Modelle zur Veränderung der Lernkultur (Berlin)
Durchführung bzw. Ablauf (inkl. Verantwortlichkeiten)
Welche Schritte kennzeichnen die Durchführung?
Im Jahr 2000 wurde auf einem Studientag die 1. große Zukunftswerkstatt der Lehrer/innen und Erzieher/innen unter dem Motto „Was soll sich an der Schule verändern?“ durchgeführt. Aus dieser Veranstaltung heraus bildeten sich 3 thematische Arbeitsgruppen, in die alle Lehrkräfte und Erzieher/innen eingebunden waren:
- AG „Umstrukturierung und Ausgestaltung der Schulräume für Unterricht und Freizeitangebote“
- AG „Inhaltliche Angebote für die Freizeitgestaltung“
- AG „Konzepte für eine neue Schulanfangsphase“ (diese AG griff damit bereits diesbezügliche Reformansprüche auf, die in Berlin und vielen Bundesländern in der Diskussion waren)
In allen AGs wurden zwischen 2000 und 2003 Konzepte entwickelt und schriftlich fixiert. Sie wurden in Lehrerkonferenzen, Eltern- und Schülerversammlungen vorgestellt und diskutiert.
Parallel dazu wurden im Jahr 2000 in den 4. Klassen die ersten Zukunftswerkstätten der Schüler/innen unter Anleitung von Student/inne/n der Grundschulwerkstatt der Humboldt-Universität durchgeführt. Danach wurden Zukunftswerkstätten zum jährlichen Ritual für alle Klassen ab Jahrgangsstufe 3 (Schülerprotokolle von Sitzungen der Zukunftswerkstatt einer 4. Klasse). Diese Bewegung gipfelte am 27. 6. 2003, am von der GEW Berlin ausgerufenen „Tag der Bildung“, in parallel durchgeführten Zukunftswerkstätten in allen Klassen der Schule unter dem gemeinsamen Thema „Wir verändern unsere Schule selbst“.
In den Werkstätten entstanden im Laufe der Zeit differenzierte Wünsche und Vorschläge zur Konkretisierung der Leitbilder und allgemeinen Zielsetzungen:
- Neuanstriche aller Räume und Flure der Schule (farbig und freundlich!)
- Hygieneorientierte Renovierung der WCs
- Völlige Umgestaltung des Schulhofs
- Qualitative Verbesserung des Mittagessens („Das Essen soll besser schmecken!“)
- Neue Rhythmisierung des Schultags in Abwechslung von Unterricht und Freizeit
- Erhöhte Sauberkeit der Schule und sinnvolle Müllentsorgung
- Entwicklung von Patenschaften zwischen Klassenstufen zur Förderung gegenseitiger Verantwortung; 1. Modell: 3. Klassen sind verantwortlich für die Pausenbetreuung der 1. Klassen sowie für Unterstützung beim Sportunterricht (Parallelsteckung im Stundenplan)
Die durch die Lehrer/innen und Erzieher/innen gebildeten Arbeitsgemeinschaften (s.o.) wurden deshalb durch folgende AGs ergänzt, an denen auch Schüler/innen beteiligt sind:
- AG „Essensversorgung“
- AG „Schulhofgestaltung“
- AG „Schulrenovierung“
- AG „Lernwerkstatt und Unterrichtsentwicklung“
Im Folgenden werden die zwei Großprojekte der Schule – Aufbau einer Lernwerkstatt und Umgestaltung des Schulhofes – in ihrer Entwicklung dargestellt.
Aufbau einer Lernwerkstatt als Vorbild für neue Lernformen und die Veränderung des Unterrichts
In Deutschland gibt es seit mehr als 20 Jahren Lernwerkstätten, die als neue Lernorte für Kinder und ebenso für Lehrer/innen in Ausbildung und Fortbildung an Schulen und an Universitäten eingerichtet wurden. Lernwerkstätten sind mit inspirierenden Materialien ausgestattet, die zum Fragen, Experimentieren und forschenden Lernen anregen. Sie bieten durch diese vorbereitete Lernumgebung vielfältige Gelegenheiten für die Schüler/innen, durch handelnden Umgang individuelle Zugänge zu für sie bedeutsame Lerngegenstände zu finden. Projektorientiertes Arbeiten oder Stationslernen können in und durch Unterstützung von Lernwerkstätten besonders effektiv erfolgen. Lehrer/innen und Schüler/innen erfahren hier Veränderungen in ihren Rollen: Schüler/innen arbeiten mehr selbstbestimmt und eigenverantwortlich und lernen, ihr eigenes Lernen zu beobachten; Lehrer/innen werden zu Beratern und „Lernbegleitern“.
