Trainingswoche Zivilcourage - Übungen und Rollenspiele mit Berufsschülern (Mecklenburg-Vorpommern)
Kontext, Begründungen, Ziele
Warum und vor welchem Hintergrund ist der Baustein eingeführt worden?
Schwerpunkt an der Beruflichen Schule des Landkreises Mecklenburg-Strelitz ist die duale Ausbildung. Bedingt durch die beiden Lernorte ist nicht die Schule sondern der Betrieb Mittelpunkt der Auszubildenden. Insofern haben wir, was den Fachbereich „Allgemeinbildung“ anbelangt, völlig andere Rahmenbedingungen als allgemein bildende Schulen. Ein Fachlehrer sieht seine Schülerinnen und Schüler regulär für 40 oder 80 Stunden im Schuljahr. Selbst in Vollzeitklassen, die überwiegend am Lernort Schule sind, ordnet sich Projektarbeit dem Hauptziel, Erreichen des Ausbildungsziels, unter.
Trotz dieser völlig anderen Lehr-/Lernbedingungen, war das BLK-Programm „Demokratie lernen & leben“ für uns von großem Interesse. Nachdem wir im Mai 2002 davon erfahren hatten, begannen wir an unserer Schule im Schuljahr 2002/03 mit der Arbeit im Programm. Wir gehören aus den drei möglichen BLK-Sets dem Set „Facetten demokratischer Schulentwicklung“ an. Die Programmziele, Förderung der demokratischen Handlungskompetenz der Schüler sowie die Entwicklung einer demokratischen Schulkultur, sahen wir auch für Berufsschulen als wesentlich an. Im Schuljahr 2002/2003 hatten wir zunächst mit dem Projekt „Demokratische Wahl des Klassensprechers“ begonnen, mussten aber im Verlauf der ersten beiden Programmjahre erkennen, dass es an unserer Schule nicht funktionierte. Es gab keine bzw. kaum Resonanz von Schülern bzw. Kollegen. Wir führen dies auch auf die spezielle Situation an Berufsschulen zurück. Deshalb war die BLK-Projektgruppe ab Ende 2003 auf der Suche nach einem neuem Schwer-punkt. Dieser neue Schwerpunkt - die Förderung von Zivilcourage - ist Gegenstand des vorliegenden Praxisbausteins.
Während der Suchphase besannen wir uns auf die Ergebnisse einer Befragung zum Schuljahresende 2002/03. Damals war vom DIPF (Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung, Frankfurt; www.dipf.de) ein sehr umfangreicher Fragebogen als Eingangsevaluation für das BLK-Programm eingesetzt worden. Die Befragung richtete sich in den Berufsschulen nur an Lehrer und Schulleitung - im Gegensatz zu allgemein bildenden Schulen nicht an Schüler. Im Januar 2004 wurden die Ergebnisse der Eingangsbefragung von der Kollegin, Silke Eckardt, auf einer Dienstberatung dem Kollegium vorgestellt. U. a. hatte die Befragung ergeben, dass sich viele Kollegen mehr Zivilcourage von den Schülern wünschten und für sich selbst einen Fortbildungsbedarf zu den Themen „Zivilcourage“ (42%) bzw. „Mediation/Konfliktlösung“ (43%) formulierten. Dies ist auch in dem Kontext zu betrachten, dass ein halbes Jahr vor der Befragung, im Dezember 2002, bei uns - erstmals in Deutschland in direkter Umgebung zu einer Berufsschule - ein Asylbewerberheim eröffnet hatte. Vor dem Hintergrund unserer Schülerschaft bestand die Sorge, dass es hier zu Konflikten - ausländerfeindlichen Reaktionen und Aktionen unserer Schüler gegenüber dem Asylbewerberheim - kommen könnte. Zur damaligen Zeit wurden von einem Teil der Schülerschaft Symbole von Fremdenfeindlichkeit und Rechtsradikalismus offen zur Schau gestellt (z. B. Haarschnitt, Tattoo, einschlägige Bekleidungsmarken). Einige Schüler bekannten sich zur Mitgliedschaft bzw. Nähe zu Parteien des rechten Spektrums. Vergleichbare Fortbildungswünsche wurden auch von Teilnehmern eines „BLK-Set-Treffens“ beruflicher Schulen unseres Bundeslands geäußert.
Aus einer entsprechenden Fortbildung entwickelte sich die Idee eine Trainingswoche zum Thema „Zivilcourage“ für Schüler als Präventionsmaßnahme anzubieten (Begriff Zivilcourage). Ein solches Zivilcourage-Training wollten wir nicht vordergründig nur auf den Umgang mit Ausländern beziehen. Vielmehr haben wir es „strategisch“ als ein Sensibilisierungsmittel betrachtet. Denn ein Projektangebot mit dem Label „Gegen Fremdenfeindlichkeit“ hätte nach unserer damaligen Einschätzung nicht so viel Zustimmung seitens der Schüler bekommen.
Mit der Trainingswoche „Zivilcourage“ wollen wir konkret die folgenden Ziele erreichen:
- Den Auszubildenden der teilnehmenden Klasse/Klassen soll ein grundlegendes Wissen über Zivilcourage vermittelt werden.
- Sie sollen dazu angeregt werden, auch im Alltag stärker „Gesicht zu zeigen“ und sich verantwortlich einzumischen, um damit einen kleinen Beitrag gegen die „Unkultur“ des Wegschauens zu leisten. Sie sollen die entsprechenden Wertvorstellungen entwickeln und darin bestärkt werden diese auch zu „leben“.
- Sie sollen in der Klassensituation offener zu ihrer Meinung stehen und auch im Umgang miteinander Zivilcourage zeigen können.
- Sie sollen erkennen, dass Schweigen als Zustimmung gewertet wird.
Wir wollen mittelfristig ein Zivilcouragetraining als kontinuierliches Angebot an der Schule installieren (s. Zusatzvereinbarung) sowie weitere Kollegen informieren und als mögliche Partner gewinnen.