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BLK-Programm - Demokratie lernen & leben: Durchfuehrung

Materialien

Individuelle Erziehungsvereinbarungen - demokratischer Umgang mit Unterrichtsstörungen (Nordrhein-Westfalen)

Durchführung bzw. Ablauf (inkl. Verantwortlichkeiten)

Welche Schritte kennzeichnen die Durchführung?

Der eingeschlagene Weg veränderte das schulische Leben der ROS gravierend. Das geplante Gesamtkonzept einer ausgeprägten Vereinbarungskultur erschien nur möglich, wenn alle Partner, also Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer und Eltern, hinter diesen Zielen standen und umfassend über alle Geschehnisse an der Schule informiert würden. So entstanden zahlreiche Neuerungen:

Der Runde Tisch - Eine neue Struktur für Partizipation an der ROS

Ende Juni 2004 nahm der sogenannte „Runde Tisch“ seine Arbeit auf. Der Runde Tisch arbeitet wie eine Schaltzentrale. Er besteht aus etwa 15 Mitgliedern, den gewählten Eltern- und Schülervertretern, sowie den Lehrern der Steuergruppe. Die Mitglieder treffen sich nach Bedarf - etwa alle zwei Monate.
Sie greifen Anregungen auf, entwickeln gemeinsam Strategien und Ziele und kontrollieren die Ergebnisse. Die hier gewonnenen Informationen geben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an ihre jeweiligen Gremien - Schüler- und Elternvertretung und Lehrerkollegium - weiter. So wird die Schulentwicklung für alle transparent.
Erscheint ein Thema wichtig - wie zuletzt die zunehmenden Gewaltvideos auf Schülerhandys - gründet der Runde Tisch Arbeitsgruppen, die sich mit dieser speziellen Problematik auseinandersetzen. Diese Gruppen stehen allen Interessierten offen. Die Ergebnisse der Arbeitskreise werden wiederum vom Runden Tisch gesammelt und umgesetzt. So soll im aktuellsten Beispiel zukünftig ein Handyverbot in die Schulvereinbarung aufgenommen werden.
Diese Kommunikationsstruktur zwischen allen aktiven Gruppen hat sich als sehr effektiv herausgestellt.

Die Schulvereinbarung - das Herz der Schulkultur

Grundlage der Schulkultur wurde die Schulvereinbarung (siehe Schulvereinbarung). Diese hat die Realschule am Oberen Schloss - ihrem Konzept entsprechend - in einer Arbeitsgruppe, bestehend aus Lehrerinnen und Lehrern, Schülerinnen und Schülern und Eltern erarbeitet.
Wichtig war den Entwicklern, dass alle am Schulleben beteiligten Gruppen zum Gelingen beitragen und sich verpflichten, die aufgestellten Regeln einzuhalten - also auch Lehrer und Eltern. Die Regeln sind leicht verständlich geschrieben und positiv formuliert. Mit diesen Regeln hofft die Schule, ein angenehmes Lern- und Lebensklima zu schaffen. Gleichzeitig hat sie damit auch eine Grundlage, bei Störungen auf ihre Regelungen hinzuweisen.
Der Entwurf wurde allen Gremien zur Abstimmung vorgelegt und angenommen. Seit dem Schuljahr 2005/06 ist die Schulvereinbarung in Kraft. Seitdem besitzt jeder an der Schule ein gedrucktes Exemplar. Neue Schülerinnen und Schüler und ihre Eltern bekommen es bei der Anmeldung ausgehändigt.
Wer sich mit den gemeinschaftlichen Verpflichtungen identifizieren kann, unterschreibt die Vereinbarung. Sollte jemand nicht unterschreiben - was bisher noch nicht vorgekommen ist -, so bietet das einen guten Anlass, sich mit den Betreffenden über ihre abweichenden Ansichten zu unterhalten und die Diskussion um die Schulvereinbarung offen zu halten.
Hält einer der Vertragspartner die Regelungen nicht ein, wird an der Schule versucht, den Konflikt durch Gespräche beizulegen. Bei Schülerinnen und Schülern greifen dann das Stufenprogramm oder Maßnahmen der allgemeinen Schulordnung.
Die Schulvereinbarung ist kein starres Gebilde. Sie wird permanent überarbeitet. Etwa alle sechs Monate trifft sich der Arbeitskreis Schulvereinbarung und passt sie den veränderten Gegebenheiten an.