Angeregt durch ihre erste Zukunftswerkstatt 2000 und durch Beratungen von Dr. Wedekind von der Lernwerkstatt der Humboldt-Universität (HU) Berlin, von FIPP e.V. und im BLK-Programm „Demokratie lernen und leben“ entstand für die Lehrer- und Erzieher/innen der Wilhelm-Busch-Grundschule das Ziel, Lernwerkstatt-Arbeit für ihre Schule zu entwickeln und dieses Konzept in der AG „Lernwerkstatt und Unterrichtsentwicklung“ (s.o.) auszuarbeiten. Mut machende Erfahrungen lieferten verschiedene Hospitationsreisen in Schulen mit Lernwerkstätten innerhalb Berlins, nach Kassel in die Lernwerkstatt der Universität und in die Hauptschule St. Peter in Au in Österreich. Wichtig war die kontinuierliche Beratung durch Dr. Wedekind. Ebenso förderlich ist die Etablierung eines Beratungsnetzwerks zwischen den Schulen des Berliner BLK-Programms „Demokratie lernen und leben“, die Lernwerkstätten aufbauen. Prinzip des Wilhelm-Busch-Schulkonzepts war, die Arbeit in der Lernwerkstatt inhaltlich wie organisatorisch mit dem Unterricht in den Klassenverbänden zu verknüpfen und außerdem in der Entwicklung einer neuen Rhythmisierung des Schultags durch die Lernwerkstatt eine Klammer zwischen Unterricht und Freizeit zu etablieren. Das bedeutete auch eine intensivierte Zusammenarbeit zwischen Lehrer/inne/n und Erzieher/inne/n.
Mit den Planungen für die Lernwerkstatt startete die Schule im Jahr 2000, die konkrete Umsetzung konnte 2004 beginnen.
Die seit Jahren leer stehende Hausmeisterwohnung im Schulgebäude der Wilhelm-Busch-Grundschule wurde mit den für schulische Umbauten vorgesehenen IZBB-Mitteln des Ganztagsschulprogramms als Lernwerkstatt umgebaut. Eine glückliche Raumbedingung für die Schule.
Für die Materialausstattung der Werkstatt wurden der Wettbewerbspreis von 5.000,00 € der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung („Jugend forscht“) sowie sämtliche für die Schule zur Verfügung stehenden Sachmittel des BLK-Programms „Demokratie lernen und leben“ verwendet (jährlich 500,00 €).
Die Lernwerkstatt wird von einer Erzieherin geleitet; sie kooperiert mit einer Lehrerin, die für den Unterrichtsbereich die inhaltliche und organisatorische Koordination im Kollegium leistet. So ist gewährleistet, dass curriculare Anforderungen in Programmplanung und Angeboten berücksichtigt werden und die Verbindung von Unterricht und Freizeit gesichert wird.
Zur Zeit sind alle 1. – 4. Klassen konsequent mit zwei Wochenstunden in die Arbeit in der Lernwerkstatt eingebunden; die 5. und 6. Klassen partizipieren bisher noch sporadisch im Zusammenhang mit fachlichen Projektthemen – ihre feste Einbindung wird im Rahmen der ausgebauten Ganztagsschule erfolgen.
Die Lernwerkstatt bietet jeden Monat ein Schwerpunktthema an, dass von den beiden verantwortlichen Pädagoginnen unter Berücksichtigung von Rahmenplananforderungen und fächerübergreifenden Projektplanungen der Jahrgangsstufen formuliert wird (Jahres-Themenplan): Jahresübersicht Lernwerkstatt
Für die Klassen 1 – 3 finden jährlich 2 Projektwochen statt, für die Klassen 4 – 6 mehrfach jährlich fächerübergreifende Projekttage (orientiert am Jahres-Themenplan oder ergänzend dazu). Während der im Stundenplan fixierten zwei Wochenstunden Lernwerkstattarbeit arbeitet jeweils die Hälfte der Klasse experimentierend unter Beratung der Erzieherin in der Werkstatt, während die Lehrerin die andere Klassenhälfte im Klassenraum bei vorbereitenden, theoretisierenden oder auswertenden Arbeiten zum Thema betreut. Die Arbeiten der Kinder werden an ihren Fragen zu dem jeweiligen Thema orientiert. Die Themen sollen über die zwei im Stundenplan fixierten Lernwerkstatt-Stunden hinaus in der Klasse bearbeitet werden, was insbesondere durch den fächerübergreifenden Ansatz gewährleistet wird.
In ihren Freizeitstunden (vormittags wie nachmittags) können die Kinder spontan in der Werkstatt an ihrem jeweiligen Thema weiterarbeiten oder sich mit anderen Angeboten befassen (Verzahnung von Unterricht- und Freizeitbereich). Diese Möglichkeit wird von den Kindern der Schule immer mehr wahrgenommen und es entstehen dabei oft anregende Lernerfahrungen durch das gegenseitige Beobachten oder „Mitmachen“, auch zwischen den verschiedenen Altersstufen.
