Trainingswoche Zivilcourage - Übungen und Rollenspiele mit Berufsschülern (Mecklenburg-Vorpommern)
Zwischenbilanz
Welche Erfahrungen liegen bisher vor? Welche Folgen haben sich ergeben?
Zentrale Projektwoche
Die Trainingswoche Zivilcourage wurde bislang zweimal durchgeführt (2005, 2006). Als sehr hilfreich für die Entwicklung der Trainingswoche und deren Durchführung empfanden wir die Tradition der zentralen Projektwoche. Sie bot eine positive Grundlage für unsere Arbeit, und insbesondere die Auszubildenden des zweiten Lehrjahres waren hiermit bereits vertraut. Außerdem wurde uns die freie Zeiteinteilung dadurch erleichtert, denn während der Projektwoche sind keine festen Pausenzeiten vorgegeben. Jeder Kollege kann diese an der Arbeitsgeschwindigkeit, der Konzentration der Schüler sowie an inhaltlichen Zusammenhängen orientieren.
Trainingswoche
Organisation der Trainingswoche
Es wäre wünschenswert, dass alle drei federführend an der Projektausarbeitung beteiligten Kolleginnen die Trainingswoche durchführen würden. Zumindest sollten wegen der Kontinuität für die Auszubildenden durchgängig (die gleichen) zwei Lehrpersonen eingesetzt sein. Dies entspräche auch der Empfehlung des mbt. Die Möglichkeiten der Stundenplanung ließen allerdings nur zu, dass zwar Dörte Taufmann (als unterrichtende Sozialkundelehrerin in den beteiligten Klassen) durchgehend dabei war, aber Kathleen Supke nach drei Tagen von Margitta Schmidt abgelöst wurde.
Ebenfalls zu berücksichtigen wäre eine Höchstgrenze für die Teilnehmerzahl von 20, maximal 24. Darauf war unsere ursprüngliche Planung ausgerichtet. Durch die Zuordnung einer „überzähligen“ Halbgruppe Technischer Zeichner zur Trainingswoche erreichten wir eine Gruppenstärke von 30 Auszubildenden. Nicht nur die Auswertung der Erwartungen oder der Austausch über bereits gezeigte bzw. unterlassene Zivilcourage, auch die Rollenspiele und Übungen waren in einem Unterrichtsraum mit dieser Schüleranzahl zeitlich und räumlich schwierig zu bewältigen. Ein Ausweichen in die Aula bzw. den Konferenzraum war nicht mehr möglich, da beide durch Ausstellungen bzw. durch die Projektplanung belegt waren.
Lernergebnisse und -erfahrungen der Schüler
Den Schülern ist im Gegensatz zu ihren ersten Äußerungen zu Beginn der Trainingswoche bewusst geworden, dass Zivilcourage nicht nur bedeutet „einer Omi über die Straße“ geholfen zu haben. Ihre Sichtweise auf „Zivilcourage“ ist im Verlauf dieser Woche wesentlich differenzierter und auch persönlicher geworden. Wenn Schüler z.B. erstmals offen ein Mobbing-Problem in der Klasse thematisieren, ist dies „ein Schritt nach vorn“. So gab es bereits während der Trainingswoche Äußerungen wie: „Sonst sage ich dazu nichts - aber diesmal habe ich gesagt, dass ich das nicht gut finde!“ Beeindruckt hat uns bei allem die Ehrlichkeit und Ernsthaftigkeit der Schüler. Z. B. berichteten sie während der Trainingswoche von einer Schlägerei, die sie im Wohnheim mit einer „verfeindeten“ Ausbildungsrichtung - den Gärtnern - hatten. Immerhin gaben 16 von 20 Schülern bei der Selbsteinschätzung am Ende der Projektwoche an, dass sie sich zutrauen würden in einer Notsituation das Richtige zu tun.
