Modelle zur Veränderung der Lernkultur (Berlin)
Kontext, Begründungen, Ziele
Warum und vor welchem Hintergrund ist der Baustein eingeführt worden?
Die Wilhelm-Busch-Grundschule ist in einem Gebäude untergebracht, das in den 80er Jahren im Plattenbaustil wie die umgebenden Wohnsilos am Nordostrand Berlins im Bezirk Marzahn erbaut wurde. Zu DDR-Zeiten war Marzahn ein durchaus attraktives Wohngebiet für Familien mit kleinen Kindern, mit vielen Schulen und Horteinrichtungen. Nach der „Wende“ 1989 wurden viele Einrichtungen für Jugendliche abgebaut und Schulen in Folge demografischer Entwicklungen aufgelöst. Nur Horteinrichtungen in Grundschulen für Kinder von Klasse 1 bis 4 (in Berlin umfasst die Grundschule Klasse 1 bis 6) konnten erhalten werden; Kinder ab Klasse 5 aber blieben unversorgt.
Das Wohngebiet der Wilhelm-Busch-Grundschule bietet Kindern kaum Anregungen für ihre Entwicklung und ist im Berliner „Sozialatlas“ als sozialer Brennpunkt ausgewiesen. In dieser Gegend gibt es nur einige kleine und wenig abwechslungsreiche Spielplätze, kaum Grünanlagen für freies Spiel, keine Sportanlagen oder Jugendfreizeiteinrichtungen mit attraktiven Bildungsangeboten. Es gibt einige Supermarktläden und darüber hinaus keinerlei gewachsene Infrastruktur. Die Arbeitslosigkeit nimmt hier stetig zu. Ca. 50 % der Grundschüler/innen leben mit ihren Familien in Sozialhilfeabhängigkeit. Der Anteil von Familien nichtdeutscher Herkunft ist noch relativ niedrig (ca.18 %), jedoch wächst der Anteil, da diese Familien nachziehen, wo deutsche Familien den Bezirk verlassen. Auch diese Migranten-Familien kommen überwiegend aus einer sozial schwachen und bildungsfernen Schicht.
In der Wilhelm-Busch-Grundschule werden zur Zeit 18 Schüler/innen mit Behinderungen zielgleich und zieldifferent integriert (Behinderungen in den Bereichen Lernen, geistige Entwicklung und sozial-emotionale Entwicklung). Der Anteil der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf liegt also bei 6 %.
Die Situation der Wilhelm-Busch-Grundschule wurde noch dadurch erschwert, dass nach der Wende nicht nur die strukturelle Veränderung von der 10klassigen Polytechnischen Oberschule (POS) in eine 6jährige Grundschule verkraftet werden musste, sondern dass wegen des Rückgangs der Schülerzahlen noch zweimal Schulzusammenlegungen erfolgten. Zwei Schulen wurden aufgelöst und ihre Schüler/innen und zum Teil Lehrer/innen und Erzieher/innen wurden der Wilhelm-Busch-Grundschule als einziger verbleibender Grundschule des großen Wohngebietes zugewiesen. Schüler/innen und Lehrer/innen mussten also mehrfach Wechsel in der Zusammensetzung der Lerngruppen und der Kollegien/des Kollegiums verarbeiten.
Mit Blick auf die zunehmend schwierige Lebenssituation der meisten Schüler/innen entstand Ende der 90er Jahre im Kollegium die Überzeugung, dass die Wilhelm-Busch-Grundschule als stabiler sozialer Bezugs- und Lebensort für die Kinder ausgebaut, zu einem „Haus des Lernens und Lebens“ mit ganztägiger Betreuung und einem kulturellen Zentrum im Wohngebiet entwickelt werden müsse.
In mehreren „Zukunftswerkstätten“, die seit 2000 von bzw. mit dem Lehrerkollegium, den Schüler/inne/n und der Teilnahme einzelner Eltern durchgeführt wurden, entstanden folgende Leitbilder für die Schulentwicklung:
Ziele der Lehrer/innen und Erzieher/innen
- In der Schule sollen sich alle Kinder wohlfühlen können; eine freundliche Atmosphäre, Verantwortungsgefühl füreinander und friedliche Umgangsformen, aktive Toleranz im gemeinsamen Mit- und Voneinanderlernen mit behinderten Mitschüler/inne/n, eine gepflegte Ausgestaltung der Räume und die Orientierung an humanistischen Werten sollen das Schulleben bestimmen.
- ALLE Kinder sollen „von der Straße“ weg- und aus oft trostlosen Nachmittagen herausgeholt werden und in einer ganztägigen Schule Bildungsangebote und Freizeitanregungen erhalten. Dabei spielt der Ausbau des musisch-ästhetischen Profils der Schule eine wesentliche Rolle.
- Der Unterricht soll durch neue Lernformen den Kindern mehr selbstorganisiertes und entdeckendes Lernen ermöglichen. Hierfür soll eine Lernwerkstatt aufgebaut werden.
- Unterstützung und Förderung der Partizipation der Schüler/innen bei Unterrichts- und Schulentwicklung muss Grundprinzip der neuen demokratischen Schulkultur werden.
Ziele der Schüler/innen
- In der Schule soll auch etwas anderes geschehen als nur Unterricht!
- Im Unterrichtstag soll es „bunte Freistunden“ geben.
- Der Schulhof soll so umgestaltet werden, dass er „echte Pausen“, den unterschiedlichen Bedürfnissen der verschiedenen Altersgruppen entsprechend, ermöglicht.