Entwicklung und Einsatz eines curricularen Methodentrainings in den Klassenstufen 5 bis 7 (Freistaat Sachsen)
Voraussetzungen für die Einführung bzw. Durchführung
Welche Bedingungen wurden vor der Einführung geschaffen?
Initiiert durch die Schulleitung beschäftigten sich im Schuljahr 1997/98 engagierte Lehrer des Léon-Foucault-Gymnasiums Hoyerswerda mehrere Monate intensiv mit dem Thema Freiarbeit. Dabei wurden sie aktiv von Birgit Böhme, der damaligen Beratungslehrerin des benachbarten Konrad-Zuse-Gymnasiums, unterstützt. Durch die von ihr durchgeführte Fortbildung wuchs das Verständnis für diese Unterrichtsform. Die Schulleitung hatte gezielt Kollegen, besonders der Klassenstufe 5, angesprochen und war dabei auf Interesse gestoßen. Anregungen und weitere Erfahrungen zur Einführung der Freiarbeit holten sich die Lehrer bei einem Schulbesuch im Städtischen Goethe-Gymnasium Bischofswerda. Dort wurde bereits mit Erfolg Freiarbeit durchgeführt.
Parallel zur inhaltlichen Vorbereitung erfolgte die Schaffung geeigneter organisatorischer und räumlicher Rahmenbedingungen für die Einführung der Freiarbeit. Zur besseren Koordinierung wurde eine Fachkonferenz Freiarbeit gebildet, der die künftigen Klassenlehrer der 5. Klassen und weitere Lehrer angehörten, deren Interesse durch die Teilnahme an der Fortbildung und den Besuch im Städtischen Goethe-Gymnasium Bischofswerda geweckt worden war. Die neue Fachkonferenz nahm sich zum Ziel, alle notwendigen Voraussetzungen zur Einführung der Freiarbeit am Léon-Foucault-Gymnasium zu schaffen. So wurden zwei miteinander verbundene Unterrichtsräume als Freiarbeitszone eingerichtet. Dabei wurden drei räumliche Voraussetzungen umgesetzt:
- flexible Möblierung, um funktionsverschiedene Zonen zu schaffen
- genügend Wandfläche zum Aufhängen und Anheften von Bildmaterial
- genügend offene und verschließbare Stellflächen.
Eine Anordnung von Tischen und Bänken in Sitzgruppen ermöglichte unterschiedliche Sozialformen der Zusammenarbeit. Außerdem wurden die Räume in funktionsverschiedene Nischen zum Lesen, Arbeiten am PC, Handwerken und Ausruhen unterteilt.
Darüber hinaus erfolgte gemeinsam mit der Schulleitung eine Verständigung darüber, dass Freiarbeit künftig im Rahmen einer wöchentlichen Doppelstunde anstelle des in der Stundentafel vorgesehenen Förderunterrichts erfolgen soll.
Freiarbeitsmaterialien wurden unter Nutzung einschlägiger Verlage von den Mitgliedern der Fachkonferenz selbst angefertigt oder in die Verantwortung der einzelnen anderen Fachkonferenzen gegeben. Dafür wurden die Kollegen von der Schulleitung einzelne Tage vom Unterricht freigestellt, um sich intensiv mit der Erstellung von Materialien beschäftigen zu können.
Im Schuljahr 1998/99 wurde am Léon-Foucault-Gymnasium in der Klassenstufe 5 erstmalig Freiarbeit durchgeführt. Daran beteiligt waren alle sechs 5. Klassen, die wöchentlich eine Doppelstunde im Rahmen der Freiarbeit tätig waren. Diese Stunden fanden stets im eigens eingerichteten Freiarbeitsraum statt und wurden vom jeweiligen Klassenlehrer geleitet. In einem Fall arbeiteten der Klassenlehrer und die Fachlehrerin für Deutsch in einer Klasse während der Freiarbeit gemeinsam.
Die von den Schülern gelösten Aufgaben werden in einem für jede Klasse geschaffenen Ablagesystem gesammelt und am Ende der Doppelstunde vom Klassenleiter in die Fächer der einzelnen Fachlehrer im Lehrerzimmer verteilt. Nach erfolgter Kontrolle durch den Fachlehrer legt dieser die Arbeitsblätter, mit entsprechenden Bemerkungen versehen, in das Fach des Klassenleiters im Lehrerzimmer zurück.
Die Schüler kamen mit zum Teil recht unterschiedlichen Voraussetzungen zur Freiarbeit. An manchen Grundschulen wurde Freiarbeit bereits erfolgreich durchgeführt und war den Schülern bekannt. Das ergab die jeweils in der ersten Doppelstunde dazu durchgeführte mündliche Befragung der Schüler. Einige Schüler mussten erst mit der Thematik vertraut gemacht und an die Freiarbeit heran geführt werden.
