Soziales Lernen als Unterrichtsfach im Rahmen eines präventiven Gesamtkonzeptes (Hessen)
Kontext, Begründungen, Ziele
Warum und vor welchem Hintergrund ist der Baustein eingeführt worden?
Im Einzugsbereich der Gutenbergschule (GUT), einer Kooperativen Gesamtschule mit den drei Schulzweigen Haupt-, Realschule und Gymnasium ab der Klassenstufe 5 in Darmstadt, liegt ein sozialer Brennpunkt (Süd 3). In einem großen Teil der Familien in Süd 3 sind die Kinder die einzigen, die einer „geregelten Beschäftigung“, dem Schulbesuch, nachgehen. Sie sind häufig völlig auf sich allein gestellt, müssen allein aufstehen, sich ihr Frühstück selbst zubereiten, wenn überhaupt etwas zu essen im Haus ist. Noch vor der Schule versorgen ältere Geschwister die jüngeren, bringen sie dann in den Kindergarten oder in die Grundschule. Spannungen, die bei einigen aus ihrem Migrationshintergrund resultieren, werden nicht aufgefangen. Von ihren Eltern oder durch ihr Umfeld erhalten sie wenig Anerkennung. Viele dieser Kinder und Jugendlichen verfügen über besonders geringes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen. Auch waren ihre Schulleistungen schlecht. Wir machten häufig die Erfahrung, dass sie nicht in der Lage waren, ihre Bedürfnisse, Gefühle und Probleme angemessen auszudrücken. Die „Sprachlosigkeit“ und die problematische Lebenssituation unserer SchülerInnen spiegelte sich in extremer Weise auch im schulischen Leben wider. Sie griffen zu körperlichen Auseinandersetzungen, Beschimpfungen und Abwertungen. Auch kam es innerhalb und auch außerhalb der Schule zu massiven Zerstörungen und Sachbeschädigungen.
Ende der 90er Jahre gab es im Schulalltag immer wieder heftige Konflikte und Disziplinprobleme, die von den Klassenleitungen kaum noch unter Kontrolle zu halten waren und die das Unterrichten in manchen Lerngruppen kaum noch möglich machten. Immer wieder fühlten sich KollegInnen in den Klassen überfordert, sie fanden keine Möglichkeit, an diese Kinder heranzukommen und mit ihnen zu arbeiten.
Unsere Suche nach Lösungen und die Teilnahme an Fortbildungen führten uns zu der entscheidenden Überlegung, ein Präventivmodell speziell für unsere SchülerInnen zu entwickeln. Die zunehmenden Konflikte an unserer Schule sollten durch eine andere Form des Umgangs und des Miteinanders gelöst werden. Kinder und Jugendliche sollten sich aufgehoben und wohl an der Schule fühlen.
Im Jahr 2001, als alle SchülerInnen noch in einer Förderstufe gemeinsam unterrichtet wurden, haben wir im Jahrgang 5 „Soziales Lernen - SoLe“ als neues Unterrichtsfach eingeführt. Dieser Unterricht erfolgt in enger Kooperation mit der Schulsozialarbeit.
Mit dem Unterrichtsfach „SoLe“ wollen wir folgende Ziele erreichen:
- das Selbstvertrauen der SchülerInnen stärken;
- damit eine Grundlage schaffen für eigenverantwortliches Handeln, gewaltfreien Umgang mit Konflikten und Übernahme von Verantwortung;
- die Konfliktfähigkeit der SchülerInnen fördern, indem sie lernen Konflikte anzunehmen, damit umzugehen und die Chancen zu erkennen, die sich aus deren Lösung ergeben;
- den SchülerInnen an Hand curricularer Inhalte Gelegenheit geben, sich gegenseitig kennen zu lernen und sich ihrer eigenen Stärken und Schwächen bewusst zu werden;
- sie befähigen ihre eigenen Bedürfnisse zu formulieren und auch für die ihrer MitschülerInnen Verständnis und Toleranz zu entwickeln, so dass sie bei Konflikten in gegenseitiger Absprache zu Lösungen finden können;
- Schlüsselqualifikationen wie Kommunikations-, Kooperations- und Teamfähigkeit de SchülerInnen verbessern;
- Mittelfristig wollen wir auf konzeptioneller Ebene eine Verbindung des Unterrichtsfaches „SoLe“ in den Klassenstufen 5 bis 7 zu bestehenden und neuen Projekten des „Service Learning“ in den höheren Jahrgängen herstellen und darüber eine Verbindlichkeit durch Aufnahme in das Schulprogramm herstellen.
Als weitere Aktivitäten zum Schulentwicklungsschwerpunkt „Soziales Lernen“ sind mittlerweile bei uns eingeführt:
-
Mediationsgespräche: in Konfliktsituationen, z. B. bei Streitereien auf dem Schulhof oder in der Klasse können SchülerInnen Gespräche mit ausgebildeten MediatorInnen unseres Kollegiums vereinbaren und durchführen um den Konflikt auszuräumen.
-
In der wöchentlichen Klassenratsstunde in den 5. und 6. Klassen haben SchülerInnen weitgehend Mitbestimmungsmöglichkeiten. Hier regeln die Klasse und ihr Klassenlehrer Klassenangelegenheiten. SchülerInnen erlernen demokratische Handlungsstrukturen und soziale Verantwortung.
-
Bereits seit dem Schuljahr 2003/04 machen wir unseren SchülerInnen Kreativ-, Lern- und Sportangebote am Nachmittag.
-
Seit dem Schuljahr 2005/06 ist die Gutenbergschule nun eine ganztägig arbeitende Schule mit einer Pädagogischen Mittagsbetreuung, Arbeitsgemeinschaften und der Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern im Stadtteil.