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Erziehungsvereinbarungen-Probleme positiv lösen

Die kooperative Gesprächsführung - der Schlüssel zum demokratischen Umgang miteinander

Im Zuge ihrer Erfahrungen mit dem Stufenprogramm erkannten die Lehrerinnen und Lehrer, wie wichtig eine kooperative Gesprächsführung für einen demokratischen, wechselseitigen Austausch der Sichtweisen ist.
Tatsächlich beschäftigte sich die Schule mit diesem Thema erst nach Einführung des Stufenmodells. Es zeigte sich aber im nachhinein, dass die Wirkung der Erziehungsvereinbarungen und des Stufenprogramms wesentlich effektiver und befriedigender für alle Beteiligten ist, wenn die kooperative Gesprächsführung angewendet wird. Erst sie macht aus Sicht der Lehrerinnen und Lehrer das Stufenprogramm zu einem demokratischen Modell; eine Konfliktregelung allein nach Stufenprogramm erschien ihnen im nachhinein zu sehr disziplinarisch ausgerichtet.

Neue Einsichten und Lösungen ergeben sich häufig im Gespräch zwischen Lehrer, Schüler und Eltern.

Seit Beginn des Schuljahres 2005/06, also recht zügig nach der Einführung des Stufenprogramms, erarbeitete die Realschule mit der Schulpsychologischen Beratungsstelle des Kreises Siegen-Wittgenstein ein Konzept zur „Kooperativen Gesprächsführung in Konfliktsituationen“.
Das Lehrerkollegium nahm im November 2005 geschlossen an einer Fortbildung des Schulpsychologen Gerhard Schmidt teil. Eine Vertiefung mit weiteren Trainingssequenzen erfolgte im Dezember 2005.
Unter dem Motto „Probleme lösen - Lösungen vereinbaren“ verdeutlichten sich die Lehrerinnen und Lehrer zunächst theoretisch, später auch praktisch grundlegende Gesprächsstrategien. (Zu Inhalten, inklusive eines praktischen Trainings, vgl. Kooperative Gesprächsführung im Stufenprogramm)
Als Rahmen orientiert sich das Kollegium dabei an den neun Schritten eines Gesprächsleitfadens (siehe Gesprächsstrukturierung für die Entwicklung von Erziehungsvereinbarungen).
Dieser Ansatz hilft den betroffenen Schülerinnen und Schülern, ihr Verhalten zu reflektieren, Hilfen für eine Änderung zu suchen und selbst zu kontrollieren. Durch den ausführlichen Fragenkatalog erfahren die Lehrerinnen und Lehrer wiederum Zusammenhänge und Hintergründe, die bei sonst üblichen Reglementierungen häufig nicht geklärt würden.
Heute steht an der Schule eindeutig im Vordergrund, Probleme zu lösen statt zu sanktionieren.

Individuelle Erziehungsvereinbarungen in einem gestuften Programm (Stufenprogramm)

Die Realschule am Oberen Schloss bemüht sich, Konflikte mit Schülerinnen und Schülern auf möglichst niedriger Ebene beizulegen. Das klappt leider nicht immer. Hier setzt das Stufenprogramm ein.
Blieb früher nur die Möglichkeit, eine Klassenkonferenz einzuberufen, ermöglicht das Stufenmodell eine angemessene und lösungsorientierte Antwort auf Fehlverhalten der Schülerinnen und Schüler.
In maximal fünf Stufen (siehe unter „Die Stufen des Programms“) versuchen Klassenlehrer und Schüler gemeinsam auf der Basis des Gesprächsführungskonzeptes Vereinbarungen zu treffen, die eine Verhaltensänderung bewirken sollen.