Am Ende des ersten Jahres konnte festgestellt werden, dass die Einführung der Freiarbeit insgesamt gelungen war. Das ergab eine Befragung aller Schüler der 5. Klasse in Form eines Fragebogens zur Freiarbeit. Diesen Fragebogen erarbeitete die inzwischen am Léon-Foucault-Gymnasium tätige Beratungslehrerin Birgit Böhme (s. Fragebogen Freiarbeit am Ende der 5. Klasse, Schülerbeobachtungsbogen für die Freiarbeit).
Probleme taten sich vor allem während der Weiterführung der Freiarbeit in Klasse 6 auf. Die Arbeitsweise der Schüler in der Freiarbeit war recht unterschiedlich: das Spektrum reichte von einem nutzlosen Vertrödeln der Zeit, über das mehr oder minder intensive Ausfüllen von Arbeitsblättern bis hin zu längerer, vertiefter Arbeit an einem selbst gewählten Thema. Im Wesentlichen erfolgte die Arbeit jedoch häufig planlos, oft unter Druck des Klassenlehrers. Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht klar, dass eine Ursache dafür in den nicht ausgeprägten Lern- und Arbeitstechniken der Schüler zu finden sein wird.
Zunächst wurde versucht, dem Problem durch die Erhöhung des Anteils der Pflichtaufgaben gegenüber den Wahlaufgaben zu begegnen. Um Erfahrungen zu sammeln, wie man das gestalten kann, besuchten vier Lehrerinnen im März 2000 die Jena-Plan-Schule in Lübbenau (Brandenburg), bei der das Prinzip Freies Arbeiten die ganze Schule durchdringt. Von dort wurde die Anregung mitgenommen, die Schüler nach Themenplänen arbeiten zu lassen. Diese sind fachübergreifend aufgebaut und enthalten Pflicht- und Wahlpflichtaufgaben. Im Schuljahr 2000/2001 arbeiteten die Schüler der Klassenstufe 7 erstmals nach solchen Plänen, die von Lehrern des Gymnasiums erstellt wurden.
Die Arbeit der Schüler an den Themenplänen machte verstärkt deutlich, dass bestimmte Lern- und Arbeitstechniken nicht genügend ausgeprägt waren. Im Mai 2001 wurden während einer Beratung der Fachkonferenz Freiarbeit erstmals Überlegungen laut, dass der Beginn der Freiarbeit in Klasse 5 so gestaltet werden sollte, dass alle Schüler zuerst Methoden trainieren. Die Fachkonferenzleiterin überarbeitete in den folgenden Wochen deshalb die Konzeption zur Freiarbeit, die nach eingehender Diskussion unter Einbeziehung der Schulleitung auf der ersten Fachkonferenzsitzung des Schuljahres 2001/2002 im August 2001 von der Fachkonferenz angenommen wurde. Diese Konzeption sah vor, dass die Schüler der Klassenstufe 5 zu Beginn der Freiarbeit zunächst Arbeitstechniken lernen und einüben, ohne dass schon konkrete Maßnahmen festgelegt wurden.
Ab Oktober 2001 arbeitete die Fachkonferenz verstärkt an der Umsetzung der Konzeption und traf erste Festlegungen. Sehr hilfreich war eine in allen 5. bis 7. Klassen durchgeführte Evaluation zu Lern- und Arbeitstechniken. Den entsprechenden Fragebogen für Schüler erstellte die Fachkonferenz in Anlehnung an einen Fragebogen von Heinz Klippert. Die Schüler sollten einschätzen, welche im Schulalltag an sie gestellten Anforderungen zu erfüllen ihnen eher leicht und welche eher schwer fallen (s. Fragebogen Selbsteinschätzung Methodenkompetenz). Dabei kristallisierten sich bestimmte Lern- und Arbeitstechniken heraus, die ihnen besonders schwer fielen. Im Ergebnis der Evaluation beschloss die Fachkonferenz in Abstimmung mit der Schulleitung die Bildung einer Arbeitsgruppe Methodenlernen innerhalb der Fachkonferenz. Hauptaufgabe dieser Arbeitsgruppe war die Entwicklung einer inhaltlichen und organisatorischen Konzeption für das Methodenlernen.
Diese Konzeption wurde im Juli 2002 der Schulleitung vorgestellt und sah zunächst eine schulinterne Fortbildung für alle Klassenlehrer der 5. und 6. Klasse vor, die danach in ihren Klassen mit dem Methodentraining beginnen würden. Parallel dazu erarbeitete die Arbeitsgruppe Methodenlernen erste Bausteine für ein curricular aufgebautes Methodentraining für Schüler: den so genannten Methodenlehrplan.
