Mediationsangebot für SchülerInnen in den Pausen (Hessen)
Kontext, Begründungen, Ziele
Warum und vor welchem Hintergrund ist der Baustein eingeführt worden?
Die Johann-Hinrich-Wichern-Schule (Wichern-Schule) ist eine Förderschule für Lernhilfe. Wir unterrichten Schülerinnen und Schüler mit speziellen Schwierigkeiten beim Lernen und teilweise auch im Verhaltensbereich in den Klassenstufen 1 bis 9. Ein großer Teil unserer SchülerInnen hat Probleme in der sozialen Kompetenz. Dies zeigt sich in verbalen Äußerungen bis hin zu körperlicher Gewalt. Vor allem Pausensituationen führen zum Entstehen von Konflikten. Auch Konflikte zwischen SchülerInnen, die sich weniger massiv äußern, werden im Anschluss an die Pausen in die Klassen getragen. Das bedeutet, dass Unterricht nur verzögert beginnen oder überhaupt nicht stattfinden kann, weil „vieles zu klären ist“: zwischen SchülerInnen in der eigenen oder zwischen SchülerInnen aus verschiedenen Klassen. Denn SchülerInnen einer Lernhilfeschule haben aufgrund ihrer psychosozialen Entwicklung häufig das Bedürfnis, alles „sofort und gleich“ zu bekommen. Davon ist das „Kerngeschäft Unterricht“ oft stark beeinträchtigt. Über diese Situation klagten viele KollegInnen. Sie empfanden dies als Überforderung und starke Belastung. Es war eindeutig erforderlich pädagogisch einen Akzent auf den Themenkreis Gewaltprävention – Konfliktbearbeitung – Soziales Lernen zu setzen. Seit dem Jahr 2000 kristallisierten sich dazu mehrere Ansatzpunkte heraus: Themenspezifische Fortbildungen, Zusammenarbeit mit einer Jugendbegegnungsstätte, Mitarbeit im BLK-Programm.
So wurde im Jahr 2000 eine Arbeitsgruppe „Gewaltprävention“ gebildet. Auch bei unserer Arbeit am Schulprogramm in den Jahren 2000 bis 2002 bezogen wir diesen Hintergrund ein, indem wir die Schwerpunkte Mediation und Gewaltprävention vereinbart haben. Etwa zeitgleich wurde vom damaligen Hessischen Landesinstitut für Pädagogik (HeLP) das Projekt „Mediation und Schulprogramm“ durchgeführt (Flyer HeLP-Projekt; Konzept Basistraining). KollegInnen unserer Schule haben kontinuierlich die Fortbildungsangebote dieses Projekts genutzt (Basistraining, Aufbautraining, Training zu Klassenprogrammen, Streitschlichterprogramme). Daraus entstanden Kontakte zu anderen Schulen und Institutionen, die sich mit der gleichen Thematik beschäftigen.
In Zusammenarbeit mit der Jugendbegegnungsstätte Anne Frank (JBS) wurde 2001 begonnen, ein Gewaltpräventionskonzept für unsere Schule zu entwickeln:
- Pädagogischer Tag im Jan. 2001 (Moderation: Bernd Fechler, JBS)
- gemeinsamer Fortbildungstag von Kolleginnen unserer Schule mit MitarbeiterInnen der JBS zum Thema „Klassenprogramme zum Sozialen Lernen“
- Entwicklung von auf unsere Schülerschaft bezogenenen Klassenprogrammen zum „Sozialen Lernen“ durch TrainerInnen der JBS gemeinsam mit KollegInnen unserer Schule im Frühjahr 2002 (s. Literaturhinweise: Christa Kaletsch 2004)
- Durchführung der Klassenprogramme in 7 Klassen der Klassenstufen 5 und 6 in den Jahren 2002 – 2005 mit externer Beratung der JBS
Mit dem BLK-Programm „Demokratie lernen & leben“ eröffnete sich uns eine weitere „Andockstelle“ zu unserem Themenfeld und zu unserem Schulprogramm, z. B.:
- Schulleben – Beteiligung von SchülerInnen,
- Unterrichtsgestaltung – Zeit für „Soziales Lernen“,
- Besondere Projekte – Mediation und Gewaltprävention.
Die konkrete Idee, an der eigenen Schule das Angebot „Pausenmediation“ zu schaffen, wurde im Herbst 2004 in diesem Zusammenhang geboren.
Mit dem Mediationsangebot für SchülerInnen in den Pausen durch ausgebildete Lehrkräfte möchten wir folgende Ziele erreichen:
Lehrkräfte
- LehrerInnen zeigen SchülerInnen, dass sie sie in ihren Konflikten ernst nehmen.
- LehrerInnen bieten SchülerInnen für die Klärung von Konflikten einen geschützten und verlässlichen Rahmen als Lernerleichterung.
LehrerInnen und SchülerInnen
- Konflikte aus der Pause werden zeitnah – möglichst noch innerhalb der Pause, in der sie entstanden sind – bearbeitet und gelöst (aktuelle Krisenintervention).
- Als Folge davon beginnt der Unterricht frei von Störungen durch Konflikte. SchülerInnen wie LehrerInnen können ihre Aufmerksamkeit unbelastet Lernprozessen widmen.
SchülerInnen
- In Fällen, in denen eine sofortige Konfliktbearbeitung nicht realisierbar ist, lernen SchülerInnen ein akutes Bedürfnis aufzuschieben.
- Sie lernen Gefühle wahrzunehmen und darüber zu sprechen.
- Sie können den Stellenwert von Streit einordnen und lernen ihn konstruktiv zu lösen.
- Unter dem Motto „Reden lernen statt Schlagen“ reduzieren sie Vorfälle körperlicher Gewaltanwendung.
Längerfristiges Ziel
Innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre möchten wir erreichen, dass auch SchülerInnen schrittweise weniger komplexe Mediationsfälle übernehmen können. Sie sollen von uns für diese Aufgabe als SchülermediatorInnen ausgebildet werden.