Über alle Lernwerkstattarbeiten muss von den Schüler/inne/n ein „Lernwerkstattbuch“ (Portfolio) geführt werden. Es enthält Protokolle, Arbeitsblätter, Zeichnungen u.a. Materialien des Kindes. Die Protokolle orientieren sich an den Fragen: Was hast du heute gemacht? Wie ging es dir dabei? Was hast du herausbekommen?
Leitende Erzieherin und Lehrerin arbeiten zur Zeit an Modellrastern für diese Protokolle und an Hilfen für die Schüler/innen, in den verschiedenen Jahrgangsstufen das Protokollführen zu erlernen (Protokoll Lernwerkstatt zur Themeneinheit „Was Luft alles kann“).
Am Ende jedes bearbeiteten Themas/Projekts steht eine Präsentation und Auswertung in der Klasse als „Feedback“ und die Schüler/innen erhalten ein Zertifikat für ihre erfolgreiche Arbeit. Zum Schuljahrsende findet ein kleines Ausstellungs-Fest mit einzelnen Präsentationen aus den verschiedenen Klassen in der Werkstatt statt und auch bei dem jährlich durchgeführten „Tag der Offenen Tür“ der Wilhelm-Busch-Grundschule berichten die Kinder aus ihrer Werkstattarbeit.
Alle diese Verfahren sind in der Erprobung und sollen aus den Erfahrungen heraus flexibel weiterentwickelt werden.
Für Lehrer/innen und Schüler/innen ist bereits ein verändertes Arbeitsverhalten und eine Änderung der Unterrichtsformen erkennbar – hin zu mehr experimentierendem, forschendem und selbstorganisiertem Lernen und einer mehr begleitenden Beratertätigkeit der Lehrer/innen. Dies impliziert auch eine intensivierte Planung und Beratung in den Lehrerteams der Klassen und zwischen den Jahrgängen. Das fächerübergreifende Arbeiten hat zu verstärkter Bündelung der Lernbereiche in den Klassen 1 - 4 geführt (kleine Lehrerteams pro Klasse, Zeitblöcke statt 45-Minuten-Wechsel) und wird als Ziel für die Klassen 5 und 6 in Verknüpfung der Fächer, personell wie zeitstrukturell, verfolgt. Die Lernwerkstatt soll künftig auch für schulinterne Fortbildung genutzt werden.
Umgestaltung des Schulgeländes
Während das Projekt „Lernwerkstatt und Unterrichtsveränderung“ wesentlich durch Initiative der Lehrer- und Erzieher/innen entstand, ging der Wunsch nach einer Schulhofumgestaltung von den Schüler/innen aus. Die AG „Schulhofgestaltung“ entwarf ein Konzept, nach dem das Gelände folgende Angebotsbereiche enthalten soll(te):
- einen Wasserspielplatz mit „Matschecke“,
- eine dorthin führende „Wilhelm-Busch-Brücke“ („Ritze-ratze voller Tücke in die Brücke eine Lücke!“)
- mehrere Buddelkästen
- verschieden anspruchsvolle Klettermöglichkeiten
- ein „Labyrinth für alle Sinne“ mit Rätselaufgaben, an seinem Ende ein
- „Wilhelm-Busch-Turm“ als erhöhter „Ausguck“, mit Wilhelm-Busch-Figuren geschmückt, in seiner Spitze soll sich die Antwort auf ein jeweiliges „Rätsel des Monats“ befinden
- geschützte und „versteckte“ Sitzecken
- sinnvolle Bepflanzungen durch Baumecken
- einen Kräutergarten
Aus IZBB-Mitteln für die Entwicklung von Ganztagsgrundschulen standen der Wilhelm-Busch-Grundschule für die Umgestaltung ihres Schulgeländes rund 93.000,00 € zur Verfügung. In den seit 2005 stattfindenden Planungstreffen zwischen Schule (Lehrer/innen, Erzieher/innen, Schüler/innen und Eltern der AG „Schulhofgestaltung“ sowie der Schulleitung), Vertretern des Schulträgers und der Architektin der zuständigen Abteilung der Bezirksbehörde tauchten unerwartete Konflikte auf. Die Behördenvertreter hatten eigene Vorstellungen sowohl für die zu gestaltende Fläche als auch für die Gestaltungen selbst. Die Wünsche und Planungen der Kinder (Ideenliste, Zeichnungen, Modellarbeiten) entsprachen diesen weitgehend nicht.