Von Januar bis April 2003 wurden in den 5. und 6. Klassen im Rahmen der wöchentlichen Doppelstunde Freiarbeit erstmals die Fortbildungsinhalte der zuvor durchgeführten SCHILF umgesetzt. Alle Schüler der 5. und 6. Klassen wurden nach dieser Testphase in Bezug auf zwölf unterschiedliche Lern- und Arbeitstechniken befragt, ob diese zu leisten ihnen eher schwer oder leicht fallen. Jeder Klassenlehrer analysierte Defizite und Handlungsansätze für seine Klasse und verglich die Ergebnisse seiner Klasse mit den Ergebnissen der anderen Klassen. Trotz einiger Unterschiede zwischen den Klassen ähnelten sich die Defizite. Das betraf das regelmäßige Üben und Wiederholen, das längerfristige Behalten von Lernstoff, die Fähigkeiten, sich lange konzentrieren und aus Texten das Wichtigste herausfinden zu können. Erste Erfolge zeigten sich darin, dass es den meisten Schülern eher leicht fiel, sich auf eine Klassenarbeit vorzubereiten.
Das Ausprobieren verschiedener Bausteine in den 5. und 6. Klassen innerhalb dieser Testphase diente der Vorbereitung der Dokumentierung des letztendlich geplanten Methodencurriculums. Am Ende des Schuljahres 2002/2003 war das Methodencurriculum für die Klassenstufe 5 fertig gestellt.
Im Schuljahr 2003/2004 begann am 26.02.2004 die konkrete Umsetzung des Methodencurriculums für die Klassenstufe 5 mit einem Projekttag „Nachdenken über Lernen“.
Bei der Suche nach geeigneten Unterstützungssystemen machte die Schulleitung auf eine im Juni 2002 im Amtsblatt des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus veröffentlichte Ausschreibung zur Bewerbung als Programmschule im BLK-Programm „Demokratie lernen & leben“ aufmerksam. Gesucht wurden Schulen, die demokratische Kooperationsformen im Unterricht entwickeln und leben wollen. Entsprechende Projekte würden intensiv begleitet werden. Nachdem diese Bewerbung erfolgreich war, wurde im April 2003 ein Kontrakt zwischen der Schule und der Projektleitung des sächsischen Programmelements „Schulleben und Unterricht demokratisch gestalten“ (SUD) geschlossen.
Das Léon-Foucault-Gymnasium startete seine Mitarbeit im BLK-Programm sowohl im Modul Unterricht als auch im Modul Partizipation. Während im Modul Partizipation die Förderung der Arbeit der Streitschlichter und des Schülerrates im Mittelpunkt stand, ging es im Modul Unterricht vor allem um die Erhöhung der Selbstständigkeit beim Lernen.
Durch das BLK-Programm DLL erhielten wir, unterstützt durch die Bereitstellung von Sachmitteln, die Möglichkeit, mit zahlreichen Außenpartnern erfolgreich zusammen zu arbeiten und an Fortbildungen teilzunehmen. Darüber hinaus konnten wir in Erfahrungsaustausch mit anderen Schulen treten.
Im Rahmen der Teilnahme des Gymnasiums am BLK-Modellversuch SUD war im März 2003 ein Schulteam gebildet worden. In dieses Team wurden die bisherigen Mitglieder der Arbeitsgruppe Methodenlernen der Fachkonferenz Freiarbeit aufgenommen. In der Projektplanskizze fand die Fertigstellung des Methodencurriculums für die Klassenstufen 6 und 7 Aufnahme.
Weitere Unterstützung bot der zu Beginn des Schuljahres 2003/2004 vom Regionalschulamt Bautzen initiierte Arbeitskreis Freiarbeit. Ziel war die Forcierung des Prozesses der Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung der Arbeit an den Schulen. Es sollte eine Plattform zum Erfahrungsaustausch und zur Weitergabe von Erfahrungen geschaffen werden. Neben dem Léon-Foucault-Gymnasium Hoyerswerda waren noch sechs weitere Gymnasien aus dem Regionalschulamtsbereich Bautzen Mitglied im Arbeitskreis Freiarbeit. Der Arbeitskreis wurde von allen teilnehmenden Gymnasien getragen. Die Veranstaltungen fanden bis Frühjahr 2005 wechselseitig an den einzelnen Gymnasien statt. Es handelte sich hierbei jeweils um thematische Konferenzen, deren Arbeitsergebnisse dokumentiert wurden. Deutlich wurde, dass in ausnahmslos allen beteiligten Gymnasien die Erkenntnis gereift war, dass Freiarbeit unbedingt mit Methodenlernen zu verbinden ist.