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Schlüsselfragen bei Störungen im Unterricht

Es herrscht Konsens im Lehrerkollegium, dass das Wegschauen bei Verhaltensauffälligkeiten den Schülerinnen und Schülern Akzeptanz ihres Verhaltens signalisiert. Deshalb entwickelten die Lehrerinnen und Lehrer zunächst einen Fragenkatalog, wie sie unmittelbar auf Störungen im Unterricht reagieren wollen. Ihr Ziel war ein einheitliches, angemessenes Modell, das den Schülerinnen und Schülern ihr Fehlverhalten und gleichzeitig mögliche Konsequenzen vor Augen führen sollte.
In Anlehnung an H. Bründel und E. Simon (Bründel, H. Simon, E., 2002) stellen die Pädagogen nun sofort folgende einfache aber wirkungsvolle Fragen:

  1. Was tust du gerade?
  2. Gegen welche Regel verstößt du?
  3. Was geschieht, wenn du jetzt noch einmal gegen die Regel verstößt?
  4. Wofür entscheidest du dich?

Diese Fragen signalisieren den Schülerinnen und Schülern einerseits, dass sie gegen Schulregeln verstoßen, andererseits zeigen sie die Optionen: Weitermachen - und ins Stammblatt eingetragen werden, oder Verhalten sofort korrigieren - und Eintrag verhindern.

Das Stammblatt

Es kam früher häufig vor, dass Schülerinnen und Schüler sich im Unterricht in verschiedenen Fächern auffällig verhielten, ohne dass die Lehrer rechtzeitig von den Problemen in den anderen Fächern erfuhren. Aus diesem Grund wurde das „Stammblatt“ geschaffen.
Es wurde für jede Schülerin und jeden Schüler angelegt und wird im Lehrerzimmer aufbewahrt. Bei Fehlverhalten im Unterricht, auf dem Schulgelände oder den angrenzenden Bereichen kann nun jeder Lehrer einen Eintrag in das Stammblatt vornehmen. Inhaltlich reichen die Themen von Schwänzen, über Verschmutzen der Klassenräume, unhöfliches Benehmen bis hin zu körperlichen und verbalen Belästigungen der Mitschüler und Lehrer.
Nach fünf Einträgen setzt sich der Klassenlehrer mit dem Schüler zusammen; die erste Stufe des Stufenprogramms beginnt (s. unter: „Die Stufen des Programms“).
Diese Regelung wird allerdings flexibel gehandhabt. Bei besonders schwerwiegenden ‚Vergehen’ wird das erste Gespräch im Rahmen des Stufenprogramms auch ohne diese fünf Eintragungen geführt.
Nach dem Gespräch vermerkt die Lehrkraft die konkret angesetzten Schritte im Stammblatt:

Dieses Stammblatt hat mehrere Vorteile:

Die Stufen des Programms
Der Ansatz des Stufenprogramms stammt aus der Suchtprävention. Ursprünglich in der freien Wirtschaft für den Umgang mit suchtgefährdeten Arbeitnehmern entwickelt und von Mack u.a. (Mack, F., Schneider, R., Wäschle, H., 1996) auf die Schule übertragen, entschied sich die Siegener Schule, dieses Verfahren anzuwenden und weiter zu entwickeln. Nach mehreren Anpassungen und Veränderungen sieht das Stufenprogramm in der Realschule am Oberen Schloss nun maximal fünf Schritte vor (siehe Die Stufen des Stufenmodells):