Die Partizipation von Schüler/inne/n, Eltern und den pädagogischen Mitarbeiter/inne/n der Schule war für die Behörde nicht nur ungewohnt, sondern schien auch unerwünscht zu sein. Diplomatische Unterstützung der Schülerwünsche leistete der Vertreter von „Grün macht Schule“, so dass wenigstens einige Vorschläge der Kinder in die Pläne der verantwortlichen Architektin einbezogen wurden.
Das meiste Geld verschwand bei der Entsiegelung des alten Betonbodens des Schulhofes und einer neuen mosaikartigen Bepflasterung (immerhin mit den gewünschten Wilhelm-Busch-Figuren Max, Moritz und Lehrer Lempel). In der Betriebsstille der Osterferien 2006 konnte ungehindert gebaut werden und so wurde die Schulgemeinschaft nach den Ferien mit einigen Fertigstellungen nach den Plänen der Bezirksbehörde überrascht. Immerhin gehörten der gewünschte Wasser-Matsch-Spielplatz sowie die „Wilhelm-Busch-Brücke“ mit Säge und symbolischem Ritz dazu, für deren Herstellung die Schule die 2005 in einem Schulhofwettbewerb der Campina GmbH & Co. KG (Schulmilchanbieter in Berlin-Brandenburg) gewonnenen 3.000,00 € zur Verfügung gestellt hatte.
In Folge ihrer zunehmend selbstorganisierten und kooperativen Arbeit in den Zukunftswerkstätten, den schulischen Gremien und Schülerversammlungen und in der AG „Schulhofgestaltung“ kämpften insbesondere die Kinder hartnäckig weiter für ihr Schulhof-Gesamtkonzept. Über die Vermittlung eines ihrer außerschulischen Unterstützer kam die Schule in Kontakt mit einem freien Architekten, der sie bei der weiteren Planung und Umsetzung des Konzeptes auf den verbleibenden ungestalteten Schulhofflächen beraten hatte. Innerhalb weniger Tage bauten Schüler/innen, Lehrer- und Erzieher/innen gemeinsam mit „Grün macht Schule“ nach den Osterferien 2006 die Labyrinthanlage aus frischen Weidentrieben auf.
Die offensichtlich beeindruckende Erfahrung, wie konsequent hier Kinder, Lehrer- und Erzieher/innen ihre Ziele verfolgten und für ihr Konzept kämpften und auch die „Konkurrenz“ durch den weiteren Architekten führte zu einer zunehmenden Offenheit der behördlichen Architektin für eine weitere Zusammenarbeit. Die noch ausstehenden Erweiterungen des auszubauenden Schulhofes und seiner Gestaltungen nach den Wünschen der Schule wurden inzwischen von ihr übernommen. Die Finanzierung dieser Maßnahmen erfolgt über die von der Schule erwirkten Preisgelder und Sponsorenmittel:
- EU-Projekt „Lokales Kapital für soziale Zwecke“ (Förderung von Mikroprojekten) → 5.000,00 €
- Berliner Senatsprojekt „Vom Schulhof zum Spielhof“ (organisiert über „GRÜN macht Schule“) → 3.000,00 €
- „Aktion Mensch“, Bundesweite Initiative der deutschen Behindertenhilfe zur Förderung von Integrations- und Beschäftigungsprojekten → 5.000,00 €
Nach wie vor schreiben Schüler/innen Bittbriefe an mögliche Sponsoren.
Gerade bei der Gestaltung des Schulgeländes arbeiteten die Eltern sehr konkret mit: Bauen des Weidenlabyrinths, Materialtransport wie z.B. Findlinge und Baustämme aus Berliner Forsten (nach Genehmigungen durch die zuständigen Ämter!).
Entwicklung einer Schule für den ganzen Tag (gebundene Ganztagsgrundschule)
Ihr Ziel, die Schule zu einem vielfältig anregenden ganztägigen Lernort für die Schüler/innen und einem kulturellen Mittelpunkt für Kinder und Eltern des Wohngebiets zu machen, sieht das Kollegium der Wilhelm-Busch-Grundschule durch die beiden beschriebenen großen Projekte, ergänzt durch Veranstaltungen und Feste, bei denen diese Projekte dargestellt und für ihre weitere Unterstützung geworben wird, in großen Teilen bereits realisiert.
Um Unterricht und Freizeit in den verschiedenen Lern- und Aktivitätsformen zu verzahnen, hat die Schule bisher ein erstes Organisationsmodell für die 1. Klassen des Schuljahrs 2005/06 entwickelt (Rhythmisierungsplan für den 1. Jahrgang). An der Verbesserung des Modells und seines Ausbaus für weitere Klassenstufen ab Schuljahr 2006/07 wird zur Zeit gearbeitet.