Individuelle Erziehungsvereinbarungen - demokratischer Umgang mit Unterrichtsstörungen (Nordrhein-Westfalen)
Zwischenbilanz
Welche Erfahrungen liegen bisher vor? Welche Folgen haben sich ergeben?
Ein neues Wir-Gefühl im allgemeinen ...
Insgesamt zeigte sich, dass die Veränderungen im Rahmen der Teilnahme am BLK-Programm von allen Beteiligten an unserer Schule überaus positiv bewertet wurden. Die vielschichtigen neuen Aktionsfelder erleben alle als Bereicherung des Alltags, ein Miteinander ist entstanden.
„Es macht Spaß, hier Eltern zu sein“. Mit diesen Worten begrüßt mittlerweile die Schulpflegschaftsvorsitzende Brigitte Bublitz die Eltern der neuen Fünftklässler.
Aus Elternsicht sei eine neue Kommunikationsstruktur entstanden. Probleme werden nun gemeinsam besprochen und aus dem Weg geräumt. Die Eltern erleben insgesamt entspanntere Kinder, die Atmosphäre in den Klassen sei wesentlich friedlicher als früher.
Die Schüler wiederum empfinden die Formulierung der Schulvereinbarung in der „Wir-Form“ als positiv. Das zeige das Gemeinschaftsgefühl und die Verpflichtung nicht nur der Schüler, sondern auch der Lehrer und Eltern der Schule gegenüber.
... und tolle Erfolge von Stufenmodell, Schulvereinbarung und kooperativer Gesprächsführung
Die offensichtlichsten Erfolge des Stufenprogramms und der Schulvereinbarung zeigen sich im Rückgang der Disziplinarkonferenzen (AschO-Konferenzen, also Klassen- oder Lehrerkonferenzen): vom Höchststand 17 im Schuljahr 2003/2004 auf 4 (!) nach der Einführung des Stufenmodells im Schuljahr 2005/2006 (vgl. Evaluation Stufenprogramms durch die Schulleitung).
Auch in den Klassen herrscht ein besseres Klima. So wurde im Feedback von April 2006 von Schülern die gewaltfreie und friedliche Atmosphäre an der Schule und das gute Verhältnis zu den Lehrern gelobt. Alle Beteiligten haben einen Lernprozess durchlaufen.
Schülerinnen und Schüler: Agenten in eigener Sache
Die Schülerinnen und Schüler lernen durch die Schulvereinbarung demokratische Vereinbarungen zu treffen und einzuhalten.
Im Stufenprogramm erleben sie sich als Agenten in eigener Sache: Es wird nicht über sie geurteilt. Sie lernen, die Probleme, die sie haben oder schaffen, eigenverantwortlich, effektiv und selbstwirksam zu lösen. Viele von ihnen beginnen erst durch die Fragen des Stufenprogramms, ihr auffälliges Verhalten zu überdenken und erstmals zu artikulieren. Wenn sie ihr Fehlverhalten erkennen, gelingt es ihnen jetzt meistens, dieses abzustellen oder zu verringern.
In den meist sehr persönlich geführten Gesprächen im Rahmen des Stufenprogramms zeigte sich, dass sich hinter den Verhaltensauffälligkeiten der Jugendlichen häufig zusätzlich außerschulische Probleme verbargen. Diese können mit dem neuen Verfahren viel besser identifiziert und durch gezieltere Hilfe abgestellt werden.
Lehrerinnen und Lehrer: Vom Zuchtmeister zum Helfer
Im Kollegium der Realschule am Oberen Schloss wächst die Solidarität. Durch die einheitliche Konfliktlösestrategie werden Auffälligkeiten von allen Lehrkräften ähnlich behandelt. Sie lernen eine neue Rolle zu übernehmen - weg vom „Zuchtmeister“ hin zum „Helfer“.
Nach ihren Erfahrungen zeigte sich auch, dass sie pädagogische Probleme im kleinen Kreis der Betroffenen gezielter lösen können. Ineffektive und zeitaufwändige (Massen-) Konferenzen finden wesentlich seltener statt. Durch die klaren Abläufe und die konkrete Problemstellung beim Stufenprogramm bleibt mehr Zeit für pädagogische Aufgaben.
Gemeinsam: Von der Schuldfrage zur Lösungsstrategie
Schüler, Lehrer und Eltern haben durch das Stufenprogramm gelernt, auf Augenhöhe miteinander zu reden und gemeinsam belastende Probleme zu lösen. Die Teilnehmer eines Gesprächs fühlen sich nicht mehr als Gegner (wie in Klassenkonferenzen), sondern als Team, das solidarisch eine Lösungsstrategie für ein Problem sucht. Von zwölf betroffenen befragten Schülern, Eltern und Lehrern haben sich alle (!), hätte man sie vor die Wahl gestellt, für ein Stufenprogramm ausgesprochen (vgl. ausführlich Klima und…) .
Als effektiv erwies sich auch die Stufung des Programms. In den unterschiedlichen Besetzungen der Gesprächsrunden entwickelte sich eine gezieltere Hilfestellung.