Spaß hatten und viel erlebt haben.
- Die Schüler sollten lernen, selbstständig planerisch tätig zu werden und dabei Engagement und Eigenverantwortung zu zeigen.
Die Ziele der Klassenfahrt im Einzelnen
Die SchülerInnen sollten während des Projektes lernen
- Demokratie zu leben und dabei elementare und wertvolle Erfahrungen für das Verständnis von Demokratie zu sammeln
- immer wieder ihre eigene Positionen zu klären und gegen andere zu verteidigen
- abzuwägen und zu verhandeln
- zwischen verschiedenen Optionen zu wählen
- durch demokratische Abstimmungen zu Ergebnissen zu gelangen
- welche positiven Auswirkungen es hat, wenn man z.B. die Klasse mit einem gutem Argument vom Besuch eines preisgünstiges Schwimmbades überzeugt
- welche negativen Folgen eigennütziges und kompromisslose Verhalten haben kann
- wie zahlreiche Interaktionen und das arbeitsteilige Vorgehen innerhalb der einzelnen Planungsgruppen die Entwicklung von Teamfähigkeit fördert
- dass ihr Handeln sowie ihre Entscheidungen unmittelbare Auswirkungen haben, für die sie selbstverantwortlich sind
- dass demokratisch gefasste Entscheidungen in der Regel durch Kompromisse zu Stande kommen
Die gelebten Erfahrungen sollten dann ab der 8. Klasse - insbesondere im Wirtschaft/Politik-Unterricht - zum besseren Verständnis von theoretischen Lerninhalten beitragen.
Die SchülerInnen sollten in zwei Jahren, wenn der größte Teil die Schule beendet und in das Berufsleben eintritt, über die dann seitens der Arbeitgeber geforderten Schlüsselqualifikationen wie Selbstständigkeit, Teamfähigkeit oder Verantwortungsgefühl verfügen.