Der Demokratiekurs – ein curricularer Baustein der Demokratieerziehung (Berlin)
Zwischenbilanz
Welche Erfahrungen liegen bisher vor? Welche Folgen haben sich ergeben?
Seit dem Schuljahr 2003/04 befindet sich der Demokratiekurs nun im dritten Durchlauf.
Schulorganisatorische (Anfangs-)Schwierigkeiten
In den Schuljahren 2003/4 und 2004/05 erreichte der Kurs auf Grund organisatorischer Probleme keine optimale Teilnehmerzahl.
Von den anfänglich angemeldeten Schülern konnten auf Grund von stundenplantechnischen Überschneidungen des Demokratiekurses mit Pflicht-Grundkursen im ersten Jahr nur noch 5 Schüler, im zweiten Jahr nur noch 7 Schüler teilnehmen. Die Verankerung auf der regulären Planungsschiene für Grundkurse gelang erst zufrieden stellend mit dem Schuljahr 2005/06. Durch derartige Schwierigkeiten war vor allem der 7. Block – Durchführung von Planspielen – in Mitleidenschaft gezogen.
Denn die Planspiele setzen eine Mindestteilnehmerzahl voraus.
Die Projektphase nach dem Seminarkurs war ebenfalls davon beeinträchtigt, so dass aus dem ersten Demokratiekurs nur ein individuelles Projekt – eine Umfrage unter Schülern über ihre (Lern-) Erfahrungen an der KTO – hervorging. Die Projektgruppe aus dem zweiten Jahrgang realisiert im November 2005 eine Fortbildung zum Thema Rechtsextremismus, an der Lehrer/innen gemeinsam mit Schüler/inne/n teilnehmen werden.
In den Block „Kommunikation“ wurde ein professioneller Schauspieler eingebunden. Er veranstaltete zwei Workshops à 3 Unterrichtsstunden zum Thema „Körperarbeit und Ausdruck“. Die Workshops mit den dem Schauspieltraining entnommenen Methoden ließen die Schüler die Ziele dieses Blocks plastisch und eindrucksvoll erfahren. Sie sind aber auf Grund der Kosten nicht als Standard in diesem Block zu verankern. Hier wäre u. U. ein fächerübergreifendes Training mit dem Fach Darstellendes Spiel eine Lösung.
Rollenanforderungen
Die veränderte Lehrerrolle sowie die offene Unterrichtsform erforderte für Schüler/innen wie Lehrer/innen generell neue Denk- und Verhaltensmuster. Zu einer Veränderung von Rollenerwartungen und Rollenbildern haben ganz wesentlich auch veränderte Bewertungsformen beigetragen.
Von Schülerseite wurde einerseits mehr „Augenhöhe“ eingefordert.
Sie verstanden darunter eine umfassende Einbeziehung bei allen Planungsprozessen des Kurses. Andererseits erzeugte die offene Form von Unterricht und Unterrichtszielen Unsicherheit und den Wunsch nach mehr Führung. Diese wurde aber an anderer Stelle wieder in Frage gestellt.
Von Lehrerseite sehen wir darin einen Mangel in der Transparenz des Lernprozesses. Für den dritten Durchlauf (2005/06) werden wir daher einzelne Lernsequenzen bewusster machen und der sich daraus ergebenden Rollenanforderungen verstärkte Aufmerksamkeit widmen.
Verbesserung der Methodenkompetenz und Übertragung des Erlernten
Moderne Lehr- und Lernformen und die Orientierung an der sofortigen praktischen Umsetzung sorgten für größere Motivation auf Seiten der Lernenden und Lehrenden. Die Schüler/innen entwickelten viel Aktivität und Kreativität bei der Planung ihrer Arbeitsschritte. Diese waren mit einer klaren Zielorientierung verbunden. Während zu Beginn des ersten Kurses noch die gewohnt passive und aufnehmende Rolle der Schüler/innen bestand, stiegen mit der praktischen Umsetzung der Methoden das aktive Engagement und die Lebhaftigkeit der Teilnehmer/innen.