Stufe 1
Ein Schüler fällt wiederholt durch unangemessenes Verhalten auf. Weder die direkte Ansprache bei Störungen des Unterrichts, noch die Einträge in seinem/ihrem Stammblatt haben eine Verhaltensänderung erreicht. Nach fünf Eintragungen bittet der Klassenlehrer den Schüler zu einem ersten Gespräch im Rahmen des Stufenmodells.
Die Eltern erhalten eine schriftliche Mitteilung über das Fehlverhalten und die Ergebnisse des Gespräches. Den Empfang des Schreibens bestätigen sie dem Klassenlehrer (vgl. Mitteilung nach dem Stufenprogramm). Falls sie schon zu diesem Zeitpunkt ein klärendes Gespräch wünschen, setzt sich der Lehrer selbstverständlich mit den Erziehungsberechtigten in Verbindung.
In der ersten Stufe führen allerdings nur Klassenlehrer und Schüler das Gespräch. Der Lehrer orientiert sich an den Fragen zur kooperativen Gesprächsführung. Schritt für Schritt erarbeiten Schüler und Lehrer eine Vereinbarung, die der Schüler schriftlich während der Sitzung protokolliert (vgl. Stufenprogramm: Stufe… Vereinbarung).
Die Vereinbarung zielt darauf ab, dass die Schülerinnen und Schüler ihr Fehlverhalten und Regelverstoß erkennen. Erklären sie sich bereit, das Problem zu lösen, erstellen die Jugendlichen einen Plan mit konkreten Schritten und Zeitvereinbarungen zur Umsetzung. Dabei ist auch die Hilfe von Eltern und Lehrern gefragt. Gleichzeitig vereinbaren Schüler und Lehrer ein weiteres Gespräch etwa zwei Wochen später, um die Umsetzung des Planes zu kontrollieren.
Haben die Jugendlichen die Vereinbarungen eingehalten, werden die alten Eintragungen im Stammblatt gelöscht. Bei erneutem Fehlverhalten fängt dann das Verfahren wieder bei Stufe 1 an.

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Stufe 2
Nur falls die Vereinbarung aus Stufe 1 nicht eingehalten wurde, tritt Stufe 2 ein.
Zu diesem Gespräch werden neben Schüler und Klassenlehrer ein Vertrauenslehrer oder ein weiterer betroffener Lehrer und die Eltern eingeladen (Einladung Elternbrief vgl. Mitteilung nach dem Stufenprogramm (Stufe 2)).
Der Ablauf entspricht im wesentlichen Stufe 1. Der Schüler erarbeitet wieder einen Plan und füllt, wie auch in den nachfolgenden Stufen, die Vereinbarung aus, die nun auch die Eltern mit unterschreiben. Allerdings werden jetzt konkrete Hilfen angeboten und die möglichen Konsequenzen nach den gesetzlichen Bestimmungen aufgezeigt.

Stufe 3
Auch diese, wie alle nachfolgenden Stufen, wird nur bei Missachtung der in der vorherigen Stufe getroffenen Vereinbarung eingeleitet. Zu diesem Zeitpunkt wird zusätzlich die Schulleitung eingeschaltet. Die in Stufe 2 aufgezeigten Konsequenzen werden umgesetzt und die Inanspruchnahme von Hilfen nicht mehr nur angeboten sondern gefordert.

Die ‚große Runde’ tagt erst ab Stufe 3.

Stufe 4
Spätestens zu diesem Zeitpunkt wird außerschulische Hilfe - zuständige Ämter oder Behörden oder die Jugendhilfe - hinzugezogen. In der Praxis hat sich gezeigt, dass eine externe Betrachtung ganz neue Schritte und Lösungsansätze aufzeigt.
Falls dennoch keine Verhaltensänderung eintritt, wird der Schüler zeitweise vom Schulbesuch ausgeschlossen. Gleichzeitig werden ihm die möglichen Konsequenzen der letzten Stufe vor Augen geführt: Die Schulentlassung durch die Lehrerkonferenz.

Stufe 5
Haben alle bisherigen Bemühungen nichts geändert, bleibt nur der endgültige Schulausschluss durch die Lehrerkonferenz. Bislang musste die Schule allerdings noch nie Mal zu diesem letzten Mittel greifen.

Das Verfahren des Stufenprogramms ist nicht ein absolut starres; die Auslegung wird flexibel gestaltet. Zeigt sich beispielsweise schon in der ersten Stufe ein gravierendes Problem, das nur mit externer Hilfe zu lösen ist, fordert die Schule sie natürlich schon zu diesem Zeitpunkt an. Genauso überspringt sie einzelne Stufen, wenn es die Situation erfordert.

Nach ihren bisherigen Erfahrungen hat die Realschule am Oberen Schloss den scheinbaren Widerspruch zwischen dem Wunsch nach mehr Disziplin auf der einen und mehr demokratischer Kultur auf der anderen Seite gelöst.
Einmal eingeführt, verändert das Stufenprogramm das System Schule. Es macht Schule transparenter, demokratischer, dient der Gewaltprävention und verbessert die kommunikative Kompetenz aller am Schulleben Beteiligter.

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