Die Qualitätskontrolle erfolgte bei uns z. B. über die Präsentation am Ende des Zivilcouragetrainings. Die große positive Resonanz bei der Präsentation war ein wichtiger Indikator der Anerkennung der Arbeit der Schüler. Ein Zeichen von Nachhaltigkeit drei Monate später war ein Zuruf auf dem Schulhof von einem der Trainingsteilnehmer an Kathleen Supke, der nicht von ihr unterrichtet wird: „Ich hab’ gestern Zivilcourage gezeigt ...“. Mittlerweile haben sich die Anzeichen von extremer Gesinnung durchaus reduziert.
Kooperationen
Personelle Unterstützung durch das mbt
Ohne die personelle Verstärkung durch zwei Mitarbeiterinnen des mbt-Neubrandenburg - Margitta Schmidt/Frau Krüger-Finke - wäre z. B. Arbeit in Kleingruppen am Mittwoch nicht möglich gewesen. Das mbt-Neubrandenburg sollte zukünftig personell für die gesamte Woche eingeplant werden. Die Bereitschaft hierzu wurde von beiden Kolleginnen signalisiert.
Lernerfahrungen der Lehrpersonen und die Bedeutung des externen Blicks
Die Anwesenheit des mbt am Mittwoch war sehr unterstützend. Zum einen öffnen sich Schüler unbekannten Beteiligten, denen sie vielleicht nicht wieder begegnen, manchmal schneller. Zum anderen gibt es im mbt viel Erfahrung mit kontroversen Diskussionen mit Jugendlichen. Für uns wurden dadurch unsere Mängel in der Gesprächsführung mit den Jugendlichen deutlicher: Zu einengende Fragestellungen, zu frühes Bewerten der Schülermeinungen und zu wenig Hinterfragen von Verhaltensursachen. Dass wir daran arbeiten mussten, hatte das Auswertungstreffen mit einer Kollegin des mbt ergeben. Wir haben die Rückmeldungen für unsere Überarbeitungen und Verbesserungen genutzt sowie in die Nachfolgeveranstaltung der Zivilcourage-Fortbildung in Güstrow eingebracht und als Arbeitsvorschläge formuliert. Uns war klar geworden, dass man bewusst „Türen für Externe öffnen“ muss. Eine externe Rückmeldung macht wirklich Sinn!!! Zwar hatten wir während der Projektwoche immer wieder Gäste - von der Schulleiterin über unsere Fachschaftsleiterin bis hin zu „normalen“ Kollegen mit hilfreichen Tipps - aber den geschulten Fachblick von außen ersetzt dies trotzdem nicht. Hier gilt auch ein Prinzip aus der Wirtschaft: Hohe Qualität erreicht man auch durch Qualitätskontrolle.
Auch unsere Rollenanweisungen betrachten wir als verbesserungsfähig. Sie müssen wirklich exakt und anschaulich sein, denn z. T. fiel es den Jugendlichen doch schwer, über einen Zeitraum von z. B. 15 Minuten (z. B. beim Bus-Spiel, s. Projektplanung 2006) in einer Rolle entsprechend der Rollenanweisung zu agieren. Allerdings lag dies vielleicht auch daran, dass sie kaum Rollenspiele gewöhnt sind. Wesentlich ist die Fähigkeit, flexibel auf die Bedürfnisse und die aktuell favorisierte Thematik der Schüler zu reagieren, um ihre Motivation nicht „verpuffen“ zu lassen und kontroverse Diskussionen konstruktiv für das Thema zu nutzen. Mit einigen Abstrichen ist uns dies sicherlich gelungen. Trotzdem haben wir uns vorgenommen, zu dieser Thematik weiterhin Material zu sammeln, um im erforderlichen Falle etwas aus dem „Hut zaubern“ zu können. Positiv verbuchen konnten wir im gesamten Verlauf der Woche die fundierte Vorbereitung der Trainingswoche. Dies war sicherlich ein Erfolgsfaktor. Gleiches gilt - mit einer Ausnahme (Wertepfeil) - auch für die offenbar gelungene Auswahl der Übungen und Rollenspiele, mit denen wir den „Nerv der Auszubildenden getroffen“ hatten. Dies hatte die Auswertung zum Ende einer Trainingswoche ergeben (s. Foto Beispiel Schülerauswertung im Abschnitt 3.3; Projektplanung 2006).