Die erlernten Kenntnisse über Moderation, Zeitplanung und Projektmanagement konnten die Schüler/innen sehr gut in ihrer Arbeit in den AGs der SV und auch für die persönliche Organisation ihrer Arbeit einsetzen. So kam es, dass die Teilnehmer/innen des Demokratiekurses viele Moderationen in den Versammlungen der SV übernahmen und auch Vorträge über diese Methoden hielten. Kursteilnehmer/innen sammelten die Ansichten der Mitschüler/innen während der Zukunftswerkstatt zu einer „Schule ihrer Träume“. Anschließend prüften sie diese Ideen unter den Aspekten ihrer zeitlichen und finanziellen Realisierbarkeit. Dieser Katalog wurde der SV zur Abstimmung vorgelegt. Hieraus entstanden Projektideen und die Jahresplanung der SV.
Des Weiteren berichteten die Teilnehmer/innen über teils erfolgreiche Versuche, Moderation und strukturelles Diskutieren im Mathematikunterricht umzusetzen. Das derzeitige Projekt (2005) - eine Fortbildung für Lehrer und Schüler – zeugt vom gestiegenen Selbstwertgefühl und von methodischer Sicherheit.
Kontextbedingungen an der Schule für Projektlernen und Mitgestaltungsmöglichkeiten bei der schulischen Projektwoche
Der Wunsch von Kursteilnehmer/inne/n Projektunterricht stärker in der Schule einzufordern wird dadurch eingeschränkt, dass zwei unterschiedliche Lernbegriffe aufeinandertreffen: Projektlernen als offene Lernform unter starker Einbeziehung der Schüler contra abfrage- und eher lehrerzentriertem traditionellen Lernen. Im Lehrerkollegium bedarf es aus unserer Sicht dringend einer Verständigung bezüglich neuer Formen in projektorientierten Lernverfahren und einer dementsprechend veränderten Lehrerrolle. Hier zeigt sich die Personalentwicklung als wichtiges neues Aufgabenfeld der Schulleitung: Von ihr sollten Fortbildung und Diskurs im Kollegium zum Lernbegriff organisiert werden.
Als ähnlich „konkurrierend“ zum Demokratiekurs erwiesen sich die unterschiedlichen Anforderungen. Während es im Demokratiekurs auf Selbständigkeit und Engagement ankommt, geht von traditionellen Hausarbeiten zur Vorbereitung von Klausuren und schriftlichen Leistungsnachweisen ein unmittelbar spürbarer Handlungsdruck für die Schüler/innen aus. Dies hat sich zeitweilig darin geäußert, dass Schüler/innen die „Freiheit“ selbstständigen Arbeitens nicht für den Demokratiekurses sondern für Arbeiten für ihre „Pflichtfächer“ nutzten.
Im ersten Durchlauf des Seminarkurses 2003/04 wurde von den Schülern nach dem Block „Zukunftswerkstatt“ gewünscht, Einfluss auf die inhaltliche Gestaltung der Projektwoche zu nehmen. Aus der positiven Erfahrung eines von den Schülern organisierten Projekttages zum Thema „8. Mai: Befreiung oder Kapitulation“ erhofften sich die Schüler ein ähnliches Erfolgserlebnis. Innerhalb des Demokratiekurses konnten dazu auch sinnvolle Ergebnisse erarbeitet werden. Allerdings überstieg die Logistik der geplanten Projekte die vorhandenen Kapazitäten des Koordinationsbüros der Projektwoche.
Ein Großteil der geplanten Projekte wurde zwar durchgeführt, aber der Lernerfolg (Umsetzung der Projektplanung) wurde dadurch beeinträchtigt, dass die Differenzen zwischen Projektplanung und Umsetzung der Projektwoche von den Schülern als Misserfolg erlebt wurden.
In den folgenden Durchläufen wurde daher eine Einbindung in die reale Planung der Projektwoche nicht mehr vorgesehen.
Schulprogrammarbeit
Die Praxis zeigt, dass das Schulprogramm für die Demokratisierung der KTO zwar Dreh- und Angelpunkt werden könnte. Doch tritt der noch eher abstrakt verstandene Prozess der Schulprogrammarbeit im Alltagsgeschäft des Schullebens oft in den Hintergrund.