- Positiv aufgenommen wurden die Gesprächsrunden (9+/1-). Hier waren wir als Moderatoren eher selbstkritisch und fanden sie gerade im Vergleich zu den Mitarbeitern des mbt im Vorjahr nicht so gut. Aber vielleicht liegt hier ja auch eine Verbesserung in unserem eigenen Gesprächsverhalten vor.
- Die Kissenschlacht (16 +) wurde durchweg positiv aufgenommen, ebenso „Klötzchen-Spiel“(14 +), „Raumeckenspiel“(6 +/1-) sowie „Zu seiner Meinung stehen“ (12+/1-)
- Als nicht so gut empfanden die Schüler erstaunlicherweise alle den Wertepfeil (14-), obwohl in diesem Zusammenhang die Beteiligung sehr gut war und die Diskussionen sehr heftig und kontrovers verliefen.
- Auch die Videoausschnitte (2+/7-) wurden als weniger positiv erlebt, ähnlich wie die theoretischen Informationen (2+/5-)
Fortbildung „Zivilcourage“
Die Teilnahme an der Fortbildung zu Zivilcourage war ein wirkliches Highlight, denn:
- Es gab eine gute Verbindung zwischen Theorie und Praxis.
- Es wurden viele praktische Übungen angeboten, die direkt auf die Arbeit mit Auszubildenden übertragbar waren.
- Es gab jeweils eine konkrete Aufgabenstellung für die Folgeveranstaltung.
- Die Materialien haben wir zur Verwendung an der eigenen Schule erhalten.
Alle beteiligten Kollegen waren und sind sich einig: Das war die mit Abstand beste und effektivste Weiterbildung, die wir bislang erleben durften - und die anstrengendste!
Fortbildungen für Kollegen der Schule
Da die Trainingswoche „Zivilcourage“ von den Schülern sehr gut aufgenommen wurde und auch Nachfragen aus dem Kollegenkreis kamen, haben Margitta Schmidt, Kathleen Supke und Dörte Taufmann im Rahmen der kollegialen Vorbereitungswoche für das Schuljahr 2005/06 eine Fortbildung für die Kollegen des Fachbereiches Allgemeinbildung durchgeführt. Diese Fachbereichsveranstaltung war verbindlich - wenn auch nur auf Wunsch einiger interessierter Kollegen. Es kamen einige skeptische Äußerungen über Sinn und Nutzen dieser Veranstaltung. Diese wurden noch lauter, als die Kollegen erfuhren, dass sie selbst tätig werden sollten. Neben der Vorstellung der Trainingswoche, der verwendeten Materialien und Medien setzten wir den Wertepfeil ein. Spätestens an dieser Stelle hatten wir (zumindest zu diesem Zeitpunkt) die Kollegen überzeugt.
Das Angebot, unsere Material- und Mediensammlung zu nutzen, wurde in den Monaten danach von vier Kollegen in Anspruch genommen. Es erfolgte eine zumindest stundenweise Umsetzung des Themas im Unterricht. Besonders in der Zeitspanne zwischen Zensurenschluss und Zeugnisübergabe war das Interesse der Kollegen groß. Sie sahen in dem Zivilcouragetraining eine Möglichkeit, die Auszubildenden auch noch für die verbleibenden Stunden zu motivieren und zugleich einen Anstoß für etwas zu geben, wozu im Rahmen der üblichen Vorbereitungen auf die zentralen oder schulischen Zwischen- und Abschlussprüfungen wenig Raum bleibt: gezielte Arbeit an Einstellungen, Angebote für Handlungsmöglichkeiten in Notsituationen und ein Auge schärfen für Situationen, die zivilcouragiertes Handeln erfordern.
Für die Vorbereitungswoche des Schuljahres 2006/07 werden wir erneut eine schulinterne Fortbildung zu dem Thema für alle interessierten Kollegen anbieten.